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Paatz, Walter
Bernt Notke und sein Kreis (Band 1): Text — Berlin, 1939

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https://doi.org/10.11588/diglit.34817#0181
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VI. KAPITEL: HENNING VON DER HEIDE

165

GEHILFEN UND SCHÜLER
Gleich seinem großen Vorbild Notke hat auch Henning Gehilfen und Schüler in seiner Werkstatt
zur Mitarbeit herangezogen und dadurch seiner Kunst eine größere Verbreitung gesichert. Ganz
wie Notke mußte aber auch er diese Ausweitung seines Wirkungsbereichs mit einer Minderung
der Güte seiner Werkstatterzeugnisse bezahlen, nach Maßgabe der größeren oder geringeren
Beteiligung und Begabung seiner Helfer. Das Schallen der Henning-Gehilfen muß hier behandelt
werden, da sich in ihm - und eigentlich nur in ihm - die notkesche Formenwelt noch über Notkes
Tod hinaus lebendig erhielt, zu einer Zeit, in der mehr oder weniger alle anderen Meister Lübecks
von der Welle des süddeutschen Einflusses mitgerissen und auf ganz neue Bahnen gelenkt wurden
(Benedikt Dreyer, Claus Berg usw. usw.). Freilich genügt es für meinen Zweck wohl, den Umfang
des Wirkungsbereichs der Henning-Schule und den Charakter ihrer wichtigsten Meister andeu-
tend zu umreißen.
Auf Grund des spürbar individuellen Charakters ihrer Arbeiten lassen sich in der Henning-Werk-
statt mindestens drei Gehilfen nachweisen. Sie werden im folgenden jeweils nach ihrem Anteil an
Hennings Fronleichnams-Altar von 1496 und zugleich nach ihren wichtigsten selbständigen Werken
benannt.
Die von 1496 stammt nach Meinung sämtlicher Forscher Abb. 177
von einem anderen Schnitzer als die Gregors-Messe im Mittelschrein, die meines Erachtens Hen-
ning selbst gehören muß (vgl. S. 149Q. Da dieser Schnitzer an einem Werk Hennings beteiligt war,
muß er als Gehilfe in dessen Werkstatt gearbeitet haben.
Das läßt sich noch durch eine andere Beobachtung bestätigen. Er hat auch an einer etwas älteren,
um 1490 entstandenen Arbeit Hennings mitgeholfen, am M/Ar 2% Roosval hat das ver- Abb. 16$, 166
mutet, und in der Tat gleichen einige Rytterner Köpfe (z. B. der Kopf der Paulus-Statuette) den
Typen der Lübecker Predella so auffallend, daß kein Zweifel an der Richtigkeit dieser Beobach-
tung aufkommen kann. Diese Köpfe fallen durch ihre gewaltigen Hakennasen und durch ihre
langen, spitzen, keilförmigen Vollbärte auf.
Sie finden sich auch in dem in Dalarne. Der Altar wird also von dem Schnitzer
der Lübecker Predella ausgeführt worden sein (das heißt entgegen Roosvals Vermutung nicht von
Henning selbst). Wahrscheinlich entstand er ebenfalls in den neunziger Jahren des 1$. Jahrhun-
derts. In seinem Schreinrelief wurde interessanterweise Notkes Revaler Pfingstwunder nachgebil-
det - ein deutliches Anzeichen dafür, daß wirklich, wie ich bereits sagte, die notkesche Formen-
welt in der Henning-Werkstatt fortlebte (vgl. dazu Anm. $79, S. 274).
Eng zum Altar in Aspeboda gehören meines Erachtens die drei Figuren der
(Kruzifix in Btegninge, Beifiguren - Maria und Johannes - in Kopenhagen). Thor-
lacius-Ussing hat sie Henning selbst zugeschrieben und sich durch ihre geringe Güte verleiten
lassen, in Henning nur einen mäßig begabten Handwerker zu sehen. Nachdem der Bregninger
Kruzifix seither von Roosval als eine matte Nachbildung des schönen Henningschen Kruzifix in
der Stockholmer Storkyrka erkannt worden ist, scheint es mit ganz deutlich, daß die Bregninger
Gruppe zwar aus der Henning-Werkstatt stammt, aber nicht vom Werkstattleiter.
Dasselbe gilt von derim Stockholmer Museum. Sie wurde ebenfalls von
Thorlacius-Ussing dem Henning zugeschrieben und von Roosval als Werk des Meisters aner-
kannt.
 
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