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Künstler-Gesellschaft Zürich [Hrsg.]
Neujahrsblatt der Künstlergesellschaft in Zürich — 51.1891

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https://doi.org/10.11588/diglit.43110#0019
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„Mau muss in den Werken Veillons weder grosse Tiefe der Gedanken noch kühne Flüge der Ein-
bildungskraft suchen; wohl aber wird man darin die beständige Sehnsucht nach einem Ideal stillen und
ruhigen Glückes wahrnehmen können. „Bürgerliche Malerei!“ wurde gesagt. Das Wort mag wahr sein,
wenn Freundlichkeit und ein Optimismus voller Herzensgüte, voller Vertrauen und Hoffnung Eigenschaften
sind, die ausschliesslich dem bürgerlichen Stande zukommen. Bürgerlich oder nicht, sie hat ihren Reiz,
der manch andern Reiz aufwiegt, und das ist auch die Meinung der zahlreichen Besucher unserer Aus-
stellung, welche derselben ihre Bewunderung zollten.“
Und im „Genevois“ :
„Veillon mit seinem feinen, lachenden Blicke hatte etwas von den Eigenschaften des ehrbaren waadt-
ländischen Proprietärs : das freundliche Entgegenkommen, die Einfachheit der Manieren, die ungeschminkte
Biederkeit und die Herzensgüte sans phrase.
„Seine Bescheidenheit war keine gemachte, sondern eine wirkliche, und die von ihm in gewissen
Kreisen errungenen Erfolge thaten derselben keinen Eintrag.
„Veillon war allen seinen Collegen ein trefflicher Genosse. Er stand persönlich ein, wenn es galt,
die gemeinschaftlichen Zusammenkünfte der genferischen Künstler zu verschönern. Der Cercle des Beaux-
Arts zählte ihn zur Zeit seiner grossartigen Festlichkeiten zu seinen eifrigsten und aufopferndsten Mit-
arbeitern. Es ist zu hoffen, dass die Freunde Veillons eines schönen Tages im Musée Rath ein Bild
finden werden, welches mit dem geachteten Namen jenes Mitgliedes der Genfer Schule bezeichnet ist. *)
Dasselbe wird sie an den liebenswürdigen und wackern Künstler erinnern, den sie jetzt so schmerzlich
entbehren müssen.“

II.
Zur Ergänzung vorstehender Lebensskizze entnehmen wir den Aufzeichnungen des Herrn Paul
Robinet was folgt:
Veillon hatte, wie schon gemeldet, im Atelier Diday’s einen Winter zugebracht und dort —- wie er
zu sagen pflegte — vom frühen Morgen bis zum späten Abend „drauflosgeochst“ ; allein da er keinen
Sou mehr sein eigen nannte und der Vater, um ihn nicht in der verhassten Berufswahl zu bestärken, ihm
kein Geld zukommen liess, sah sich der wackere Junge genöthigt, nach Hause zurückzukehren und um
die Heimreise machen zu können, bei einem Freunde fünf Franken zu entlehnen. Man kann sich denken,
dass der junge Künstler nach seinem „dummen Streiche“, während dessen er nichts gethan hatte, als
tüchtig arbeiten, vom Herrn Papa kühl aufgenommen wurde. Das schreckte ihn aber nicht ab, und eben-
sowenig der zweistündige Marsch im Gebirge von Bex, oberhalb des väterlichen Landgutes jenes Gemälde
zu vollenden, das nachher ausgestellt und ihm mit Fr. 200 abgekauft wurde. Als der Vater diesen ersten
Erfolg sah und daraus entnehmen mochte, dass auch die Malerei ihren Mann zu ernähren im Stande sei,
war er plötzlich wie umgewandelt: er schenkte dem Sohne wieder seine volle Gunst und liess ihm nun
die nöthigen Hülfsmittel zukommen, um seine Studien fortsetzen zu können.
Unser Veillon besass noch ein Vermögen von 120 Fr., als er, begleitet von seinem Freunde August
von Pourtalès, dessen Taschen 150 Fr. enthielten, nach Brunnen, dem Eldorado aller Landschafter)

!) Dieser Wunsch ist seither in Erfüllung gegangen, denn der „See von Tiberias“ wurde, wie das gleiche Blatt
später meldet, für die öffentliche Sammlung erworben. Amn. d. Hefäusg.
 
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