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Otto, Gertrud; Watzinger, Carl; Weise, Georg
Die Ulmer Plastik der Spätgotik — Tübinger Forschungen zur Archäologie und Kunstgeschichte, Band 7: Reutlingen, 1927

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.31325#0254
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nahe. Verwandt ist auch die Drapierung des Kopftuchs und die Falten-
behandlung des Mantels. In dem Zipfelmotiv der Saumpartie best'eht
wiederum völlige Übereinstimmung der üinienführung. Weniger gut als
die hl. Magdalena wirkt die Figur Christi. Die Steifheit des Stehens wird
irn Eindruck noch verstärkt durch die ganz ungelenke Haltung cles rechten
Arms. Der Kopf mit seinern vollen Oval, der dichten, glatt gescheitelten
Haarftille und den ausdrucksarmen Ziigen begegnet ähnlich des öfteren
bei Christusfiguren der Ulmer Schule.

Als letztes Stiick unserer Gruppe können wir eine Figur anfiihren, die
schon durch die Vorzüglichkeit der Arbeit Beachtung verdient. Sie wurde
von dem Darmstädter landesmuseum erworben; ihre Her-
kunft ist unbekannt. Uni ihrer stilistischen Eigenart willen hat diese kniende
Frauengestalt (Abb. 285), die die engste Verwandtschaft mit der Maria
Magdalena aus Rechberghausen zeigt, schon imrner fiir ulmisch gegolten 1.
Stärker noch als jene geht die Darmstädter Figur in ilirer Formensprache
auf den jiingeren Syrlin zurück. Besonders der frische jugendliche Kopf
mit den aufgesteckten Zöpfen erinnert an Schöpfungen, wie sie irn Kreise
der Westportalfiguren vorkonunen. Was uns veranlaßt, die Darmstädter
Heilige neben die Magdalena von Rechberghausen zu stellen, ist der Um-
stand, daß sie in der Gewandgebung genauestens mit dieser übereinstimmt.
Nicht nur das Zipfelmotiv, auch die Uinienfiihrung der übrigen Faltenzüge
wiederholt sich. Enge Beziehungen siud offensichtlich. Nach der Seite des
Darstellungsinhalts wird man der Vermutung Feigels 2 folgen können, der
in dieser Figur die Königstochter aus einer Georgsgruppe erblickt. Der
Deutung auf eine hl. Magdalena, die nahe läge, steht das Fehlen des tradi-
tionellen langen Kopftuchs entgegen.

4. Rinzelbildwerke unter Syrlinschem Einfluß.

Vielverzweigt und weitreichend ist die künstlerische Wirkung, die’ von
der Syrlinwerkstatt ausgegangen ist. Ein geschlossenes Oeuvre in lokal
enger Begrenzung des Wirkungsbereiches lernten wir bei den Meistern des
Kreenheinstetter Altars und der Skulpturen von Zell am Andelsbach kennen.
Geographisch zerstreuter, aber in ihrem stilistischen Charakter ziemlich
einheitlich sind die von Syrlinschen Formen zehrenden Werke der zuletzt
behandelten Gruppe, deren gemeinsames Abzeichen vor allem der eigen-
artige Mantelzipfel war. Nur in diesen wenigen Fällen lassen sich unter
den von Syrlin beeinflußten Arbeiten bestimmte Gruppen aussondern, die
auf einen einigermaßen als Persönlichkeit faßbaren Bildschnitzer deuten.

1 vgl. Feigel, Neuerwerbungen der Plastiksammlung des Uandesmuseums zu Barmstadt, Cicerone V

(1913) S. 51. 2 a. a. O.

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