Abb. 12. Künstlerinschrift auf dem Karlsteiner Tafelbilde des Schmerzensmannes-
VI.
Die Tafelbilder des Thomas von Modena;
der Budnianer Altar und zwei verlorene Cyklen Karlsteiner Wandgemälde.
ine Sonderstellung unter den Karlsteiner Tafelmalereien nehmen die von Thomas von Modena ') ausgeführten
Werke ein, denen in entsprechenden Künstlerinschriften ein verlässliches Ursprungscertificat beigegeben ist.
Das eine derselben, ursprünglich unmittelbar über der Hochaltarnische der Kreuzkapelle angeordnet und 1780
nach Wien überführt, befindet sich heute in der Gemäldegalerie des kunsthistorischen Hofmuseums zu Wien,
das andere, minder vollständig und weniger gut erhalten, noch in der Karlsteiner Marienkirche.
Das Wiener Altarwerk besteht aus dem Mittelstücke, welches die Madonna mit dem Kinde bietet, und zwei
Seitenbildern mit den Darstellungen des heil. Wenzel und des heil. Palmatius zur Rechten und Linken der Gottesmutter
(Taf. I). Im Dreiviertelprofil die rechte Seite des anmuthigen Kopfes zeigend, erscheint Maria in dunkelblauem, grünge-
füttertem Mantel, der mit feingezeichneten Goldornamenten durchwirkt und über den durchsichtigen weißen Schleier empor-
gezogen ist; unter letzterem schlägt der Schimmer des blonden Haares durch. Mit beiden Unterarmen stützt die Gottes-
mutter das blondgelockte Kind, um dessen Unterleib und Füße ein zinnoberrother, den Oberkörper vorn freilassender
Mantel mit goldenem Granatäpfelmuster geschlagen ist; denselben hält auf den Schultern eine schmale Schnur fest, an
welcher eine rothe Koralle hängt. Mit der Linken umfasst das Christuskind den rechten Vorderfuß eines weißen Hünd-
chens, das ein rothes Perlen- oder Korallenhalsband trägt und den Kopf mit vorgestreckter Zunge nach dem ihm entge-
gengehaltenen Zeigefinger der Rechten umwendet. Die Blicke der Mutter und des zu ihr emporschauenden Kindes, in
dessen mäßig geöffnetem Munde die weißen Zähnchen sichtbar werden, begegnen einander voll Innigkeit und fragender
Erwartung. Unter dem Bilde zieht sich die Inschrift hin:
• QUIS OPUS HOC FINXIT THOMAS DE MUTINA PINXIT-.
-QUÄLE UIDES LECTOR RARISINI (?) FILIUS AUTOR:—
Zur Rechten der Madonna steht der heil. Wenzel mit rother Dogenmütze, deren Goldsaum sechsblättrige Rosetten
eingepresst zeigt. Der mit Hermelin gefütterte Purpurmantel, den eine runde Agraffe zusammenhält, ist leicht über dem
rechten, silbergepanzerten Oberarme zurückgeschlagen, wodurch der grünliche, golddurchwirkte Lendner mit blauem und
rothem Streifen sichtbar wird, den die an der rechten Seite herablaufende Schnürung und ein reichgeschmückter Gürtel an
den schlanken Leib anschmiegen. Zwei feine Kettchen ziehen sich rechts und links von der Mantelagraffe über die Brust.
Die Rechte, fast auf dem Griffe eines am Gürtel befestigten Schwertes ruhend, umfasst den braunen Schaft eines roth-
t) J- Q«- Jahn, Etwas von den ältesten Malern Böhmens a. a- O. S. 11 u. f. — Pass avant, Über die mittelalterliche Kunst in Böhmen und
Mähren a. a. O. S. 212—213. — Crowe u. Cava 1 caseile, Geschichte der italienischen Malerei II. S. 382—383. — Woltmann, Buch der Maler-
zeche in Prag. S. 37 u. 38; Geschichte der Malerei I. S. 393 u. 467. — Engerth, Kunsthist. Sammlungen d. Ah. Kaiserhauses. Gemälde. I. S. 314
bieten das Wesentlichste über die Werke des Meisters mit weiteren Litteraturnachweisen. — Seroux d’Agincourt, Denkmäler der Architektur, Sculptur
und Malerei vom 4. bis zum 16. Jahrhundert. (Revidiert v. Quast.) III. 2, Taf. 133, Abb. 1 bringt eine ungemein schwache Reproduction des Wiener
Altarwerkes, von welchem bereits seit einigen Jahren vortreffliche Aufnahmen existieren. — Wocel, Nektere vysledky archaeologicke cesty roku 1852
konane. (Casopis ceskeho museum, Prag 1853.) S. 96 u. f. Tomas z Mutiny a malby jeho v Karlsteine a v Trevisu.
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