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Andermann, Kurt [Hrsg.]
"Raubritter" oder "Rechtschaffene vom Adel"?: Aspekte von Politik, Friede und Recht im späten Mittelalter — Oberrheinische Studien, Band 14: Sigmaringen: Thorbecke, 1997

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Rechter, Gerhard: Wenn ihr nicht einen streich haltet, so müßt ihr mehr straich halten. Zum Verhältnis zwischen Niederadel und Städten in Franken
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https://doi.org/10.11588/diglit.52732#0139
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Wenn ihr nicht einen streich haltet, so müßt ihr
mehr straich halten
Zum Verhältnis zwischen Niederadel und Städten in Franken
VON GERHARD RECHTER
Am 22. Januar des Jahres 1512 spielte sich vor den Mauern der Reichsstadt Nürnberg
ein denkwürdiges Schauspiel ab1. Eine große Menschenmenge hatte den Scharfrichter
mit einem Gefangenen zum Richtplatz begleitet. Der Delinquent wollte aber nicht nieder-
knien, um den tödlichen Streich zu empfangen, sondern sah immer wieder zum Wald
hin, in der Hoffnung, seine gesellen sollten kommen und im darvon helfen. Da ritt end-
lich der Richter Wolf Pömer zu ihm und sagte: Juncker Sebastian, ir werdt gedencken
und dem meister halten, [wenn] ihr aber nicht einen straich haltet, so müßt ihr mehr
straich halten. Da - so die Quelle weiter - speiet er aus und kniet nider und wurd ent-
haupt. Das Leben des Junkers Sebastian von Seckendorff-Nold zu Reichenbach, der am
17. November 1511 mittentag zwischen Gundelsheim und Oettingen als Placker von
reichstädtischen Kriegsknechten niedergeworfen und ins Lochgefängnis nach Nürn-
berg verbracht worden war, hatte damit sein jähes Ende gefunden. Angeblich hatte
Sebastian - ermuntert durch Markgraf Friedrich von Brandenburg-Ansbach - den Nürn-
bergern Fehde angesagt und sogleich oder wohl schon vorher ihre Kaufleute ausge-
raubt2. War dies nun das von Rochus von Liliencron in seinen Volksliedern3 dokumen-
tierte Ende eines ordinären Plackers, oder hatte die mächtige Reichsstadt zur Ab-
schreckung der Markgräfler ein grausames Exempel statuiert? Haben wir zudem hier
im Verhältnis zwischen den fränkischen Städten und dem fränkischen Niederadel nur
eine seltene Ausnahme oder einen quasi exemplarischen Fall vor uns?
Franken, worunter im folgenden der fränkische Reichskreis seit der Reichsreform Kai-
ser Maximilians 1495 verstanden werden soll4, war gleichermaßen eine Städte- wie eine
Adelslandschaft. Diese beiden rechtlichen, sozialen und politischen Faktoren fränkischer
Geschichte wurzeln fest in der alten staufischen terra imperii, deren hier bedeutendste
1 Das Folgende nach G. Rechter, Die Seckendorff. Quellen und Studien zur Genealogie und Be-
sitzgeschichte 2: Die Linien Egersdorf, Nold, Hoheneck und Pfaff (VeröffGesFränkG 9/36), Neu-
stadt a.d. Aisch 1990, S. 70f.
2 Vgl. dazu R. Seyboth, »Raubritter« und Landesherren. Zum Problem territorialer Friedenswah-
rung im späten Mittelalter am Beispiel der Markgrafen von Ansbach-Kulmbach, in diesem Band
S.115-131.
3 R. von Liliencron, Die historischen Volkslieder der Deutschen 3, Leipzig 1867, Nr. 265.
4 H. Angermeier, Die Reichsreform 1410-1555. Die Staatsproblematik in Deutschland zwischen
Mittelalter und Gegenwart, München 1984, vor allem S. 164-184; Deutsche Reichstagsakten MR
5,1-2: Maximilian I. (Reichstag von Worms 1495), bearb. von H. Angermeier, Göttingen 1981.
 
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