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hundert und in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts großer Beliebt-
heit erfreute, mußte ein Kugel aus Buchsbaumholz mit dem Mailstock,
einem hölzernen Kolbenschlegel, dessen zylindrischer Kopf mit Eisen
beschlagen war, von einem Ausgangstor in sehr schnellem Lauf mit
möglichst wenig Schlägen über die Bahn zum Endtor getrieben werden.
Die mehrere hundert Schritt lange Mailbahn140 mußte zu diesem
Zweck einen festen, tadellos glatten, ebenen Untergrund besitzen, der
meist mit Sand bestreut war. Um die Kugel auf der Bahn zu halten,
war diese rechts und links mit Buchsheken, in Deutschland meist mit
Linden abgegrenzt. Letztere bildeten, besonders wenn sie in Vierer- '
reihen gepflanzt waren, ein angenehm schattiges Laubengewölbe,
machten aber eine zusätzliche Netzbespannung gegen abschwirrende
Kugeln nötig. Die Thurnauer Mailbahn wurde zwischen 1698 und
1703 in der zuletzt erwähnten Form angelegt147. Mit ihr bzw. mit
dieser Lindenallee war auch der Anfang für den später bekannten
Thurnauer Park gemacht148. Es ist kennzeichnend, daß der Beginn
des Parks, der die vom Barock geförderte Idee einer stärkeren Ab-
sonderung der Herrschaft von der bäuerlichen Umgebung betonte
und „eine von der Außenwelt abgeschiedene höfische und adelige
Existenz“149 ermöglichte, in die Zeit kurz nach der gräflichen Standes-
erhöhung der Giech fällt. Vorläufig wurde allerdings, wie erwähnt,
nur ein Anfang gemacht. Die im Laufe des 17. Jahrhunderts durch
Ankäufe z. T. vergrößerten, verschiedenen Gärten nördlich und südlich
des oberen Schlosses150 wurden stärker zusammengefaßt, z. T. mit
Hecken oder einer Mauer umgeben und gewohnheitsrechtlicher Durch-
gangsverkehr möglichst eingeschränkt151. Die neue Mailbahn ging
mitten durch den Steingarten bis zum Küchengarten. Als einheitlichen
Ziergarten oder Park darf man sich die Anlage aber noch nicht vor-
stellen. Die Gärten blieben weiterhin Nutzflächen mit Apfel-,
Zwetschgen- und Weichselbäumen152, unter denen im Sommer das
Vieh des äußeren Vorwerks graste153. Immerhin wurden aber in dem
Koppengarten eine Vogelhütte154 und im Steingarten ein Gärtner-
haus155 errichtet, wozu noch ein Lusthaus am Eingang der Mailbahn
und eine Grotte im Steingarten kamen.
Kurze Zeit nach der Fertigstellung der Mailbahn ließ Graf Carl Gott-
fried auch einen Teil des „Stöckigs“158 abgrenzen, als Tiergarten
anlegenlu7 und mit Hochwild, z. T. aus dem Reußischen, besetzen.
Auch eine Fasanerie wurde zur Nachzucht am äußeren Vorwerk ein-
gerichtet158.
Bei einem so vielseitigen Menschen wie Carl Gottfried überrascht es
nicht, eine reiche Bibliothek vorzufinden, die noch heute einen statt-
lichen Teil der sehr umfangreichen Schloßbibliothek in Thurnau aus-

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