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Ortloff, Hermann
Lüge, Fälschung, Betrug: theoretisch und practisch in drei Abtheilungen dargestellt (Band 2): Rechtspolitisch und practisch dargestellt: dritte Abtheilung — Jena, 1862

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https://doi.org/10.11588/diglit.19998#0023
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A. Wahrheitsverletzungen. §. 29. Im Allgemeinen. 245

A. Die WahrheitsVerletzungen an sich.

§• 29.

I m A 11 g e m ei n e n.

Die Wahrheitsverletztingen vermittelst der Sprache (Rede und
Schrift) hat man ihrer Begehungsweise nach als positive und negative
einander gegenüber gestellt, ohne jedoch richtig unterschieden zu
haben1). Richtiger ist zwischen solchen zu unterscheiden, welche
in einem wirklichen Thun, und solchen, welche in einem Unterlassen
oder passiven Verhalten begangen werden. Zu der ersten Classe
gehört die eigentliche Lüge oder die vorsätzliche Angabe wahrer
Thatsachen als unwahrer und unwahrer als wahrer, das Ableug-
nen, welches eine Art der Lüge ist, die so genannt wird, wo eine
Beantwortung einer förmlichen oder einer im Zusammenhang einer
Conespondenz liegenden Frage erwartet wird, wenn sie auch kate-
gorisch mit Ja oder Nein erfolgt, endlich das Unterdrücken oder
geflissentliche Verheimlichen oder Vertuschen der Wahrheit
durch ausweichende Worte und Angaben oder ahnliches Thun. Die
zweite Classe bildet das totale oder partielle Schweigen, das Un-
terlassen der freien Offenbarung der Wahrheit oder einer Beantwor-
tung, das rein passive Verhalten in Bezug auf einen bereits vorhan-
denen, vom Schweigenden nicht erzeugten Irrthum, woran sich eine
blofse Benutzung eines faclischen Zustandes ohne irgend eine Acli-
vilät zur Förderung oder Unterhaltung desselben anschliefsen kann.
Die geringste Aclivilät verwandelt das Schweigen oder Verschweigen
in ein Unterdrücken oder Verheimlichen der Wahrheit und das Irren-
lassen in ein Irreführen. Hiernach hat man auch zwischen positiver
und negativer Täuschung unterschieden, je nachdem der Täuschende
sich in Bezug auf einen Irrthum activ oder rein passiv verhält2).
Vorenthaltung der Wahrheit ist nur eine Bezeichnung für alle
Wahrheitsverletzungen im Gegensatz zu der in der Lüge enthaltenen
directen Entstellung der Wahrheit.

1) Henke, Handbuch III. S. 2. Vergl. K 6's 11 i n , über die Glänzen
zwischen dem strafbaren und bloTs civilrechtlich zu verfolgenden Betrug, in der
Zeitschrift für Civilrecht und Prozefs, N. F. Bd. XIV. (1867) S. 335.

2) Dieser Unterschied ist nicht mit dem in der rationellen Darstellung vom
Verfasser gemachten zwischen activer und passiver Täuschung zu verwechseln-
Jene ist soviel wie Tätischungsact, diese aber der dadurch bewirkte Zustand,
der Irrthum.
 
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