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BALDUNG UND DÜRER 1503-1508

K. Oettinger

Hans Baldung-Grien wurde zwischen Frühling 1484 und Sommer 1485 in Schwäbisch Gmünd
geboren1. Er stammt aus einer Gelehrtenfamilie. Ein naher Verwandter war der Jurist gleichen Namens,
der 1492 in Straßburg als Rechtsberater des dortigen Bischofs genannt wird; ein Bruder wurde Professor
in Freiburg, später Syndikus in Straßburg. Dieses Milieu - und vermutlich eine entsprechende Vorbil-
dung - trennt Baidung von Dürer und den anderen Malern, die aus dem Zunftbereich aufstiegen. Ur-
kundlich wird der junge Baidung erst zu Ostern 1509 greifbar: Er erwirbt da zu Straßburg das Bürger-
recht. Dort hat er bis zu seinem Tod 1545 gewirkt, mit einer Unterbrechung von Ende 1512 bis 1516,
während er in Freiburg den Hochaltar für das Münster schuf.

Von seiner Gesellenzeit in Nürnberg zeugen einige mit 1503 beschriftete Zeichnungen zuerst. Ihrem
Stil nach sind sie mit Sicherheit schon in der Dürerwerkstatt entstanden. Von da ab gibt es solche Zeug-
nisse aus den folgenden Jahren, seit 1505 fallweise auch mit Signaturen versehen. In Nürnberg erhielt der
Künstler wohl auch seinen Rufnamen Grien, gewiß nach seiner Vorliebe für die grüne Farbe. Darauf
weist das um die Wende 1506/07 erstmals auftauchende G in seinem Monogramm hin2. Dürer hatte mit
Hans Sueß von Kulmbach, Hans Schäufelein und Hans Baidung drei Gesellen gleichen Vornamens in der
Werkstatt. Es hegt nahe, daß man sie durch Rufnamen unterschied.

Für die Beziehungen zwischen Dürer und Baidung gibt es zwei Zeugnisse. Erstens führte Dürer auf
seiner niederländischen Reise 1520/21 auch Holzschnitte Baidungs zum Verkauf mit3. Zweitens fand sich
in Baidungs Nachlaß eine Locke Dürers, nach dem Tode abgeschnitten, heute in der Akademie der Bil-
denden Künste zu Wien4. Dies spricht für ein auch im Menschlichen enges Verhältnis.

BALDUNG VOR DEM EINTRITT BEI DÜRER

Baidung kam als etwa Achtzehnjähriger nach Nürnberg, vermutlich schon im Frühjahr 1503, wie sich
im folgenden ergeben wird. Er hatte ausgelernt und wurde als Geselle zur Mitarbeit eingestellt. Ohne ein
schon beträchtliches Können hätte ihn Dürer kaum angenommen.

Es gibt nach unserer Meinung ein Zeugnis, das diesen vordürerischen Baidung präsentiert: nicht nur
seinen ersten Stil, sondern ihn selbst.

Die Helldunkelzeichnung eines Jünglingskopfes in Basel (K 7, Farbtaf. I) wird mit Recht als
Selbstbildnis angesehen5.

Man findet zu diesem Geniestreich kaum etwas Vergleichbares in der Porträtzeichnung um und nach
I50o. Vor allem von dem Blick und von der Kernfestigkeit dieses Gesichts geht das Bannende aus. Die
noch naive Spiegelaufnahme ohne bewußte Psychologie prägt gerade in ihrer Einfältigkeit ein Charakter-
dokument. Etwas von Stolz spricht aus der Haltung. Die Freude an der eigenen Feingestalt, durch die
Kappe betont, verbindet sich mit Ernst und ein wenig Schwermut und Einsamkeit. Etwas Mädchenhaftes
hat man zu fühlen gemeint, und das widerspricht nicht dem klugen Beobachten und der sehr männlichen
Distanz und Energie eines frühreifen Jungen.
 
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