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gesetzt; die Trierer und die Bamberger Reihe beachten gleich der Welislawbibel nur das Wasserspeien, aber nicht auch
das Wasserverschwinden.
Die so mannigfachen Übereinstimmungen der äußerst bescheidenen Überreste des Karlsteiner Wandbildes der
apokalyptischen Reiter zeigen diese Scene und die übrigen Apokalypsedarstellungen in inniger Wechselbeziehung mit
vielen Einzelheiten, welche bei der künstlerischen Behandlung des Apokalypsestoffes in anderen Ländern bald mehr bald
weniger stark hervortreten. Sie rücken den Karlsteiner Cyklus über den Boden Böhmens hinaus, aus welchem er nicht
allein die gestaltende Kraft gewonnen haben kann, und verknüpfen ihn mit vielen anderorts maßgebenden Anschauungen,
wenn auch die Apokalypse der Welislawbibel bereits auf eine frühere Bearbeitung des Stoffes in Böhmen hinweist; sie
ist allerdings im Vergleiche zu den Karlsteiner Wandbildern nicht derartig, dass die Berührung beider Darstellungskreise
die unverkennbare Benützung des einen für den andern zur unerlässlichen Voraussetzung haben müsste. Selbst die Über-
einstimmung des reisigen Zeuges auf Rossen mit Löwenhäuptern und den in Schlangenköpfen endigenden Schweifen, bei
welcher die Anordnung der Reiter und der vor ihnen stehenden Gruppe verschiedene auch im Wandbilde feststellbare
Züge bietet (Taf. XXVII, Abb. i), kann ebenso wie das auf der Mondsichel stehende Weib mit Sternenkrone und Sonnen-
gürtel (Taf. XXVII, Abb. 2) aus einer beiden gemeinsamen Quelle fließen; denn sonst müsste die gegenseitige Durchdringung
eine viel innigere sein. Nur beweisen die Apokalypse der Welislawbibel und vielleicht auch schon jene des Scriptum
super apocalypsim im Vereine mit dem Cyklus der Karlsteiner Apokalypsewandbilder das Vorhandensein des Interesses,
welches Böhmens kunstfreundliche Kreise im 14. Jahrhunderte der Vorführung des ergreifenden Schrifttextes im Bilde
entgegengebracht haben. Doch lässt sich die praktische Bethätigung desselben nicht dahin deuten, dass »auch von den
Prager Hofmalern des 14. Jahrhunderts beim Ausbruch der husitischen Bewegung apokalyptische Stoffe mit Vorliebe zu
Angriffen gegen die Ketzer benutzt worden« seien.1) Denn die Vollendungszeit der Karlsteiner Wandbilder fällt noch in
die Glanzzeit des böhmischen Kirchenthumes, in welcher die eben so kräftige als ordnungsliebende Hand des umsichtigen
Prager Erzbischofes Ernst von Pardubitz die noch schüchternen Versuche abweichender Meinungsäußerung in Glaubensfragen
energisch niederzuhalten verstand, sodass von einem Ausbruche der husitischen Bewegung, der ja erst der Regierung
Wenzels IV. vorbehalten blieb, nicht die Rede sein kann. Übrigens waren die Karlsteiner Bilder an einem für die große
Menge so schwer zugänglichen Orte angeordnet, dass sich durchaus nicht annehmen lässt, sie hätten irgend welche An-
griffe gegen die Ketzer wirksam unterstützen können, da eine solche Unterstützung, wenn sie wirklich beabsichtigt gewesen
wäre, in einer möglichst weitverbreiteten Kenntnis solcher Tendenzbilder eine entsprechende Grundlage hätte suchen müssen.
Für die Anordnung der Apokalypsebilder in der Karlsteiner Marienkirche, die unmittelbar neben der zu privaten Andachts-
übungen des Kaisers bestimmten Katharinenkapelle lag, kann nur die persönliche Anschauung Karls IV. maßgebend gewesen
sein, dem Johannes von Marignola nachrühmt:s) »Hic gloriosissimus imperator profunda fluviorum sacre pagine misteria
previo doctore beato Dyonisio perscrutari non desinit ac eciam cum Johanne, celestis aule paranympho, celos penetrans
volatu celerrimo contemplatur oraculis, miraculis, vestigio et speculis per creatam ymaginem increate maiestatis incom-
prehensibilem trinitatem«. Ja, vielleicht findet die nicht bestimmt deutbare Inschrift »sancta trinitas« über dem Bilde
Karls IV. und seiner ersten Gemahlin Bianca gerade durch eine solche Auffassung, welche der zur Zeit der Erbauung
und Ausschmückung Karlsteins in Prag weilende und über Karls Absichten gut unterrichtete Gewährsmann bezeugt, ihre
Erklärung in einer Dreifaltigkeitsdarstellung, welche sich an die Apokalypse anreihte. Denn da Johannes von Marignola
unmittelbar vorher eingehend über die Ausmalung des Karlsteiner Palas und das sie bestimmende Ereignis berichtet,
mithin der Ausstattung Karlsteins unbestreitbare Aufmerksamkeit schenkt, so scheint, wenn zwischen Vorangehendem
und Nachfolgendem irgend ein bestimmten Thatsachen entsprechender Zusammenhang gesucht werden muss, auch das
oben Mitgetheilte auf einen mit Karlsteins Malereien zusammenhängenden Sachverhalt zurückzugehen. Angriffe gegen die
Ketzer sollten demnach die Karlsteiner Apokalypsebilder gewiss nicht unterstützen.
Unbestreitbar sind die Wandbilder der Marienkirche in Karlstein der bedeutendste Cyklus der Apokalypsedar-
stellungen, mit welchen ein Künstler des 14. Jahrhundertes einen Kirchenraum Böhmens, ja des ganzen deutschen Reiches
schmückte. Die wiederholt wahrnehmbare Zusammenziehung sonst getrennter Scenen zu einer einheitlich abgerundeten
Composition, welche mit einem Eindrücke die Erinnerung an mehrere miteinander vereinbare Apokalypsestellen beleben
will, erhebt die Karlsteiner Reihe auf eine höhere Stufe künstlerischer Anschauung und Leistungsfähigkeit. Sie bietet
besonders in den vier apokalyptischen Reitern schon mehr als ein Jahrhundert vor der deutschen Bibelausgabe Anton
Koburgers mit der Vereinigung der vier Gesichte zu einem Bilde ein überaus wichtiges Glied in der Kette bedeutsamen
Fortschrittes der Apokalypsedarstellungen, welcher es gewiss fraglich erscheinen lässt, ob Dürer die erwähnte Vereinigung
in seinem berühmten Holzschnitte offenbar nur dem betreffenden Holzschnitte der Koburgerbibel entlehnen konnte. Mit
den streng geschiedenen Inschriften dieser Scene bewahrt aber die Karlsteiner Reihe den Trennungsgedanken anderer
Apokalypsefolgen; sie gewinnt auf diese Weise eine Mittelstellung zwischen dem durch Jahrhunderte beobachteten Brauche
und der freieren Regung einer höhere und künstlerisch bedeutendere Aufgaben ins Auge fassenden Thätigkeit. Dass
diese gerade auf dem Gebiete der monumentalen Wandmalerei bei Ausführung eines so umfangreichen Auftrages einsetzte,
erhöht die allgemeine Bedeutung dieser für Böhmens Kunstgeschichte überaus wichtigen und wertvollen Thatsache.

x) O e ch elh a eu s er, Dürers apokalyptische Reiter. S. 34, Anm. I. — 2) Johannis de Marignola chronicon a- a. O. S. 522-

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