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Künstler-Gesellschaft Zürich [Hrsg.]
Neujahrsblatt der Künstlergesellschaft in Zürich — 39.1879

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Karl Gleyre
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II. Aufenthalt in Rom
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III. Reisen im Oriente
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https://doi.org/10.11588/diglit.43130#0012
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Literatur und Kunst. Gleyre fand in Madame Lacroix eine zweite Mutter, die ihn liebevoll bei sich
aufnahm und sorgfältig pflegte, als er am Fieber litt. Fräulein Lacroix wurde bald die Verlobte von
Cornu und blieb bis an ihr Ende eine aufopfernde Freundin Gleyre’s. Sie charakterisirt ihn als einen
der liebenswürdigsten Menschen, die sie je gesehen, sanft und anmuthig wie eine Frau; bestimmt, kühn
und thatkräftig wie ein Mann, aber von einem melancholischen Zuge umschleiert. Madame Cornu empfahl
Gleyre der Kaiserin von Russland, welche für ihre Tochter einen Zeichnungslehrer suchte. Er wurde
sofort angenommen und sollte sich ihr vorstellen. Allein zu einer russischen Prinzessin kann man nicht
im Atelieranzuge gehen wie in’s Cafe Greco und für Anschaffung eines eleganten Rockes hatte unser
arme Künstler kein Geld. Sein Freund Nanteuil half ihm gerne aus mit einem prächtigen blauen Fracke
mit breiten Schöössen und vergoldeten Knöpfen, den er vor jeder Unterrichtsstunde gegen seinen Malkittel
bei ihm auswechselte und nachher wieder zurückbrachte. Der Frack wurde ihm nach und nach so lieb,
dass er ihn zuletzt Nanteuil gegen eine Zeichnung abhandelte.
Die Antwort, auf die Gleyre schon lange gewartet hatte, kam endlich. Ein reicher Amerikaner,
der eine Reise nach dem Oriente unternehmen wollte, wünschte einen Zeichner mitzunehmen und wendete
sich desshalb an Horace Vernet. Dieser empfahl nun Gleyre und sofort kam die Sache in’s Reine.
Letzterer meldet darüber seinem Bruder unterm 5. April 1834: «Mein lieber Heinrich, dies ist der
letzte Brief, den du von mir aus Rom erhältst. Heute Abend verreise ich nach Neapel und von da
nach Aegypten und Syrien etc. Ich bekomme monatlich Fr. 200 und geniesse freie Verköstigung. Du
wirst begreifen, dass ich mit beiden Händen zugegriffen habe. Die Dauer der Reise ist nicht festgesetzt.
Ueber ein Jahr wird sie, denke ich, nicht gehen. Ich wünschte schon lange eine Reise in ein fernes
Land zu machen. Ich wollte euch nicht früher schreiben, als bis die Sache abgemacht wäre. Ich lasse
meine Zeichnungen, die ich in Rom gemacht habe, in den Händen von Cornu. Sollte ich auf meiner
abenteuerlichen Fahrt sterben, so suche meine Schulden aus meinem Nachlasse zu bezahlen.»
Nach Uebereinkommen mit dem Amerikaner sollte Gleyre an jedem wichtigen Orte, den sie auf
ihrer Reise besuchten, eine Ansicht und ein Costümbild anfertigen. Auf diese Art hoffte er Zeit genug
zu erübrigen, um auch für sich arbeiten und sammeln zu können. Aber der Amerikaner fand an Allem
Geschmack, was sein Maler lieferte und bemächtigte sich ohne weitern Dank auch der unbedeutendsten
Croquis, ja sogar eines Taschenalbums desselben.

III. Reisen im Oriente.
Mitte April reiste Gleyre mit dem Amerikaner von Neapel ab. Auf Sicilien hielten sie sich bis
über Mitte Mai auf. Die Insel gefiel unserm Künstler gut. Er schätzt sie höher als Griechenland; denn
sie zeige ebensoviel Grösse und Anmuth, sei aber weniger abgemagert und kahl. Anfangs Juni berührten
die Reisenden Malta und gelangten nach unruhiger Fahrt nach Corfu, von wo aus Gleyre am 13. Juni
schreibt: «Vierzehn schreckliche Tage auf dem Meere. Gegenwind, Sturm, abscheuliche Seekrankheit,
Abgeschlagenheit, gänzliche Entmuthigung. Ich schwamm in meinem Schmutz. Endlich bin ich in Corfu.
Die Einwohner sind ausgelassen fröhlich. Es ist unstreitig das schönste Land, das ich gesehen habe.
Die Insel ist ganz mit Olivenbäumen besetzt. Ich fange an Costüme zu sehen zu bekommen. . . » Am
6. Juli reisten sie von Corfu ab und besuchten in der zweiten Hälfte von 1834 Epirus, Thessalien,
Macedonien. Gleyre spricht mit Begeisterung von den Typen und Gegenden dieses noch wenig aus-
gebeuteten, aber schwer zugänglichen Landes. Im eigentlichen Griechenland arbeitete er viel. Man besitzt
von ihm äusser einem reizenden Oelbilde, welches einen dorischen Tempel und andere Gebäude in
charakteristischer Landschaft aufweist, eine grosse Anzahl von Aquarellen vom Parthenon, vom Tempel
 
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