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Otto, Gertrud; Watzinger, Carl; Weise, Georg
Die Ulmer Plastik der Spätgotik — Tübinger Forschungen zur Archäologie und Kunstgeschichte, Band 7: Reutlingen, 1927

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https://doi.org/10.11588/diglit.31325#0259
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Neben der stehenden Selbdritt kennt
die Syrlinsche Werkstatt auch den sitzen-
den Typus. Als Beispiele haben wir be-
reits die hl. Anna der korenzkapelle zu
Rottweil (Abb. 157) und diejenige zu
Stetten (Abb. 216) kennengelernt. An
die zuletzt genannte können wir eine Selb-
dritt (Abb. 291) in der Kirche zu Laiz
(Hohenzollern) anschließen. Mit den Ar-
beiten in Osterberg und Reichau zeigt
sie keinerlei Berührung. Viel direkter als
diese geht sie auf Syrlinsche Typen zu-
rück. Das Christuskind ist nahezu das
gleiche wie das der Madonna von Rot
(Abb. 210). Die sitzende Maria mit dem
Kind, die sich auch in Raiz findet, ist
nur ein schwaches Erzeugnis, das gleich-
falls von Ulmer Forrnen zehrt.

Unendlich mannigfaltig sind die Va-
riationen, die die Grundelemente Syrlin-
scher Formgebung unter den Händen
der einzelnen Schnitzer gefunden haben.

Ganz verschieden mag ja auch der Grad
ihrer Bekanntschaft mit Syrlinschen Wer-
ken gewesen sein. Am auffälligsten wer-
den die Unterschiede der Gestaltung bei
der Gegenüberstellung von Arbeiten mit
gleichem ikonographischem Vorwurf. Noch einmal berühren wir das Thema
der Beweinung. Mit der Gruppe von Christertshofen wäre etwa die gleich-
falls unter Syrlinschem Finssuß stehende Beweinung (Abb. 292) in der Kirche
zu Heudorf am Bussen (O.A. Riedlingen) zu vergleichen. Denkbar
groß ist der Unterschied im Grundgefiihl künstlerischer Gestaltung und in
der Behandlung des Formalen. Feiner und empfindsamer, aber auch spitzer
und eckiger, gotischer mit einem Wort, ist die Auffassung der Heudorfer
Gruppe; schlankeren Wuchs zeigen die Körper, schmäler ist das Oval der
Köpfe, kleinbrüchiger und härter das Faltenwerk. Fine wesentlich andere
Individualität spricht sich hier aus. Interessant aber ist, wie bei ganz ver-
ändertem Grundgefühl und völlig abweichender Formgestaltung bei beiden
Gruppen doch deutlich der Syrlinsche Finschlag zur Geltung kommt. Ohne
die Kenntnis Syrlinscher Typen sind auch in Heudorf die Köpfe der trauern-
den Frauen, des Johannes und des toten Christus nicht zu denken. Besonders
markant und für Ulm bezeichnend ist der jugendliche Johannes an der linken

Abb. 291. baiz

Pfarrkirche. Anna Selbdritt.

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