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VORWORT

Von den fünf Hauptmeistern der deutschen Malerei zur Dürerzeit sind nur Dürer selbst und Cranach stets im
Licht gebheben. Grünewald, Altdorfer und Baidung wurden erst durch die Forschung unseres Jahrhunderts zum
Bildungsbesitz. Grünewald und Altdorfer verdanken dem Expressionismus ihre >Auferstehung<; für Baidung ist
die Zeit recht eigentlich erst in den letzten Jahrzehnten reif geworden: Die großartige Karlsruher Ausstellung hat
1959 mit ihrem Publikumserfolg voll zutage gebracht, was wissenschaftlich wiedergewonnen war.

Lange genug erschienen Baidungs Gesellenjahre bei Dürer in Nürnberg nur als kurzes Vorspiel zu einem drei-
ßigjährigen, fruchtbaren Wirken am Oberrhein. Erst jüngste Entdeckungen haben das Bild von Baidungs Nürn-
berger Frühzeit merklich verwandelt. Nun liegt ein stattliches Oeuvre von Gemälden und Glasmalereien, von
Zeichnungen, Holzschnitten und einigen Kupferstichen vor. Die bisher auf etwa drei Jahre geschätzte Frist des
Aufenthalts in Nürnberg läßt sich mit guten Gründen auf fünf bis sechs ausdehnen. Schon in dieser frühen Zeit
erweisen sich die späterhin für den Künstler bezeichnenden Themenkreise, die entscheidenden Züge seines
Charakters und seines persönlichen Stils geprägt. Bereits 1506 steht er auf Nürnberger Boden als Dürers würdiger
Stellvertreter und zweiter Maler höchsten Ranges da. Die dank neuer Funde mehr und mehr sich abzeichnende
Bedeutung von Baidungs frühem Schaffen rechtfertigt allein schon eine monographische Darstellung.

Darüber hinaus gewinnt die Aufgabe ein prinzipielles Interesse eben durch das Verhältnis zwischen Dürer und
seinem Mitarbeiter. Es gibt nur selten noch einen Fall, in dem wir zwei Geniale in so engem Kontakt Jahre hin-
durch mit- und nebeneinander wirkend so genau von Phase zu Phase beobachten können.

Das vorliegende Buch möchte damit als ein weiterer Baustein einem Unternehmen dienen, dem von einem der
Autoren seit über zwanzig Jahren eine Reihe von Arbeiten zu den Hauptmeistern der deutschen Malerei und
Plastik um 1500 gewidmet worden ist. Es geht um die monographisch mit möglichster chronologischer Akribie
erstellten Grundlagen für eine geplante Zusammenschau, die - mit Absicht an einer extremen Geniezeit - das
Problem des Zeitstils und seines Wandels ganz konkret neu zur Diskussion bringen soll. So selbstverständlich uns
seit Riegls Theorie des Kunstwollens die obhgate »Entwicklung« epochaler Art erscheint und so leicht es dem
Fachmann heute fällt, Werke der entscheidenden Meister gerade zwischen 1500 und 1520 zu datieren: Es ist den-
noch alles darüber offen, wie die überpersönlichen Bindungen von Zeit- und Generationsgenossen wirklich Zu-
standekommen. Aussagen von einiger Präzision erweisen sich erst als möglich, sobald die persönlichen Wand-
lungen der einzelnen Genialen im >Zeitlupenverfahren< aufgenommen sind, um sie dann miteinander konfron-
tieren zu können. Ein Muster dazu bietet unser Versuch an; er erhält seinen eigenen Akzent aus der Tatsache, daß
wir Dürer und Baidung auch bei zwischendurch jahrelang getrennten Wegen analoge Stilwandlungen vollziehen
sehen: mit besonderer Klarheit in der Frist von Dürers zweiter Italienreise, Sommer 1505 bis Frühjahr 1507.

Die Vielzahl an Werken, die bei dieser Darstellung zu behandeln sind, läßt meist nur eine skizzenhafte Charak-
terisierung zu. Nur einem Werk, dem Löffelholz-Fenster von 1506, wird eine ausführliche Analyse gewidmet; mit
besonderem Grund: nicht nur, weil es dabei um die umfangreichste und vielleicht bedeutendste Nürnberger
Schöpfung Baidungs geht, sondern auch, weil sich in der Glasmalerei die Fähigkeiten und das Wesen des Künstlers
wohl am reinsten offenbaren, obgleich hier der Glasmaler ausführendes Organ war.

Der Katalogteil stützt sich auf den vorbildlichen Karlsruher Ausstellungskatalog und ergänzt diesen nur
soweit inzwischen nötig. Er dient der leichteren Orientierung über Fakten und Literatur.

Was den Textteil angeht, so haben die beiden Autoren ihre Anteile unabhängig voneinander ausgearbeitet. Im
einzelnen stammen die Kapitel über die Glasmalerei und die problematischen Werke sowie die Zusammenstellung
des Katalogs von K.-A. Knappe, das übrige von Karl Oettinger. Zahlreiche Gespräche brachten weitgehende
Übereinstimmung. So tragen die Verfasser für den Inhalt des Gesamtwerks eine gemeinsame Verantwortung.

Mit besonderem Dank haben beide Autoren der Anteilnahme und Hilfe von Carl Koch, Friedrich Winkler
und Edmund Schilling zu gedenken. Wertvolle Hilfe haben bei der Druckvorbereitung und bei dem Register
Dr. Anna Bahmann und Dr. Ursula Knappe geleistet.

Erlangen, Herbst 1963 Karl Oettinger - Karl-Adolf Knappe
 
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