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Pfälzer Bote für Stadt und Land (68) — 1933 (Januar bis März)

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Nr. 50- 76 (1. - 31. März)
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«eite S

Mittwoch, do« 8. Mürz 1S88

Nr.

Arr RMsvrMchef Mr die
8me nach der Wahl
Berlin, 8. März. Reichsp-ressechef, Ministe-
r-ialdivektor Funk, sprach am Dienstag abend
über alle deutschen Sender zur Lage nach der
Wahl. Er erstattete zunächst Bericht Wer die
heute nachmittag stattgefundene Sitzung des
Rsi-chskabinetts, ans der der'Kanzler ein Bild
über die durch die Wahlen geschaffene politische
Situation gab. In der Kabinettssitzung habe der
Kanzler hevvorgehob-en, daß nunmehr eine groß-
zügige Proh aganba- und Aufklä-
rungsarbeit einsetzen müsse, damit keine
Politische Lethargie aufkomme und daß diese
Bolksau-fklärung von einer neu zu errichtenden
Zentralstelle ausgehen müsse. Ferner habe der
Reichskanzler die Notwendigkeit einer einheit-
lichen PMtik in Reich und Ländern betont.
-Lein Reichstag werde ein Ermächtigun -g s-
aesetz vo-r-a-elegt werden, daß vevfassunasän-
dernden Charakter trage.
Reichsinnenminister Dr. Frick habe sodann
über die Borgänge in Hamburg, Bremen, Lü-
beck und Hessen berichtet. Dr. Frick habe dabei
aus-g-sführt, daß -die Maßnahmen des Reiches er-
folgen mußten, -weil sonst die Höchste Gefahr für
Ruhe und Sicherheit in diesen Ländern bestand.
Der Reichsp-ressechef berichtete sodann von den
Eindruck, den die Reichstagswahlen in der gan-
zen Welt hervorgerufen hätten und stellte dabei
fest, daß die Wahlen einen völligen Umschwung
in der Beurteilung der politischen Lage in
Deutschland hervorgerusen hätten. Bis in die
letzten Tage der vergangenen Woche habe man
im Ausland die wildesten Schauermärchen über
die Zustände in Deutschland lesen Wunen. Man
sei aber durch die ausländischen Missionen und
durch eine umfangreiche private AusN-ärungs--
arbeit diesen, das Wirtschaftsleben Deutschlands
schädigenden Verleumdungen mit allem Nach-
druck entgegengetreten und" man könne heute fest-
stellen, daß diese Arbeit von Erfolg gekrönt wor-
den sei. Die Aüslandspresse bezeichne das Wahl-
ergebnis als den größten Sieg in der Parla-
mentsgeschichte Deutschlands.
Der Reichspressechef gab sodann eine verglei-
chende Darstellung über den Stimmengewinn
und -Verlust der einzelnen Parteien und kenn-
zeichnete die Bedeutung des Wahlergebnisses da-
hin, daß einmal ohne das Zentrum sine
klare Mehrheit der nationalen Front im Reichs-
tag bestehe.
Auch das Zentrum habe bei dieser Wahl
schlecht abgeschnitten. Aeußerlich sieht es zwar
so aus, als ob der vielgenannte Zentrumsturm
unversehrt geblieben sei, aber der Prozentual«
Anteil des Zentrums ist von 11,9 auf 11 Proz.
und der der Bayerischen Volkspartei von 3,1
auf 2,7 Prozent gesunken. Dieses Wahlergebnis
hat eine sehr erhebliche innenpolitische Bedeu-
tung erhalten, indem einmal die Machtstellung,
die das Zentrum seit Jahrzehnten innegehabt,
setzt gebrochen ist, da ohne das Zentrum eine
klare Mehrheit der nationalen Front im Reichs-
tag besteht, und indem zweitens die Nationalso-
zialisten in Süddeutschland einen großen gewal-
tigen Sieg errungen haben, indem sie in Bay-
ern, Württemberg und Baden ihre Stimmen-
zahl zum Teil um mehr als verdoppeln konnten.
In diesen LäUdern, in denen jetzt die National-
sozialisten überall die stärkste Partei geworden
sind, werden Regierungsneub'ilbrmgen die un-
umgängliche Folge sein.
Die Einheitlichkeit der politischen Willensbil-
dung in Reich und Ländern igehöre zu den
Kocheguenizen dieser Wahl. Die Staats raisvn
vertrage es nicht, daß 16 Länderregierungen und
eine Reichsvegierung sich andauernd politisch
gegenseitig heruntersetzen. Die Reichsvegierung,
so schloß der Redner, sei jetzt mitten in der Auf-
bauarbeit. Schon in den nächsten Tagen wür-
den weitere Maßnahmen zur Behebung der Not
der Landwirtschaft und zur Beschaffung von Ar-
beit und Brot für die Arbeitslosen und Armen
ergriffen werden.
*
Wir haben dieser Erklärung des Reichspresse-
chsfs in Punkto Rückgang des Zentrums doch
hinzuzufügen, daß wir in unserer Propaganda
wesentlich eingeschränkt waren. Uns stand kein
Rundfunk zur Verfügung, wir hatten nicht die
Geldmittel wie die Regierungsparteien. Unsere
Presse war geknebelt, die Versammlungen über-
wacht — während aus der anderen Seite vollste
Freiheit herrschte. Unter diesen Umständen -be-
deutet unser Wahlergebnis erst recht einen Sieg,
den wir uns auch von der Reichspressestelle nicht
verschleiern lassen.
Ls geht doch nicht Mm Zentrum
Berlin, 7. März. Das Conti-Büro meldet:
Wir erfahren noch zu dem Plane eines Er-
mächtigungsgesetzes, daß die Reichsregie-
rung hofft, durch Unterstützung auch des
Zentrums und der Bayerischen Volkspartei
die Zweidrittelmehrheit zu erreichen, die bei
einem verfassungsändernden Charakter der Er-
mächtigung Notwendig ist. Praktisch liegen die
Dinge -:m Reichstag so, daß die Zweidrittsl-
mehvh-eit sich bei 647 Abgeordneten auf 432
beläuft. Sämtliche Parteien von recht bis zum
Zentrum und Bayerischer Volkspavtei umfas-
sen 446 Abgeordnete, so daß damit die Zwei-
drittelmehrheit gut gegeben wäre.
Ueber die angekündigte Zentralstelle für die
Reichspropaganda ist heute im Kabinett nur
allgemein und grundsätzlich gesprochen worden,
Gin Aufruf der Reichsregierung,
mit dem man in den letzten Tagen rechnete,
und der die erste Kundgebung des Reichskabi-

Sie RMstaMakma des Zentrums nach der WM
vom 5. Mrr iW

Nach dem vorläufigen amtlichen Wahlergeb-
nis, das wesentliche Äenderungeu nicht mehr er-
fahren dürfte, wurden auf den'Liften der Deut-
schen Zentrumspartei für die Wahl-
kreise 5 9 Abgeordnete gewühlt. Dazu
kommen 7 Abgeordnete durch die Verrechnung
der Reststimmen in den Wahlkreisverbän-
den und 7 Abgeordnete aus der Reichsli st e
durch die Restistimmenverrechnnug. Mithin zählt
also die neue Reichstagsfraktion des
Zentrums73AbgeordNete.
Auf die einzelnen Wahlkreise >bzw. Wah-lkveis-
vevbände entfällt die Wähl folgender Abgeord-
neter:
Wahlkreis Ostpreußen:
Landwirt Tesch n e r, KleMtten.
Wahlkreis Berlin:
Dr. Heinrich Kron e, Berlin.
Wahlkreis Potsdam H:
Generalsekretär Schmi d t, Berkin.
Wahlkreise Potsdam I, Frankfurt a. O.,
Grenzmark:
Studienrot Warnke, Schneidemühl.
Wahlkreis Breslau:
Reichskanzler a. D. Dr. Brüning,
Landwirtschostsrat Dr. Perlitius, Glatz
(siehe Schlußbom-evkun-g zur Reichsliste).
Wahlkreis Liegnitz:
Dr. S chauf s, Berlin.
Wahlkreis Oppeln:
Prälat lllitzka, Ra-tibor,
Landesrat Ehrhardt, Ratibor,
Landwirt Beck, Oppersdorf,
Konsul Dr. ResPondel, Berlin.
Wahlkreise Magdeburg, Merseburg, Thürin-
gen, Eichsfeld:
Studienrat Pr a d e l, Heiligenistadt.
Wahlkreis Weser-Ems:
Ministerialrat Dr. Wegmann, Oldenburg,
Landwirt Dr. Drees, NaHbergen.
Wahlkreise Südhannover-Braunschweig, Ost-
Hannover:
Pastor Dr. Of -fenstei n, Hannover.
Wahlkreis Westfalen-Nord:
Reichsminister a. D. Dr. Stegerwa -l d,
Univ.-Professor Prälat Dr. Schreiber,
Landwirt B o r neseld - Et tm an n, Waders-
loh,
Avbei-tersekretär R1 e sene r, Gladbeck,
Baugewevksmstr. Bielefeld, Recklinghausen,
Postsokretür Kamps chulte, Münster,
Landwirt Ministerialdirektor a. D. Röingh,
Beverungen.
Wahlkreis Westfalen-Süd:
Verbaudsvorsitzender Jmbusch, Essen,
Landivirtschaftsvat Schmi d t, Lippstadt,
Verbaudsvorsitzender Becker, Arnsberg,
Fräulein Zillken, Dortmund,
Kaufmann Weiser, Buer,
Rektor Weber, Bochum.
Wahlkreis Hessen-Nassau:
Univ.-Pros. Dr. Dessauer, Frankfurt a. M.,
Dr. Crone-Münzebrock, Berlin,
Mittelschuklöhrer Schwarz, Frankfurt a. M.
Wahlkreis Köln-Aachen:
Schriftleiter Joos, Köln,
Lehrerin Christine Teuf ch, Köln,
Rsichsm-iuister a. D. Dr. Herme s, Berkin,
Vizepräsident d. Reichstags E s s e r, Euskirchen,
Gewerkschaftssekretär Ernst, Herzogenrath,
Angestellter Gerig, Köln,
SeiMtsPvüsident Dr. Schett e r, Köln.

Wahlkreis Koblenz-Trier:
Univ.-Prof. Prälat Dr. Kaas, Trier,
Verleger Berhülsdonk, Neuwied,
Landwirt Neyses, Meckeln,
Verbaudsvorsitzender Tremmel, Berlin,
Winzer Gibbert, Moselkern, Krs. Cochem.
Wahlkreis Düsseldorf-Ost:
Landesgeschäftsführer Kaiser, Köln,
Frau Ministerialrat Dr. Weber,
Berbandsdirektor Schlack,
Kaufnmnn Schnitzler, Düsseldorf.
Wahlkreis Düsseldorf-West:
Reichsminister a. D. Dr. Bell, Berlin,
Verbaudsvorsitzender S ch m i tz, Duisburg,
Landwirt Blum, Krefeld,
Verbandsdirektor des KKB. Dr. Wages, Essen,
Verbaudsvorsitzender Fahrenbra ch, Düssel-
dorf,
Sdudienrat Dr. Zorn, Dinslaken.
Wahlkreis Pfalz:
Oberlehrer Hofmann, Ludwigshafen.
Wahlkreis Württemberg:
Staatspräsident Dr. Bolz, Stuttgart,
Landwirt Farny, Gut Dürren,
Verbandsgeschäftsführer Groß, Stuttgart,
Gewerkschaftssekretär W iede m e ie r, Ulm.
Wahlkreis Baden:
Prälat Dr. Föhr, Freiburg i. Br.,
Staatspräsident Dr. Schmitt, Karlsruhe,
Gewerkschaftssekretär Ersin g, Karlsruhe,
Landwirt D i e z, Radolfzell,
Industrieller Dr. Hackelsberg e r, Oöflingen,
Frau Klara Siebert, Karlsruhe.
Wahlkreis Hessen-Darmstadt:
Rechtsanwalt Dr. Bvckiu s, Mainz,
Oberregierungsrat Knoll, Darmstadt.
Reichsliste:
Reichskanzler a. D. Dr. Wirt h,
Industrieller Dr. Klöckner, Löttringhausen,
Fräulein Dr. Peer -enboo m, Düsseldorf,
Gawerlschaftssokretär Kuhnen, Saarbrücken,
BerbaNdss-ekretär Dr. Bocke l, Berkin.
Das nächste auf der Reichskiste noch gewon-
nene Mandat würde listenmäßig Dr. Hoff,
Berlin, zufallen. Da aber bei den letzten Reichs-
tagswählen stets Reichskanzler a. D. Dr. Brü-
ning auf sein Mandat im Wahlkreis Breslau
verzichtet hatte, -ist auch jetzt damit zu rechnen,
daß Dr. Brüniu g wieder aus der Reich Äste
annimmt. In diesem Falle würde wiederum
Volkswirt Dr. Fonk, Berlin, im Wahlkreise
Breslau nachrücken, der bereits den letzten
Reichstagen angchört hat.
ch
Gegenüber der Zusammensetzung der letzten
Reichstagsfrakdion ist -insofern «ine Aenderung
zu -verzeichnen, als die bisherigen Abgeordneten
Reichsminister a. D. Dr. Brauns und Reichs-
Minister a. D. Gi-esberts sowie Verbands-
vorsitzender Wieder auf -eine Wiäd-eraufstel-
lung verzichtet hatten. Erstmals in den Reichs-
tag gewählt sind Generalsekretär Schmidt,
Berlin, Ministerialdirektor a. D. R-öingh,
Westfalen, der vor seiner Berufung in das preu-
ßische Landwirtschastsministerium der Preußen-
fraktion des Zentrums angehört hatte und wäh-
rend der kommissarischen Regierung Papen wie-
der verabschiedet worden war, ferner Rektor
Weber, Bochum, und BerLandsv-orsitz-ender
Schmitz, Duisburg. Außerdem kehrt Studien-
vat Dr. Zorn, Dinslaken, wieder in den Reichs-
tag zurück, der bei der letzten Wahl -im Novem-
ber mit nur wenigen Stimmen unterlegen war.

ArMrsf!
Der Parteivorstand der Zentrumspartei
veröffentlicht nachstehenden Aufruf:
„An die Zentrumswähler in Stadt und
Land! In einem beispiellosen Wahlkampf
haben die Wähler und Wählerinnen der
Deutschen Zentrumspartei aufs neue ihre un-
erschütterliche Treue bekundet. Ungebrochen
und innerlich gefestigt ist die politische Kraft
des deutschen Zentrums. Diese Kraft für die
nationale Entwicklung einzusetzen, die Volk
und Vaterland notwendige Einheit und Ve-
iriedung gibt und allein wirtschaftliche» Auf-
stieg gewährleisten kann, ist die Aufgabe der
Führung. Die Deutsche Zentrumspartei ist
am 30. Januar aus der Mitwirkung an der
Regierung ausgeschaltet worden. Aus dem
nationalen Leben kann sie nicht ausgeschaltet
werden. Eine Deutsche Zentrumspartei wird
unermüdlich in jeder Lage für Staat «nd Na-
tion zu schaffen wissen.
Die Parteiführung dankt der Wählerschaft
für das mutige Bekenntnis zu dem Ideal un-
serer politischen Bewegung. Sie gedenkt ins-
besondere jener Mitstreiter, die um der grol
ßen Sache willen Opfer von Gewalttätigkeit
geworden sind. Ihre Namen und ihr Beispiel
sind in der ruhmreichen Geschichte der Deut-
schen Zentrumspartei eingegangen. Sie wer-
den unserer Jugend voranleuchten."
An die
MWm MtrimWWrr!
Unter den schwierigsten Verhältnissen wurde
die Wahlschlacht des 5. März geschlagen.
Alle sind sie zusammengestanden, jung und
alt, Stadt und Land und haben dadurch einen
neuen glänzenden Sieg an ihre Fahne gehef-
tet. Dafür allen herzlichen Dank, den Wäh-
lern und den vielen opferbereiten Arbeits-
bienen der Wahlarbeit, insbesondere der Ju-
gend, der Vadenwacht, der Schoferschar und
den Windthorstbünden. Bald wird sich zeigen,
daß trotz allem euer Opfer und euer Kampf
nicht vergebens waren.
Jetzt erst recht die Front geschlossen in treuer
Hingabe an Vaterland und Kirche!
Jetzt erst recht Zentrum!
Dr. Föhr,
Vorsitzender der Badischen Zentrumspartel.
nicht, weil sie nur geschäftsführeNd sei. Das
weiter« liege beim nationalsozialistischen Land-
tagspräsidenten Merg-ent h aber, der da-
für -zu sorgen hübe, daß d-ex Landtag zur Wahl
eines neuen Staatspräsidenten alsbald zusam-
mentritt.
Im Württembergrschen Landtag
wurden auf Anordnung des nationalsozi-Mstt-
sch-en Lcmdtagspräsidenten Mergenthaler die
Hakenkreuzfahne, die schwarz-weiß-rote Fahne
und die Landesfahne gehißt. Der Landtagsprä-
siden-t hielt eine Ansprache, in der er vom
„Beginn der nationalen Revolution in Würt-
temberg" sprach und den Rücktritt des Staats-
präsidenten forderte.
Auch auf dem Gebäude des Rundfunks
und auf -andern Gebäuden wurden Hake-n-
kveuzfah-nen gehißt.

netts nach der Wahl darstellen sollte, kommt
nicht mehr in Frage.
Dir BvrgüM in DamftM
Eine historische Nacht. — Uebergabe der
Polizeigewalt an den Reichskommissar.
Darmstadt, 7. März. Von dem G-auprefsewmt
Hessen-Nassau der NSDAP, wird m-it-geteM:
Gestern nacht 23.45 Uhr besetzten die Natio-nal-
sozial-isten das hessische Innenministerium in
Darmstadt. Der Gauleiter -Sprenger in Beglei-
tung des Kommissars der Rsich-svegievung, Dr
Müller-Alsfeld -erschienen mit einigen Sachwal-
tern der NSDAP, sowie SA.-Leuten der Stan-
darte 115 im Gebäude des Innenministerin-ms.
Die PMzeigöwalt -wurde übernommen. Die
Polizeibeamten, die sich sehr zahlreich und stark
bewaffnet mit Karabinern und Maschinenpisto-
len im Innenministerium befanden, übergaben
die Waffen der Standartenlfüh-vung der SA
Leute der SA. besetzten unmittelbar anschließend
das Gewevlschaftshaus, das Gebäude der fozlal-
-demokvatischsn Presse und die Wohnung des
Staatspräsidenten Adelung und des Innenmini-
sters L-euschner. Zu Zwischenfällen -oder Un-
ruhen ist es nicht gekommen. Jedoch k-am es im
Laufe d-es Nachmittags zu ungeheuren Menschen-
ansammlungen vor dem Gebäude des Innenmi-
nisteriums. Gauleiter Sprenger Hielt eine An-
sprache, in der er die Massen zur Disziplin -auf-
forderte und die Uebernahme ider Staatsgewalt
in -Hessen anWndigte.
Darmstadt, 7. März. Die historische Nacht
der Machtübernahme durch -die NSDAP, in
Darmstadt entschied über die künftige Gestaltung
der hessischen Geschicke innerhalb weniger Stun-
den. Nach der raschen Beseitigung eines Miß-
verständnisses, das in der ersten Unterredung
zwischen dem vom Reichsinnenm-inister Dr. Frick
eingesetzten PolizeMomm-issar -für Hessen, Regie»
rungsrat Dr. Müller, und dem bisherigen fo-
ziäldemökratifchen Staatspräsidenten Adelung

vor-gekommen war, wurde von Dr. Müller -auf
Grund der ihm übertragenen Vollmachten ge-
mäß 8 2 der 'Verordnung zum Schutze von V-oW
und Staat vom 28. Februar ds. Js. die Polizei-
gewalt übernommen. In Begleitung des natio-
nalsozialistischen Gausührers Sprenger und eini-
ger engererer Mitarbeiter besetzte P-oligeikom-
missar Dr. Müller -unter Mitwirkung der Stan-
darte 115, die durch auswärtige SA. aus dem
Odenwald und den benachbarten Bezir-ken ver-
stärkt war, das Innenministerium -am Lu-isen-
pl-atz, das sozialdemokratische Gewerkschaftshaus,
die Wohnung des Staatspräsidenten Ä'd-elung
sowie das Ver-lagsgebä-ude des sozialdemokrati-
schen „VoMfreund". Die Maßnahmen gingen
ohne Men Widerstand vor sich Innerhalb we-
Nige-r Stunden war die -ganze Aktion Dr. Mil-
lers durchgeführt. Die zahlreichen Schutzpo-Ii-
zeibeamten im Innenministerium und -in ei-ni-gen
anderen Gebäuden übergaben ohne Widerstand
ihre Karabiner und Maschinenpistolen der SA.-
Führung. Dunkel liegt der Regierungsblock um
den Luisenplatz, gleichmäßige Taktschrilte einiger
SA.-Patrouillen M-nge-n durch die sternenklare
milde Märznacht. Scheinwerfer blitzen am nächt-
lichen Himmel. Die Autos der Polizei durch-
fahren mit gedämpftem Motor die -von -linksste-
henden Kre-ife-n stark bewohnte Innenstadt.
Kleinwagen und Motorräder mit SA.-Leuten
huschen durch die stillen Straßen und leuchten
mit Scheinwerfern die Häuser ab. Darmstadt
weiß noch nichts von dem Umschwung, der sich
innerhalb weniger Stunden vollzogen Hat.
SA«M bei St. Beiz
Stuttgart, 7. März. In einer Unterredung
mit SA.-Führern erklärte Staatspräsident Dr.
Bolz, die würbtembergische Regierung werde
morgen eine Sitzung abhalten, um zur Frage
der Regierungsbildung Stellung zu nehmen.
Für eine Neuordnung -der Verhältnisse werde
die gegenwärtige Regierung kein Hindernis
bilden. Zurückttaten könne idie Regierung

Der bayerische Ministerrat für beschleunig«
Regierungsneubildung.
München, 7. März. Ministerpräsident Dr.
Held Hat heute namens des Gefamtm'ini-
steriums an den Landtagspräsidenten Dr.
Stang ein Schreiben gerichtet, in welchem ge-
beten wird, -die bereits eingeleltet-en Schritte-
zur Neubildung der Staatsrsgie-rung in Bayern
beschleunigst durchzusühven.
Rücktritt der Schaumburg-Lippeschen Lan-
desregierung,
Bückeburg, 7. März. Die Schaumburg-
Lippesche Landesregierung ist mit Rücksicht aus
-die veränderten Politischen Machtve-rhältnisse
zuvückgstr-eten. Der Landtag wird sofort zu-
sammentreten, um über Auflösung des Land-
tages und Neuwahlen Beschluß zu fassen.
Sir Mwrlzer Mise Otto Brauns
Berlin, 7. März. Wie bekannt, hat Minister-
präsident Otto Braun die schweizerische
Grenze überschritten. Zu diesem Vorgang hören
wir von nähestghender Seite, daß der preu-
ßische Ministerpräsident mit seiner seit etiva
fünf Jahren schwer gelähmten Gattin je-
weils im März -einen Kuraufenthalt in Ascona
zu verbringen pflegt. Seit Jahresfrist bedient
er sich dabei des von ihm selbst gesteuerten
Kleinautos. Durch die Reichstagswahl habe
nun Otto Braun so disponiert, daß seine Gat-
tin heute nach Erfüllung ihrer Wahlpflicht 'M
Schnellllzug abgereist sei, während er vorgestern
im Wagen vorausgefahren sei, mit dem er die
schweizerische Grenze überschritten habe, um lei
Ankunft seiner Gattin in Ascona zu sein. Dort
wolle er bis zur Einberufung des Reichstages
verbleiben.
 
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