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Otto, Gertrud; Watzinger, Carl; Weise, Georg
Die Ulmer Plastik der Spätgotik — Tübinger Forschungen zur Archäologie und Kunstgeschichte, Band 7: Reutlingen, 1927

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https://doi.org/10.11588/diglit.31325#0104
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trisch geschwungenen, durch das vorstehende Knie etwas verschobenen
Kurven der Faltenzüge wie der haarnadelförmigen Mulde anr Unterschenkel
berühren sie sich eng. Der Untergrund der Gemeinsamkeiten ist — nach
dem früher Gesagten —- in der Schulung durch die Erhartwerkstatt zu
suchen, auf die auch der Kopftypus der Madonna in Kidrich eindeutig
hinweist. Auch die Gegenseite der Doppelmadonna 1 zeigt inr Physiogno-
mischen wie in Einzelheiten der Gestaltung, in der Drapierungsart des
Kopftuchs etwa und in dem die Mutter umarmenden Kinde nahe Be-,
ziehungen zu Erhart. Die Madonna von Amendingen und die von Kidrich
mögen von zwei Bildschnitzern stammen, die zur selben Zeit in der Werk-
statt Gregor Erharts tätig waren und mit dem gleichen Fornrenvorrat
arbeiten. Interessant ist dabei die ganz verschiedene Interpretation die
die beiden Meister den nänrliclren Formen gegeben haben. Der Stanrnres-
charakter und der Einfluß der nächsten Umgebung bewirkt bei der Anren-
dinger Madonna eine Angleichung an die Allgäuer Art, bei der Muttergottes
in Kidrich eine solche an die Kunst des Mittelrheins 2.

Exkurs.

Friedrich Sdrramm.

Die urkundlichen Nachrichten über Schramm sind äußerst spärlich. Sein
Nanre begegxret nur einmal in voller Fornr, in der jetzt verscholleneir In-
schrift des ehemaligen Hochaltars der „Pfarrkirche“ 3 zu Ravensburg, die
xraclr Dursch 4 folgendenWortlaut hatte: ,,Diese Tafel hat Meister Friedrich
Schramm gesclnritten und Meister Christof Kelltenofer gemalt und gefaßt
1480.“ Ein ,,Friederich Bildhower" komnrt in den Ravensburger Steuer-
büchern in den Jahren 1505/06 uxrd 1515 vor. Daß dieser nrit Schramnr
identisch ist, läßt sich mit einiger Wahrscheinlichkeit aus der Tatsache er-
schließeir, daß in den gleichen Jahren auch der Maler Keltenhofer in deir
Steuerbüchern genannt wird. Mehr haben die archivalischeir Forschungen 5
bisher nicht ergeben. Immerhin läßt sich aus diesen wenigen Angaben er-

1 Abb. bei I,uthmer, Die Bau- und Kunstdenkmäler des Regierungsbezirks Wiesbaden Bd. I Rheingau

(Frankfurt a. M. 1902) Fig. 198. 2 Möglicherweise stammen die Madonnen von Kidrich und von

Öberauroff (Abb. 88) aus der gleichen Werkstatt, da sie beide zum mittelrheinischen Gebiet gehören
itnd in ihrer Eigenart direkt auf Gregor Erhart zurückgehen. Trotzdem dürfen die stilistischen und
qualitativen Unterschiede der beiden Werke nicht übersehen werden. 3 Ravensburg besitzt zwei Pfarr-
kirchen, die Frauenkirche und die J odokuskirche. Es steht nicht fest, in welcher der beiden der Altar
stand (vgl. Busl, Der Bildhauer Friedrich Schramm, Archiv für christliche Kunst VII s1889] S. 57 fi. und
I’robst, Über die „Hirschersche Madonna" ebenda S. 80 ff.). 4 „Nachträge zu seiner Ästhetik der christ-

lichen bildenden Kunst“, (Tübingen 1856) S. 569; vgl. Busl, a. a. O. S. 58. 5 vgl. Busl a. a. O.

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