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schlichtes Baumaterial zum dritten Mal. Deshalb ist der Genius glatt gemeißelt, um den Stein für die neue
Verwendung herzurichten.20 Der zweite Stein, von gleichem Material mit der Höhe 53 cm, der Breite
84 cm und der Dicke 55 cm, zeigt auf beiden Schmalseiten je eine weitbauchige, doppelhenklige Vase mit
kleinem schmalen Fuß und senkrechten Riefen an Hals und Bauch.21

Sehr viel mehr wissen wir über die zweite und wahrscheinlich bedeutendere Anlage
auf der nördlichen Seite der damaligen Neckarmündung, die ihr Entdecker, Profes-
sor Dr. Hermann Gropengießer, nach spätantikem Sprachgebrauch Burgus nannte.
Diese Festung nämlich meinen die beiden oben schon erwähnten Hinweise bei Ara-
mianus Marcellinus und Symmachus. Die Stelle bei Ammianus Marcellinus lautet:

Denique cum reputaret munimentum celsum et tutum, quod ipse a primis fundarat auspiciis, praeterla-
bente Nicro nomine fluvio, paulatim subverti posse undarum pulsu immani, meatum ipsum aliorsum ver-
tere cogitavit, et quaesitis artificibus peritis aquariae rei, copiosaque militis manu, arduum est opus ad-
gressus. (3). per multos enim dies conpaginatae formulae e roboribus, coniectaeque in alveum, fixis refi-
xisque aliquotiens prope ingentibus stilis, fluctibus erectis confundebantur, avulsaeque vi gurgitis interi-
bant. (4). vicit tarnen imperatoris vehementior cura, et morigeri militis labor, mento tenus (dum operare-
tur) saepe demersi: tandem non sine quorundam discrimine, castra praesidiaria, inquietudini urgentis
amnis exempta, nunc valida sunt.22

Deutsch: Als er (Valentinianus) darüber nachdachte, daß das hohe und sichere Bollwerk, zu dem er selbst
vom Entwurf an den Grund gelegt hatte, allmählich durch den mächtigen Andrang der Wellen unterwühlt
werden könnte — denn der Neckar fließt daran vorbei — beschloß er, die Hauptströmung anderswohin abzu-
leiten. Er ließ erfahrene Wasserbautechniker kommen sowie eine gut ausgerüstete Abteilung seiner Truppen
und ging an das schwierige Werk. Viele Tage lang wurden nämlich Einbauten, die man aus Eichenholz zu-
sammengefügt und in den Fluß gelassen hatte und neben denen gewaltige Pfähle in den Grund gerammt wa-
ren, was manchmal wiederholt werden mußte, durch das aufgestaute Wasser durcheinander geworfen und
gingen, von der Gewalt der Strömung fortgerissen, verloren. Trotzdem siegte der erhöhte Eifer des Kaisers
und die Mühe seiner disziplinierten Soldaten, die während der Arbeit oft bis zum Kinn im Wasser standen.
Endlich wurde - nicht ohne Lebensgefahr für einzelne Leute - die Grenzfeste der Unruhe des andrängenden
Stromes entzogen und steht nun stark und sicher da.

Während Ammianus die schwierige Pfahlgründung des Burgus beschreibt, erfahren
wir von Symmachus etwas über das Aussehen der Anlage:

In quod periculum sermo prolapsus est? formam conditae civitatis nee describere audeo nee tacere. at ser-
viam fidei, quae suadet audaciam. primum visentibus naturae munus oecurrit, soli tribunal et duorum flu-
minum benignus adflexus; inde artifex manus geminas aggerum institutiones mole vallavit. succedit
scaena murorum tantum ex ea parte declivis, qua margines turrium fluenta praestringunt. nam brachüs
utrinque Rhenus urgetur, ut in varios usus tutum praebeat commeatum. ipsa illa, quae propugnaculis am-
biuntur, ut opere suo decenter armata sunt, ita crebris hiatibus distineta coniunetio pandit exitum clande-
stinis iactibus sagittarum. stat mediae arcis aurata sublimitas et tecto comitur pro tropaeo, cui per ordines
in prona declives levis plumbi lorica subtexitur (Seeck: supertexitur).23

Deutsch: In welche Verlegenheit gerate ich mit meiner Rede? Das Aussehen des neu gegründeten Platzes
wage ich nicht zu beschreiben, aber auch nicht zu verschweigen. So will ich mich denn zu der Kühnheit ver-
leiten lassen, eine genaue Beschreibung zu geben. Als erstes fällt die Gunst der natürlichen Lage auf, eine
Erhebung am Zusammenfluß zweier wasserreicher Ströme. Dort sind von kunstreicher Hand die beiden
Uferdämme durch Einbauten befestigt (deren mühselige Errichtung uns Ammianus oben beschreibt).
Darüber hinaus steht der Aufbau der Mauern, die nur dort schräg abwärts führen, wo die Kanten der Türme
(als Wellenbrecher) die Strömung mildern. Denn der Rhein wird durch Flügelmauern (Buhnen) an beiden
Seiten der Befestigung abgedrängt, damit er für die verschiedensten Zwecke einen sicheren Verkehr zulasse.
Da aber gerade dieser durch Vormauern umgebene Raum wenigerstark befestigt ist, bietet das Hauptwerk,
welches mit vielen Scharten versehen ist, eine gedeckte Ausfallstellung für einen Geschoßhagel an Pfeilen.
Fest steht der hohe Mittelbau mit vergoldeter Spitze. Er wird durch ein Dach gekrönt wie durch ein Sieges-
zeichen. Ein glatt geschuppter Bleipanzer überzieht in schräg abwärts geneigten Reihen dieses Dach.24

Die Stelle bei Ammianus Marcellinus war den pfälzischen Humanisten des 16. Jahr-
hunderts wohlbekannt, und sie lokalisierten die Festung Valentinians natürlich an

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