Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Prinzhorn, Hans
Bildnerei der Geisteskranken: ein Beitrag zur Psychologie und Psychopathologie der Gestaltung — Berlin, 1922

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.11460#0394
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
spiele dafür. Und ein gebildeter Großstädter hat sogar eine ganze Sammlung solcher selbstver-
fertigter Wurzelwerke veröffentlicht: Strauch: Wurzelplastik. Eßlingen 1920.

12 S. 25. Joh. Müller (der Physiologe) hat seine Beobachtungen niedergelegt in der Schrift:
„Über die phantastischen Gesichtserscheinungen", Koblenz 1826. Ausführliche Zitate in Jaspers:
„Allgemeine Psychopathologie". 2. Aufl. S. 41 u. 43.

u) S.26. Lionardo da Vinci: „Das Buch von der Malerei". Ausg. v. H. Ludwig, Wien 1882.
Teil II, Abschn. 60 und 66. Vgl. auch die Stelle aus Kellers „Grünem Heinrich", Anm. 43.

u) S.31. Vgl. die konsequente und wegen ihrer streng-begrifflichen Geschlossenheit so viel
verkannte Lehre Schmarsows. Hier ergäbe sich eine Gelegenheit, auf die kunsttheoretischen
Arbeiten der letzten beiden Generationen einzugehen und das, was wir hier skizzieren, auf be-
stimmte Ahnen zurückzuführen. Nur der Fachmann weiß, wie schwierig das in Kürze wäre, da
dieses Gebiet mit Mißverständnissen und allseitigem Ressentiment wohl mehr als irgend ein anderes
geladen ist. Es genüge daher die Bemerkung, daß wir diese Skizze keineswegs ad hoc auf Grund
einer schnellen Orientierung entwerfen, sondern auf Grund eines mehr als 15 jährigen Vertrautseins
mit den kunsttheoretischen Forschungen, das sich auch unter dem Einfluß von Schmarsow und
Lipps 1908 zu einer Dissertation und einigen Aufsätzen verdichtete. Wie weit auch der hier ge-
gebene Entwurf der psychologischen Wurzeln der Gestaltung sich von den strengen und oft
begrifflich-dogmatischen Systemen eines Semper, Riegl, Wickhoff, Schmarsow entfernt, so mag
der Kenner doch leicht die Fäden bemerken, die zu ihnen laufen, obgleich wir mit völlig anderer
Einstellung an die Gestaltungsprobleme herantreten. Und gerade deshalb, weil wir uns von
wertenden Gesichtspunkten relativ frei gemacht zu haben glauben (wozu es wohl unerläßlich ist,
daß man der Bindung des Spezialfaches ledig ward), wagten wir den rein psychologisch gemeinten
Versuch. Will man ihn also außerhalb des Zusammenhanges prüfen, in dem er hier erscheint, so
ist zu berücksichtigen, daß er jenseits aller traditionellen Wertung steht und daher schwer erreichbar
ist für Einwände, die nicht psychologisch fundiert sind, sondern in den Postulaten einer Kunstlehre.
Soviel wir sehen, vertragen sich diese psychologischen Wurzeln sehr wohl mit solchen Prinzipien,
die aus unmittelbarem Kontakt mit den Werken geschöpft sind und sich dann ständig erneuern,
wie bei Fiedler, Wölfflin, Worringer, um nur wenige zu nennen. Auf eine Auseinandersetzung mit
der sehr regen jüngeren Psychologie der Kunst muß hier, wo es sich noch vorwiegend um die
Mitteilung des neuen Materials handelt, verzichtet werden. Bei der erklärten Bereitschaft, psychopa-
thologische Grenzgebiete zu berücksichtigen, wie sie Utitz, Müller-Freienfels u. a. haben, wird in
der späteren Diskussion dazu Gelegenheit genug sein.

1o) S. 36. Das Problem: wie verhält sich bei Primitiven das Ornament zum Naturvorbild? ist
gewiß eines der spannendsten, die im Gebiete der Kunsttheorie überhaupt vorhanden sind. Was
die Ethnologen bislang dazu beigebracht haben, ist durchweg unergiebig, weil die psychologischen
Voraussetzungen fehlen. Nichts kann das herrschende Dilemma eindrucksvoller vor Augen führen,
als eine genaue Prüfung des Buches von Stephan: „Südseekunst", Berlin 1907. Dieser früh ge-
storbene Arzt und Forscher war gerade in der Kunsttheorie nicht ungebildet und versuchte sich
mit zähem Eifer an einem Nachweise der Ornamententstehung. Wenn er aber die übereinstimmende
Ornamenterklärung zahlreicher Eingeborener als Beweis annahm, so erlag er aus Mangel an bild-
nerischer und psychologischer Erfahrung schweren Fehlschlüssen, zumal in der richtigen Ein-
schätzung dekorativer Komponenten. Die Leute bezeichnen etwa den schmalen Zwischenraum

23*

355
 
Annotationen