DYNASTIE - HOF - TERRITORIUM
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Wesentliche Weichenstellungen gingen mit der Inwertsetzung des »staufischen Erbes«
auch hinsichtlich der dynastischen Formierung des Hauses Württemberg einher: Es kam
damals zur Verselbständigung der beiden Linien um Ulrich von Württemberg und Hart-
mann von Grüningen gleichsam als Ergebnis und Erfolg ihrer gemeinsamen offensiven
Territorialpolitik. Den deutlichsten Ausdruck sollte diese Verselbständigung in der Pflege
unterschiedlicher Grablegen finden: Während Ulrich Beutelsbach als Stift und Grablege
seiner Familie einrichtete, machten die Grüninger das Zisterzienserinnenkloster Heilig-
kreuztal zu ihrem geistlichen Mittelpunkt. Doch obwohl sich Ulrichs Aktionsraum
immer deutlicher im Unterland profilierte und Hartmann eine dezidiert oberschwäbische
Politik betrieb, sollte das gemeinsame dynastische Bewußtsein - wie es etwa im gemein-
sam zugelegten, veringischen Wappen (mit den Hirschstangen) zum Ausdruck kommt16 -
zunächst eine verlässliche politische Konstante bleiben.
Noch vor seinem Tod 1265 wurde die Herrschaft Ulrichs von Württemberg bemer-
kenswerterweise durchaus schon flächenhaft verstanden: Per omnes terminos dommi[i]
nostri beschreibt ein Urkundentext von 1262 seinen Herrschaftsbereich17. Seine Herr-
schaftsgebiete umfaßten neben den Allodien, Kirchen- und Reichslehen, Pfandschaften
und Klostervogteien besonders große Teile des ehemaligen staufischen Territoriums.
Gerade dieses »staufische Erbe« bedingte eine Legitimation vom Reich und damit eine
territorialpolitische und dynastische Offensive, um das kurzfristig Erreichte zunächst
einmal zu sichern. Oder anders formuliert: Eine schwäbische Herzogsgewalt nach den
Staufern sollte es ohne Württemberg nicht mehr geben.
Ulrich I. scheint seinen Aktionsspielraum genau daraufhin ausgerichtet zu haben.
Seine dynastischen Ambitionen sind auch mit seinem Konnubium unmittelbar in Verbin-
dung zu bringen: Nach dem Tod seiner badischen Frau Mechthild schloss Ulrich um 1260
eine weitere, noch prominentere Ehe mit Agnes, der ältesten Tochter des schlesischen
Fürsten Boleslaw II. Sie stammte aus dem berühmten polnischen Königsgeschlecht der
Piasten, ein Urgroßvater war der böhmische König Ottokar II., eine Urgroßmutter die
hl. Hedwig. Mit dieser Heirat demonstrierte Ulrich nachdrücklich seinen Anspruch auf
einen Fürstenrang; man kann hierin seinen herrschaftlichen Aufstieg gleichsam personifi-
ziert greifen.
Agnes starb bereits zwei Wochen nach Ulrichs Tod im März 1265. Beide wurden
zunächst im Stift Beutelsbach begraben und erhielten schon bald die berühmte Doppel-
tumba, die noch immer in der Stuttgarter Stiftskirche zu sehen ist (Abb. 1). Hier wird
Agnes - entsprechend ihrem höheren Geburtsstand - zuerst genannt als filia ducis Polo-
nie. Auch trägt sie das Kirchenmodell in ihren Händen, obwohl sicher Ulrich der wesent-
liche Förderer des Beutelsbacher Stiftes war.
Oliver Auge hat jetzt zeigen können, daß Graf Ulrich, mit dem späteren Beinamen
»der Stifter«, wohl gerade in den Jahren des staufischen Niedergangs und des Uberwech-
schung, in: Staufische Stadtgründungen am Oberrhein, hg. von E. Reinhard und P. Rückert
(Oberrheinische Studien 15), Sigmaringen 1998, S. 235-272, daneben auch G. Wein, Die mittelalter-
lichen Burgen im Gebiet der Stadt Stuttgart, v. a. Bd. 1: Die Burgen im Stuttgarter Tal (Veröffentli-
chungen des Archivs der Stadt Stuttgart 20), Stuttgart 1967.
16 Vgl. dazu auch unten Abb. 3.
17 WUB 6, Nr. 1639, S. 39f.
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Wesentliche Weichenstellungen gingen mit der Inwertsetzung des »staufischen Erbes«
auch hinsichtlich der dynastischen Formierung des Hauses Württemberg einher: Es kam
damals zur Verselbständigung der beiden Linien um Ulrich von Württemberg und Hart-
mann von Grüningen gleichsam als Ergebnis und Erfolg ihrer gemeinsamen offensiven
Territorialpolitik. Den deutlichsten Ausdruck sollte diese Verselbständigung in der Pflege
unterschiedlicher Grablegen finden: Während Ulrich Beutelsbach als Stift und Grablege
seiner Familie einrichtete, machten die Grüninger das Zisterzienserinnenkloster Heilig-
kreuztal zu ihrem geistlichen Mittelpunkt. Doch obwohl sich Ulrichs Aktionsraum
immer deutlicher im Unterland profilierte und Hartmann eine dezidiert oberschwäbische
Politik betrieb, sollte das gemeinsame dynastische Bewußtsein - wie es etwa im gemein-
sam zugelegten, veringischen Wappen (mit den Hirschstangen) zum Ausdruck kommt16 -
zunächst eine verlässliche politische Konstante bleiben.
Noch vor seinem Tod 1265 wurde die Herrschaft Ulrichs von Württemberg bemer-
kenswerterweise durchaus schon flächenhaft verstanden: Per omnes terminos dommi[i]
nostri beschreibt ein Urkundentext von 1262 seinen Herrschaftsbereich17. Seine Herr-
schaftsgebiete umfaßten neben den Allodien, Kirchen- und Reichslehen, Pfandschaften
und Klostervogteien besonders große Teile des ehemaligen staufischen Territoriums.
Gerade dieses »staufische Erbe« bedingte eine Legitimation vom Reich und damit eine
territorialpolitische und dynastische Offensive, um das kurzfristig Erreichte zunächst
einmal zu sichern. Oder anders formuliert: Eine schwäbische Herzogsgewalt nach den
Staufern sollte es ohne Württemberg nicht mehr geben.
Ulrich I. scheint seinen Aktionsspielraum genau daraufhin ausgerichtet zu haben.
Seine dynastischen Ambitionen sind auch mit seinem Konnubium unmittelbar in Verbin-
dung zu bringen: Nach dem Tod seiner badischen Frau Mechthild schloss Ulrich um 1260
eine weitere, noch prominentere Ehe mit Agnes, der ältesten Tochter des schlesischen
Fürsten Boleslaw II. Sie stammte aus dem berühmten polnischen Königsgeschlecht der
Piasten, ein Urgroßvater war der böhmische König Ottokar II., eine Urgroßmutter die
hl. Hedwig. Mit dieser Heirat demonstrierte Ulrich nachdrücklich seinen Anspruch auf
einen Fürstenrang; man kann hierin seinen herrschaftlichen Aufstieg gleichsam personifi-
ziert greifen.
Agnes starb bereits zwei Wochen nach Ulrichs Tod im März 1265. Beide wurden
zunächst im Stift Beutelsbach begraben und erhielten schon bald die berühmte Doppel-
tumba, die noch immer in der Stuttgarter Stiftskirche zu sehen ist (Abb. 1). Hier wird
Agnes - entsprechend ihrem höheren Geburtsstand - zuerst genannt als filia ducis Polo-
nie. Auch trägt sie das Kirchenmodell in ihren Händen, obwohl sicher Ulrich der wesent-
liche Förderer des Beutelsbacher Stiftes war.
Oliver Auge hat jetzt zeigen können, daß Graf Ulrich, mit dem späteren Beinamen
»der Stifter«, wohl gerade in den Jahren des staufischen Niedergangs und des Uberwech-
schung, in: Staufische Stadtgründungen am Oberrhein, hg. von E. Reinhard und P. Rückert
(Oberrheinische Studien 15), Sigmaringen 1998, S. 235-272, daneben auch G. Wein, Die mittelalter-
lichen Burgen im Gebiet der Stadt Stuttgart, v. a. Bd. 1: Die Burgen im Stuttgarter Tal (Veröffentli-
chungen des Archivs der Stadt Stuttgart 20), Stuttgart 1967.
16 Vgl. dazu auch unten Abb. 3.
17 WUB 6, Nr. 1639, S. 39f.