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Österreichisches Archäologisches Institut [Editor]
Jahreshefte des Österreichischen Archäologischen Institutes in Wien — 11.1908

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Hekler, Antal: Römische Bronzen aus Ungarn
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https://doi.org/10.11588/diglit.45356#0251

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A. Hekler, Römische Bronzen aus Ungarn

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zeigt die Statuette des Nationalmuseums im Verhältnisse zur Liguriobronze
gewisse Fortschritte. Die Proportionen sind minder schwerfällig und breit-
gedrückt, vielmehr schlanker und leichter. Der Blick ist nicht geradeaus gerichtet,

sondern nach dem Attribute, das die Figur
der Kopf nach der rechten Körperseite hin
leicht geneigt erscheint. Auch die Höhen-
differenz zwischen den beiden Schultern ist
an unserer Statuette bedeutender geworden.
Der dumpfe, lastende Eindruck ist durch diese
Modifikation aufgehoben. Die Figur nähert
sich in allem jenen Werken, die sich der
künstlerischen Tradition der argivischen
Schule anschließen, und nimmt künstlerisch
wohl eine Mittelstellung ein zwischen dem ar-
givisch-hageladischen Kanon und der wunder-
vollen griechischen Bronze des Louvre, welche
den polykletischen Stil in vollentwickelter,
harmonischer Schönheit vergegenwärtigt3).
An Polykletisches schließt sich die Statuette
des Nationalmuseums auch in den Gesichts-
formen und in der Haarbildung an. Im Ge-
sichtsausdrucke keine Spur mehr geistloser,
dumpfer Ruhe, die an der Liguriobronze so
unangenehm empfunden wird. Auch die Haar-
tracht ist nicht mehr die argivische mit dem
hinten aufgerollten Haarwulste: in echt poly-
kletischer Weise liegen die Haare in kurzen
Locken flach am Schädel, jedoch fehlt jede
feinere Ziselierung. Die kunstgeschichtliche
Bedeutung unserer Figur besteht nach all
dem darin, daß wir in ihr die zur vollen Reife

in der rechten Hand trägt, so daß


105: Bronzestatuette im Nationalmuseum
zu Budapest.

entwickelte Standfigur der griechischen Kunst um die Mitte des fünften Jahr-

hunderts zu erblicken haben; die organische Lebensfähigkeit und die ungebundene
Funktionsfreiheit, die sich auch in der Ruhe vollständig ausspricht, — das ist die

großartige Errungenschaft, die wir in der schönen Statuette des Nationalmuseums
3) Vgl. Furtwängler, Meisterwerke T. XXVIII 3 S. 492; Masterpieces PI. XIII Fig. 119 p. 279.
 
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