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Besondere Schicksale.

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Das deutsche Reich roar untergegangen, Napoleon der Herr des-
selben geworden. »Mißtrauisch verfolgte er jede Regnng des nano-
nalen Gefnhls in dem unterjochten Lande. Als nun ein Ansbacher
Aelin eine anonpme Flugschrift: Dentschland in seiner tiefen Erniedrig-
ung herausgab — ein treugemeintes, gefühlsseliges Schriftchen, das in
eiserner Zeit nnr den friedlichen Rath fand: Weine lant anf, edler,
biederer Deutscher! — da schien dem Jmperator selbst dieser Stoß-
seufzer des harmlosen Spießbürgerthums bedenklich und er ließ den
Buchhändler Palm, der das Buch verbreitet haben sollte, standrechtlich
erschießen (26. Angust t806.) Es war der erste Justizmord des Bona-
partismus auf deutschem Bodeiü' (v. Treitschke, Deutsche Gesch. im
19. Jahrh. 236.) Wenig fehlte, daß sofort ein weiterer an zwei ehr-
samen Bürgern von Neckarsnlm und Heilbronn vollzogen worden
wäre.

Der Kaufmann Gottlieb Link in Heilbronn hatte seinem Geschäfts-
freund Peter Heinrich Merckle, Gastgeber zum goldenen Löwen in
Neckarsnlm, die genannte Flugschrift mitgetheilt. Merckle gab sie weiter
an den Handelsbürger Schoderer in Donauwörth, welcher öfters Wein
von jenem bezog. Bald grifsen die Franzosen die Schrift auf, Schoderer
wurde verhaftet und die Beschlagnahme seiner Papiere führte die Spnr
auf Merckle. Am 17. August 1806 ward auch er auf Befehl des iu
Dettingen im Ries kantonirenden Marschalls Davoust durch den in
Neckarsulm weilenden Hauptmann der Voltigeurskompagnie des 25.
Linienregiments festgenommen und mit Link und Franz Ntüller vou
Neckarsulm, welcher im Auftrag Merckles die Abschrift der Flugschrift
sür Schoderer besorgt hatte, in Davonsts Hauptquartier abgeführt. Hier
wurde Müller alsbald entlassen, Link und Merckle nach Braunan am Jnn
gebracht. Ein Kriegsgericht verurtheilte Letzteren am 25. August zum
Tode, während Link entlassen worden war, weil anzunehmen sei, daß
er die ihm anonym zugekommene Flugschrift m:r vertraulich habe mit-
theilen wollen.

Der Hof- und Regierungsrath, Stadt- und Land-Amtmann Kleiner
von Neckarsulm berichtete von Aufang an aufs Genaueste an den König,
der auch darüber gereizt war, daß die Franzosen in Neckarsnlm das
württembergische Wappen abgenommen hatten (s. o.). König Friedrich
verlangte zweimal die Auslieferung Merckles und am 10. September
wurde derselbe, während ein in die Heimat gedrungenes Gerücht ihn
an diesem Tage erschossen worden sein ließ, in Braunau entlassen und
von zwei Gensdarmen nach Württemberg gebracht, überall unterwegs
„wie Ritter verehrt, die aus Palästina kommen". Nach vierwöchiger
Haft auf Hohenasperg konnte der Schwergeprüfte endlich am 29. Okt.
wieder zu seiner Familie und feinen Mitbürgern zurückkehren. (Ganz-
horn in der Zeitschr. f. d. wirtemb. Franken 8, 419 ff.)'

König Friedrich mar noch weiter bemüht, den neuen Landes-
theil rnit der neuen Herrfchast anszusöhnen: bei der Regulirung
der K. Justiz- nnd Kameral-Beamtungen vom 20. Dezember
1806 und 25. April 1807 wurden die Aemter Neckarsnlm,
Gundelsheim und Heuchlingen sammt dem Oberamt Nenenstadt
in eine Justizbeamtung vereinigt nnd derselben der Amtssitz in
 
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