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BALDUNG UND DIE NÜRNBERGER GLASMALEREI

Dr. Johann Löffelholz203 und seine Gemahlin Katharina Dintner haben das Fenster - wohl 1506- gestiftet,
wie aus chronikalischen Nachrichten hervorgeht204.

Nichts läßt darauf schließen, daß das Fenster einst ganz mit Glasgemälden ausgestattet war. Dem Ge-
schmack der beginnenden Renaissance entsprachen nicht mehr geschlossene, ’selbstleuchtende Wände“,
als die wenige Jahrzehnte zuvor noch die Chorumgangsfenster in der Lorenzkirche erscheinen205. In
der Zeit kurz nach 1500 unterbrechen bei neuerstellten Fenstern vielfach nur schmälere Streifen von Glas-
gemälden die Butzenverglasung, so in Nürnberg in der ehemaligen Allerheiligen-Kapelle des Landauer-
schen Zwölfbrüderhauses von 1508, in der fast gleichzeitigen Rosenberger-Kapelle an der Stadtkirche zu
Schwabach, oder 1520 in St. Rochus. In jedem Falle tritt, wie beim Löffelholz-Fenster, Butzenglas in
Konkurrenz zu den ’gesmelzten“206 Scheiben. Die Glasgemälde selbst gleichen sich mehr der Tafelmalerei
an: breitformatigen Epitaphien nicht nur formal ähnlich207, sondern auch in ihrer Bestimmung, nun zu-
vörderst ’Gedechtnuß“, ’Monumentum“ zu sein, das Verstorbene und Lebende einer Familie ’in effigie“,
oftmals - wie hier - auch nur unter dem Zeichen ihrer Wappen, zu Ehren des Geschlechts und um ihres
Seelenheils willen vereint. Die so sehr 'mittelalterliche“ Kunst der Glasmalerei wird auf solche Weise
mehr und mehr zum Ausdrucksmittel eines neuen Persönlichkeitsbewußtseins208.

Es ist ein ansprechender Gedanke, daß gerade ein Anhänger des Humanismus, wie Johann Löffelholz,
das Fenster mit seinen breit gelagerten, durchaus ’ renaissancehaften‘ Verhältnissen in Auftrag gegeben
und vielleicht sogar bewußt jenem Maler die Entwürfe dazu übertragen hat, der von allen Künstlern des
Dürerkreises um 1505 am entschiedensten die neue Zeit verkörpert und als Humanistenkind209 offenbar
schon in Nürnberg Einlaß in die gelehrte Patrizierwelt findet, wie seine Zeichnung für Christoph Scheurl
erweist210. Wir wissen aber nichts Näheres über den Anteil des Auftraggebers an der Konzeption des
Fensters; es wäre ebensogut denkbar, daß der Meister der Glasmalerwerkstatt, allem Anschein nach Veit
Hirsvogel d. A., den genialen Zeichner wählte, der den um diese Zeit in Italien weilenden Albrecht Dürer
offenbar in dessen Atelier vertrat211.

Zweifellos trägt hier der Entwerfer für die Gesamtanlage des Fensters die Verantwortung: es ist völlig
einheitlich durchorganisiert. Da die Farbenwahl ungewohnt genau und feinfühlig den Bedürfnissen der
Komposition entspricht, können wir rein vom Anschaulichen her sogar in dieser Hinsicht recht präzise
Angaben des Reißers vermuten212.

Kräftige Farbakkorde beherrschen die Flächen der zwölf Felder: verhältnismäßig große Flecken in
tiefen Tönen, Blau-Rot-Dunkelviolett, Goldgelb und bräunlich schattiertes Weiß, Farben, die in Echteres
Grün, Rosaviolett und Mattblau gebettet sind, verleihen den Scheiben einen Charakter voll ernster Fest-
lichkeit. Schon dank der Farbverteilung bleibt der Eindruck eines dichten, leuchtenden Kontinuums ge-
wahrt, mag dieser Bezug auch für das Gesamtfenster aufgegeben sein.

In der untersten Zeile dominieren das glühende Rot und das Weiß der ursprünglich symmetrisch zur
Achse gekehrten Löffelholz-Wappen213 mit ihren Laub-Helmdecken und Flügelkleinoden, die noch ein-
mal das Wappentier, ein weißes Lämmchen inmitten kleiner Herzen, auf dem Gefieder zeigen. Der
stumpfblaue Nelkendamastgrund läßt die heraldischen Formen nur desto strahlender hervortreten. Sie
allein sind völlig von gelben Astwerkarkaden gerahmt und heben sich, jedes einzeln betont, von den
übrigen Feldern ab, bei denen nur Bögen die Darstellung oben umfassen. Gegenüber dieser vernehmlichen
Demonstration patrizischen Familienstolzes in den Wappen verhalten sich die Eckscheiben mit den
Namensheiligen des Stifterehepaars, Johannes der Täufer und Katharina (Abb. 43, 44), farblich ruhiger.
 
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