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Pfeilstücker, Suse
Das Wesen der Plastik — Führer zur Kunst, Band 20: Esslingen a.N.: Paul Neff Verlag (Max Schreiber), 1922

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https://doi.org/10.11588/diglit.67363#0055
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Reliefartige Gebundenheit.
Eine gewisse reliefartige Gebundenheit muß aber
auch eine jede allseitige Statue wahren; das heißt, es darf sich
nicht ein einziger Teil der Plastik — ein Bein, ein Arm —
allzu dreist in der Richtung zum Beschauer hin und parallel mit
seiner Blickrichtung hervorwagen, es müssen immer mehrere
solcher Punkte, mindestens zwei vorhanden sein. So ist beim
„Satyr“ (Abb. 11) der sich dem Beschauer entgegenstreckende
linke Arm nicht unangenehm, weil auch ein Fuß gleich weit
vorspringt. Von der Seite gesehen liegen wiederum mehrere
Teile, — Fuß, Schwänzchen, Ellbogen — ziemlich lotrecht
übereinander. Das beruhigt unser Auge.
Daß nur ein einziger vorgestreckter Arm unmöglich
die Tiefenausdehnung angeben kann, sieht man an dem viel-
besprochenen Apoxyomenos (Abb. 9). Die Bewegung des
rechten Armes auf den Beschauer zu ist nirgends ausge-
glichen und unterstützt, sie wirkt unklar und unangenehm.
Deshalb zeigen auch die Abbildungen den Schaber etwas von
der Seite her, wobei sich die Vorwärtsbewegung scheinbar in
einen seitlichen Schwung verschiebt. In Wirklichkeit ist auch
diese seitliche Ansicht nicht befriedigend, da die Statue auf
frontale Wirkung gebildet ist.
Die Ansichtsfrage bei Gruppen.
Ist die Lösung der Ansichtsfrage für eine Einzelfigur schon
schwierig, so wird sie für Gruppen geradezu verzwickt. Wir
sahen schon, wie schwer es ist, Gruppen eine geschlossene
Außenform zu geben (vgl. S. 15), besonders schwierig dann,
wenn der Künstler eine Allansicht anstrebt. Rodin hat in seiner
Gruppe „Der Kuß“ (Abb. 14) die Allansicht mit den gleichen
Mitteln geschaffen, die wir beim „Satyr“ beobachtet haben:
durch seitlich gewandten Kopf des Mannes, durch rückwärts
gewandten Oberkörper der Frau. Betrachten wir noch einmal
Gauls „Ziegen“: auch diese Gruppe ist von allen Seiten
 
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