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Otto, Gertrud; Watzinger, Carl; Weise, Georg
Die Ulmer Plastik der Spätgotik — Tübinger Forschungen zur Archäologie und Kunstgeschichte, Band 7: Reutlingen, 1927

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https://doi.org/10.11588/diglit.31325#0020
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des Altärchens oder die hl. Agnes in Oberstadion), ebenso die Haarbehand-
lung mit der engen Riefelung der einzelnen Strähnen und der Ausbauschung
an den Ohren, sind Eigentürnlichkeiten, die bereits in der Ulmer Kunst der

6oer Jahre begegnen. Man denkt an die Werke
aus dem Kreise des älteren Syrlin 1 oder an den
ganz von Multscher-Traditionen lebenden Marien-
altar von 1458 in Oberstadion 2, wenn man Ver-
wandtes nennen will. Ein gewisser bodenständiger
Einschlag scheint sich beim Schongauer-Altärchen
und bei den Figuren von Oberstadion mit den
am Oberrhein erworbenen Stilprinzipien zu mi-
schen. Aus den Beziehungen zum Oberrhein dürfte
sich auch die ungefähre Datierung der beiden
Werke ergeben. Die Lainbergersche Magdalena
wird der Zeit um 1480 angehören 3. Sie oder ihr
ähnliche Bildwerke sind die Vorbedingung für un-
sere Ulrner Schöpfungen, die sonach auch bereits
um 1485 anzusetzen sein könnten 4. Auch unab-
hängig von den Eolgerungen, zu denen der Hin-
weis auf den Oberrhein führt, muß aus inneren
stilistischen Gründen 6 an die 80er Jahre als Ent-
stehungszeit des Schongauer-Altärchens und der
Figuren von Oberstadion gedacht werden.

Der Überblick über die fernerhin zu der uns
beschäftigenden Gruppe gehörigen Werke zeigt,
daß der oberrheinische Einfluß im Eaufe der
Jahre wieder mehr verloren geht. Die heimische
Tradition setzt sich mit der Zeit immer stärker
durch. So sind die drei Figürchen der Heiligen
Barbara, Katharina und Apollonia (Abb. 5—7) in
Dornstadt (O.A. Blaubeuren), die zum Kreise
unseres Meisters gehören, schon viel stärker ulmisch
gefärbt. Die Eormgebung ist beruhigter und einfacher geworden, der weit-
ausholende Schwung kontrastreich drapierter Gewänder hat nachgelassen,
der Kontur ist strenger zusammengenommen, die Tiefenausbildung und
Achsenverschiebung zeigt sich wesentlich gemindert. Freilich liegen diese
Veränderungen auch auf der allgemeinen Einie der Entwicklung und können

Abb. 3. Oberstadion

Pfarrkirche. Madonna vom
Marienaltar.

1 vgl. den Hochaltar von Tiefenbronn. 2 Abgebildet in Kunst- und Altertumsdenkmale O.A. Bhingen

S. 169. 3 Schmitt (a. a. O. S. 6) möchte sie noch vor den Nördlinger Altar, also vor 1478, setzen.

4 Angeblich ist das Schongauer-Altärchen 1484 gestiftet worden. vgl. Baum, Die Ulmer Plastik um
1500 S. 43 und die dort genannte Diteratur. 5 Auf unsere Figuren trifft die Charakteristik zu, die

Pinder vom Stil der 80er Jahre gibt. vgl. Die deutsche Plastik des fiinfzehnten Jahrhunderts
(München 1924) S. 23 ff.

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