DAS JAHR 1505 BIS ZU DÜRERS ABREISE NACH ITALIEN
15
Ehebrecherin vor Christus Die Versuchung Christi
annähernd originalgroß Beschlossen Gart 1505
legt Dürers Holzschnitt aus der >Klcinen Passion< von 1509/10 nahe, daß eine solche vorlag, denn die
wesentlichen Motive wiederholen sich da, wenn auch in neuem, monumentalerem Stil. Der Holz-
schneider war hier zweifellos wieder ein anderer als der des Kalvarienberges im beschlossen Garte Er gibt
viel mehr Details, viel mehr Figurenschattierung, verwendet mit Vorliebe Kreuzschraffur. Zum Teil
mag dies darauf zurückgehen, daß auch die Zeichnung Baidungs etwas vielteiliger und unruhiger war.
Sie steht unter seinen großformatigen Holzschnitten vermutlich an der Spitze.
Schon durch etwas kleineres Format unterscheiden sich von dem Jüngsten Gericht die drei ersten Holz-
schnitte von Baidungs Einzelblattserie : >Kreuzigung<, >Kreuzabnahme<, >Beweinung< (Abb.
101, 102, 103). Mit ihnen erhebt sich der Geselle, über das >Jüngste Gericht< und den >Kalvarienberg<
hinausgehend, zu einer dem Meister fast ebenbürtigen Höhe. Es sind die einzigen drei Passionsszenen der
Serie, und man kann sie als eine Art Triptychon sehen. Das ist bei Baidung nicht vereinzelt. Noch die
drei späten Holzschnitte mit den wilden Pferden sind als geistige Einheit erfunden und ebenso ohne Zweifel
innerhalb der frühen Serie selbst >Maria auf der Rasenbank< mit >Barbara< und >Katharina<, von denen im
folgenden Abschnitt zu handeln ist.
Die drei Passionsblätter stehen innerhalb des Jahres 1505 an der Wende von der dekorativen zur sta-
tuarischen Phase, auf welche das letzte der Blätter, die >B eweinung< (Abb. 103), am meisten hinweist. Sie
sind nicht nur dem Schnitt nach am qualitätvollsten, sie weichen auch in der Stilisierung von der etwas
unruhigen Art des >Jüngsten Gerichts< in großartiger Einfachheit ab. Vor allem aber distanzieren sie sich,
obwohl sie offensichtlich von der > Grünen Passion< ausgehen, geradezu programmatisch von Dürers Er-
zählungsweise. Bei fast gleich großem Format reduziert Baidung in allen drei Szenen die Figurenzahl auf
ein Minimum, macht aber diese wenigen Gestalten groß und feierlich. Aus Dürers bühnenhaft dramati-
schen Vorgängen voll lebendiger Illusion werden klare Sinnbilder filtriert. Alles bleibt in der schmalen
Vordergrundzone, und unter Verzicht auf den Tiefenraum spielen die getragenen Vorgänge in strenger
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Ehebrecherin vor Christus Die Versuchung Christi
annähernd originalgroß Beschlossen Gart 1505
legt Dürers Holzschnitt aus der >Klcinen Passion< von 1509/10 nahe, daß eine solche vorlag, denn die
wesentlichen Motive wiederholen sich da, wenn auch in neuem, monumentalerem Stil. Der Holz-
schneider war hier zweifellos wieder ein anderer als der des Kalvarienberges im beschlossen Garte Er gibt
viel mehr Details, viel mehr Figurenschattierung, verwendet mit Vorliebe Kreuzschraffur. Zum Teil
mag dies darauf zurückgehen, daß auch die Zeichnung Baidungs etwas vielteiliger und unruhiger war.
Sie steht unter seinen großformatigen Holzschnitten vermutlich an der Spitze.
Schon durch etwas kleineres Format unterscheiden sich von dem Jüngsten Gericht die drei ersten Holz-
schnitte von Baidungs Einzelblattserie : >Kreuzigung<, >Kreuzabnahme<, >Beweinung< (Abb.
101, 102, 103). Mit ihnen erhebt sich der Geselle, über das >Jüngste Gericht< und den >Kalvarienberg<
hinausgehend, zu einer dem Meister fast ebenbürtigen Höhe. Es sind die einzigen drei Passionsszenen der
Serie, und man kann sie als eine Art Triptychon sehen. Das ist bei Baidung nicht vereinzelt. Noch die
drei späten Holzschnitte mit den wilden Pferden sind als geistige Einheit erfunden und ebenso ohne Zweifel
innerhalb der frühen Serie selbst >Maria auf der Rasenbank< mit >Barbara< und >Katharina<, von denen im
folgenden Abschnitt zu handeln ist.
Die drei Passionsblätter stehen innerhalb des Jahres 1505 an der Wende von der dekorativen zur sta-
tuarischen Phase, auf welche das letzte der Blätter, die >B eweinung< (Abb. 103), am meisten hinweist. Sie
sind nicht nur dem Schnitt nach am qualitätvollsten, sie weichen auch in der Stilisierung von der etwas
unruhigen Art des >Jüngsten Gerichts< in großartiger Einfachheit ab. Vor allem aber distanzieren sie sich,
obwohl sie offensichtlich von der > Grünen Passion< ausgehen, geradezu programmatisch von Dürers Er-
zählungsweise. Bei fast gleich großem Format reduziert Baidung in allen drei Szenen die Figurenzahl auf
ein Minimum, macht aber diese wenigen Gestalten groß und feierlich. Aus Dürers bühnenhaft dramati-
schen Vorgängen voll lebendiger Illusion werden klare Sinnbilder filtriert. Alles bleibt in der schmalen
Vordergrundzone, und unter Verzicht auf den Tiefenraum spielen die getragenen Vorgänge in strenger