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Otto, Gertrud; Watzinger, Carl; Weise, Georg
Die Ulmer Plastik der Spätgotik — Tübinger Forschungen zur Archäologie und Kunstgeschichte, Band 7: Reutlingen, 1927

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https://doi.org/10.11588/diglit.31325#0157
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gehalten. Nicht nur die Forni des Strahlenbitndels, der Brücke und des
Umschlags kehrt genau wieder. Auch in den unteren Partien, in dem
Motiv der lang gespaltenen Röhrenfalte mit der Verbindung zum rechten
Knie hinüber, besteht direkte Übereinstinnnung. Der Kopftypus lehnt sich
an den der Bingener Madonna an: und doch erscheint
sie durcliaus anders geartet.

Wie weit die Schöpfungen der Werkstatt des jünge-
ren Syrlin exportiert worden sind, nrag eine aus dem
Thurgau stammende Madonna (Abb. 168) des
Züricher üandesmuseunrs beweisen. Sie hat noch
heute die alte Fassung und gibt als eine der wenigen
derartigen Figuren unverfälscht den ursprünglichen
Findruck wieder. Die schlanken Proportionen und
ebenso das Schenra der Faltenanordnung teilt sie nrit
den eben genannten Muttergottesbildern. In den Ge-
sichtszügen steht diese Madonna Syrlins eigener Art
näher als die nreisten anderen Bildwerke dieses Typus
und dieser Zeit.

Reiche Variierung in der Körperauffassung und
Gesichtsbildung bei engstenr Anschluß an ein fest-
stehendes Schema der Drapierung ist ftir die Arbeits-
weise der Syrlinwerkstatt bezeichnend. Mag tatsäch-
lich die eine oder andere der eben besprochenen Fi-
guren schon außerhalb des Werkstattverbandes ent-
standen sein, prinzipiell ist es durchaus möglich, daß
sie alle unter Syrlins Augen hergestellt wurden. Der
schwäbische Grundcharakter ist bei allen vorhanden.

Anders ist es bei zwei weiteren Madonnen dieses
Typus. Sie haben nichts mehr von schwäbischer oder
gar Ulmer Art und finden sich weit von Schwaben
entfernt im Bereich anderer Schulen. Trotzdem zeigen
auch sie unverfälscht das Schema unserer Syrlinschen
Madonnen. Finzelne Werkstattgenossen des Meisters mögen sich später in
entfernteren Gegenden selbständig gemaclit und die in Ulm empfangenen
Anregungen an den neuen Wirkungskreis verpfianzt haben.

Fine Madonna (Abb. 16g) des Historischen Museums der Pfalz in Speyer,
die aus der Kirche zu R h o d t (B.A. Bandau) stammt, wird als derartiger
Ableger der Syrlin-Werkstatt zu deuten sein. Bis zur letzten Falte ist an
dem Schema festgehalten, wie es die Madonna von Sentenhart und ihr Kreis
vertreten. Trotzdem ist der andere Stammescharakter unverkennbar.
Nichts gemahnt in dem Gesicht der Rhodter Madonna an schwäbische Art,
die Züge tragen fremden Geist, die überlangen schlanken Hände sind uns

Abb. 163. Meßkirch

Altkathol. Kapelle.

Hl. Nikolaus.

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