Abb. io. Verzierungen der Tragleiste in der Karlsteiner Kreuzkapelle.
V.
Die Tafelbilder und Wandgemälde der Karlsteiner
Kreuzkapelle.
icht viele Räume hervorragender Bauwerke des Mittelalters dürften sich an Reichthum und Mannigfaltigkeit der
Ausschmückung mit der vielbewunderten Karlsteiner Kreuzkapelle (Taf. XXIX) messen können; die buntfarbige
Edelsteinverkleidung der mit vergoldeten Gipsornamenten geschmückten Wände, die über derselben angeord-
neten Tafelbilder, die Wandmalereien in den Wölbungen der Fensternischen, der theilweise noch erhaltene
Schmuck des gestirnten Firmamentes in den Gewölbekappen steigern die Wirkung der architektonisch ziemlich einfach ge-
haltenen Kapelle derart, dass man vollauf der Ansicht Sedläceks beipflichten muss, der hier empfangene Eindruck lasse
sich nicht mit Worten wiedergeben und werde überhaupt nur einmal und nur an dieser Stätte empfunden.
Zwei Kreuzgewölbe überspannen den im dritten Stockwerke des Hauptthurmes liegenden, saalartigen Raum, wel-
chem durch drei hohe Maßwerkfenster ein für die Beleuchtung aller Einzelheiten nicht gleichmäßig ausreichendes Licht
zuströmt. Alle Wände, an deren Sockel ein ehemals vergoldetes eisernes Kerzengestell mit 1330 Stacheln hinläuft, sind
zwischen Sockel und Wölbungsansatz mit reich ornamentiertem vergoldetem Gipsgrund bekleidet, in welchen 2392 ge-
schliffene Edelsteine — ab und zu unter Beziehung auf die Kreuzkapelle in Kreuzform — eingesetzt waren; von
diesen Achaten, Karneolen, Amethysten und Jaspisstücken sind noch 2267 an Ort und Stelle. Die Ornamente des Gips-
grundes zeigen durcheinander geschlungenes Bandwerk, Rosetten, Lilien, Bienen und nehmen mit dem böhmischen Löwen
und dem einköpfigen Adler auf den kaiserlichen Bauherrn Bezug, welchem auch das oft wiederholte K und die Krone
gelten. Über der Edelsteinverkleidung zieht sich eine lichtblau bemalte Tragleiste ringsherum, deren Auskehlung goldene
Rosetten auf rothem Grunde zieren; auf dieser Leiste sind Goldblechverzierungen befestigt, die in einem Rechtecke den
einköpfigen Adler mit ausgebreiteten Flügeln und in einem übereck gestellten Quadrate den doppelschwänzigen Löwen
Böhmens zeigen (Abb. 10). Die von den Eckconsolen an den Fensternischen herablaufenden Leisten, die das Stützsystem
der erwähnten Tragleiste vervollständigen, bieten die eben beschriebene Ausstattung der letzteren. Diese Tragleiste trägt
das aus schwachen Balken gebildete Rahmengerüst, in welches die Tafelbilder als Füllung eingesetzt sind; an demselben
sind auf vergoldetem Gipsgrunde gleichfalls Rosetten, Bandwerk oder die erwähnten Wappenthiere als Verzierungen an-
gebracht. Die äußere Umrahmung der in zwei bis vier Reihen ansteigenden Tafelbildergruppen bilden zwei längs des
Schildbogens emporgeführte Holzleisten, welche auf Goldgrund abwechselnd mit fein ornamentierten Rauten sowie mit
größeren und kleineren kreisförmigen Rosetten geschmückt sind. Die vergoldeten Rippen der Wölbung sind mit vergol-
deten Gipsrosetten und Sternen besetzt; von dem blauen Grunde der Gewölbekappen hoben sich einst tausende von
runden Glas- und Krystallsternen ab, die mit Goldfolie unterlegt waren und mit den heute fehlenden Nachbildungen der
Sonne und des Mondes den gestirnten Himmel ') in diesen weihevoll geschmückten Raum gleichsam herabrücken sollten.
Solche Sterne haben sich auch noch an den mit Malereien gezierten Wölbungen der Fensternischen erhalten; vergoldete
Rosetten und Spuren der Goldbemalung zeigen die Reste der alten Maßwerke aus den Kreuzkapellenfenstern, in deren
1) Piper, Burgenkunde. Forschungen über gesammtes Bauwesen und Geschichte der Burgen innerhalb des deutschen Sprachgebietes. (München 1895.)
S- 557 behauptet, dass Wände, Decke und Fenster mit jetzt nur noch zum Theile vorhandenen Edelsteinen besetzt waren.
Neowirtl, Mittelalterl. Wandgemälde u. Tafelbilder d. Burg Karlsteia.
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