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Künstler-Gesellschaft Zürich [Hrsg.]
Neujahrsblatt der Künstlergesellschaft in Zürich — 56.1896

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Das Leben des Malers Raphael Ritz von Niederwald
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https://doi.org/10.11588/diglit.43115#0009
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Das Leben des Malers RAPHAEL RITZ
von Niederwald.
-O-
Es ist ein wunderbar aus Genuss und Wehmut gemischtes Gefühl, mit dem wir in
der Erinnerung die Stunden wieder durchleben, die wir im Verkehr mit einem teuren
Hingeschiedenen zugebracht, und mit diesem Gefühle habe ich mich hingesetzt, um die
Lebensskizze meines Freundes R. Ritz zu schreiben.
Ich sehe sie wieder vor mir, die kleine, schmächtige Gestalt, aus deren lebhaften
Augen jedoch der geniale Künstler herausblickte, und um deren feingeschnittnen Mund
ein Zug von dem harmlosen Humor spielte, der sich in manchem seiner Bilder wieder-
spiegelt. Der kleinen unscheinbaren Gestalt entsprach auch des Künstlers ganzes Wesen;
nie suchte er sich durch Äusserlichkeit geltend zu machen; sein Auftreten, wie seine
Erscheinung überhaupt, war bescheiden, fast furchtsam, ferne von dem stolzen Selbst-
vertrauen, mit dem oft Mittelmässigkeiten es verstehen, sich vor den Augen der Alltags-
menschen mit einem Scheinglanz zu umgeben, der freilich vor dem scharfen Kenner-
blick in leeren Dunst zerfliesst. Ritz bedurfte dieses Behelfes nicht, er gab sich, wie
er war, zufrieden mit der Anerkennung derer, die ihn gründlich kannten und nach
seinem Verdienst und wahren Wert zu schätzen wussten. Für ihn lag die Genugthuung
in dem Bewusstsein: « Ich kann’s, ich hab’s gemacht! » obgleich er jeder wohlgemeinten,
sachkundigen Bemerkung Rechnung trug mit dem redlichen Streben seiner Vervoll-
kommnung. Dagegen blieb er gleichgiltig gegen eine unverständige Kritik, die sich
zuweilen ein Besucher seines Ateliers erlaubte, um sich den Anschein eines Kunst-
kenners zu geben, und mit gutmütigem Lächeln erzählte er dieselbe seinen Freunden,
doch zornig habe ich ihn nie gesehen!
Man würde sich sehr täuschen, wollte man glauben, Ritz sei nur in seinem Atelier
daheim gewesen; in dem kleinen Manne stak eine hübsche Summe von genialen An-
lagen und gründlichen Kenntnissen: auch auf den Gebieten der Wissenschaften, der
Litteratur, und der Kunst im allgemeinen war er ganz daheim. Es war das kein ober-
flächlicher Firnis, bloss um mit dem Schein eines Gelehrten zu glänzen, sondern Alles
 
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