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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1865

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Nr.18 (12. Oktober)
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https://doi.org/10.11588/diglit.43886#0081
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ten Mannheimer Excefse haben ihrer Zeit dargethan,
in welcher Weise von liberaler Seite das eigene
Versammlungsrecht gemißbraucht wurde, um Andere
an dem gesetzlichen Gebrauch ihres Versammlungs-
rechtes zu hindern. Den Schritten berechtigter Vor-
stellung und Abwehr folgten Anfeindungen und Schä-
digungen aller Art. Selbst die Bitte um Gehör
an höchster Stelle wurde von der liberalen Presse
zum Verbrechen gestempelt und als sträfliche Auf-
lehnung verdächt. Während aber das Gothaerthum
Hand in Hand mit der religionsfcindlichen radika-
len Presse gegen die Vertreter des kirchlichen.Rechtes
zu Felde zieht, ist der conservative Widerstand gegen
diese frivole Vergewaltigung gestiegen. Der Kampf
um die höchsten Güter des christlichen Lebens hat
besonders in neuester Zeit bedeutend an Ausdehn-
ung gewonnen." So urtheilt man in den maß-
gebenden Kreisen Preußens!
O Heidelberg, 10 Okt. Wie öffentliche Blätter
berichten, wird demnächst der Abbo Richard, der
berühmte Quellenfinder, in Neustadt a. d. H. ein-
treffen, um dem dortigen Wassermangel auf Ein-
ladung der Gemeindebehörde abzuhelfen. Derselbe
kommt aus Schlesien, wo er die glänzendsten und
staunenerregendsten Erfolge erzielt hat. Um nur
ein Beispiel anzuführen, so hat Einsender dieses
aus dem Munde eines hochangesehenen Mannes ge-
hört, der eines der größten schlesischen Güter un-
längst besucht hat, daß es dem Adbs kurz zuvor
gelungen war, diesem Gute, das bei einem nach
unseren Begriffen enormen Viehstand an dem äu-
ßersten Wassermangel litt, den unbezahlbaren Segen
einer erstaunlich großen Wassermenge zu verschaffen,
so daß sofort mehrere Brunnen, die ein herrliches
Wasser liefern, verschiedene Bassins zünd Spring-
brunnen errichtet und das Wasser in Röhren nach
den großen Stallungen geleitet werden konnte; ja,
es ist dadurch sogar möglich geworden, den Vieh-
stand auf das Doppelte zu erhöhen. Frägt
man den Abbe, worin eigentlich seine merkwürdige
Kunst bestehe, so erklärt er achselzuckend, daß von
einer Kunst oder einem Studium gar keine Wede
sein könne; sein Gefühl sei es, das ihm sage, hier
sei Wasser, dort dagegen ssei keines zu finden. Er
hat deßhalb auch keine besondere Experimente, Bohr-
versuche u. drgl. nöthig, sondern nach kurzer Be-
sichtiguug der nächsten Umgebung eines Ortes ist
er im Stande, ohne auch nur die Oberfläche des
Bodens um einen Fuß abzuheben, genau die Stellen
zu bezeichnen, wo größere Wassermengen zu finden
sind, die das Nachgraben lohnen, während er
andererseits augenblicklich anzugeben vermag, wo
jedes Nachgraben lediglich eine leere Geld- und
Zeitverschwendung sein würde.
Diesem wirklichen Wohlthäter der Menschheit sind
eine Menge von Städten, Dörfern und Gütern zu
außerordentlichen! Dank verpflichtet, und es wäre
daher wünschenswerth, wenn er auch in unsere
Pfälzergegend einen Ruf erhielte, um dem großen

Wassermangel in einer Reihe von Gemeinden ab-
zuhelfen. Vor allem wäre dies in unsrer Stadt
nothwendig, die, besonders im westlichen Theile, zu
den wasserärmsten des ganzen Landes zu zählen ist.
Bei der fortschrittlichen Verranntheit, die in den
tonangebenden Kreisen hier vorherrscht, dürfte man
bei diesem Vorschläge freilich nur tauben Ohren
predigen, weil der mit einer so seltenen Gabe aus-
gestattete Richard ein katholischer Geistlicher ist, also
ein „Schwarzer" vom reinsten Wasser, dem die
hiesige Fortschrittsphilisterei wohl zu keinem beson-
deren Dank wird verpflichtet fein mögen.
*** Karlsruhe, 4. Okt. Weltbekannt find die
Strafen, welche Katholiken in der neuen Aera für
ihre katholische Ueberzeugung als Kaufpreis für
ihre Gewissensfreiheit tragen mußten? Gewöhn-
lich sind die eingelegten Necurse nicht nur er-
folglos geblieben, sondern durch Kosten wurde ein
weiterer Druck auf die überzeugungstreuen Dulder
ausgeübt und die Taxe für die verfassungsmäßige
Gewissensfreiheit dadurch erhöht. Wir berichten dem
Pfälzer Boten, welcher auch in der Residenz als
offener Verfechter des verfassungsmäßigen Rechts gern
gelesen wird, einen entgegengesetzten Fall, den wir
aus zuverlässiger Quelle erfahren haben. Er ist
zugleich eine Aufforderung zu fortwährender Stand-
haftigkeit in katholischer Ueberzeugung, zur „Aus-
dauer in der gesetzlichen Arbeit für das Recht!"
Das erzbischöfliche Ordinariat hatte bekanntlich
im Dezember 1864 die Herausgabe der katholischen
Schulfonds an die Ortsfchulräthe untersagt und
getreu diesem Befehle hat die hiesige Stiftungscom-
mission die Auslieferung des sogenannten Schul-
fonds (kirchlichen zu Schulzwecken bestimmten Ver-
mögens) verweigert.
Darauf hat das Ministerium des Innern gegen
die Mitglieder der Stiftungscommifsion Zwangs-
maßregeln und Geldstrafen angedroht. Der Drohung
folgte durch bezirksamtliche Verfügung die Verfül-
lung jedes einzelnen Mitgliedes in eine Strafe von
15 fl. Ein Recurs dagegen wurde von Gr. Mini-
sterium des Innern unter Verfüllung der Recurrenten
in die Kosten zurückgewiefen.
Später hat das nämliche Großh. Ministerium
des Innern die Strafen (bezahlt war natürlich noch
keine davon!) sistirt und in Folge davon auch die
Recurssporteln kaffirt.
Der sogenannte Schulfond blieb bis zur Stunde
im Besitze, d. h. in der Verwaltung der Stiitungs-
commission, und das Experiment mit den Zwangs-
maßregeln scheint in der Residenz mißlungen zu
sein. So viel zu Nutz und Frommen für jeder-
männiglich!
X Wiesloch, 9. Okt. Am 25. Sept, war der
Kreisschulrath Leutz in die katholische Volksschule
von Malschxnberg unangemeldet eingetreten. Sogleich
schien ein unheimliches Gefühl die Kinder zu er-
greifen: sie sahen bald den fremden Mann, bald
ihre Mitschüler an, die Gesichter wurden immer
 
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