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G. Reformation und Dreißigjähriger Krieg
1517/56-1649

1. Die Reformation in der Pfalz

1.1. Die pfälzische Kirchenpolitik bis 1556

Zwischen dem frühen Auftreten Martin Luthers in Heidelberg 1518 und der end-
gültigen Entscheidung der Kurpfalz für die Reformation unter Kurfürst Ottheinrich
(1556-59) liegen fast 40 Jahre, in denen die beiden Kurfürsten Ludwig V. (1508-
1544) und Friedrich II. (1544-1556) eine sehr vorsichtige und vermittelnde Reli-
gionspolitik betrieben. Diese Politik erhielt von beiden Seiten das Zeugnis des Wan-
kelmutes und der Unentschiedenheit. Die protestantische Geschichtsschreibung
vermißte an der pfälzischen Politik dieser Jahrzehnte die rasche und überzeugte
Parteinahme für Luthers Sache. Für die katholische Seite hingegen waren die beiden
Kurfürsten heimliche Protestanten, die zwar lange den Anschein der Kirchentreue
erweckten, im Herzen aber längst abgefallen waren. Dabei übersieht man leicht,
daß die Pfalz aus dem Bayerisch-Pfälzischen Erbfolgekrieg (1504-07) verkleinert
und sehr geschwächt hervorgegangen war und alles daransetzen mußte, die Feind-
schaft mit Kaiser Maximilian I. und dem Haus Habsburg abzubauen.
So war für den klugen und besonnenen Regenten Ludwig V. das erste Jahrzehnt sei-
ner Regierung von dem zähen Bemühen erfüllt, die alte Bedeutung der Kurpfalz
wiederherzustellen. Auch die Aussöhnung mit dem Hause Habsburg war ein lang-
wieriges Geschäft, das erst mit der Kaiserwahl Karls V. 1519 endgültig abgeschlos-
sen war. Luthers Auftreten 1517 und die von ihm ausgelöste gewaltige Bewegung
waren für den Kurfürsten Ludwig V. ein Unruhe schaffendes Element in der pfälzi-
schen und in der Reichspolitik. Einfach Parteigänger im Religionsstreit konnte Lud-
wig nicht werden; das ließ sein fürstliches Selbstbewußtsein nicht zu. Zudem war er
eher eine politische als eine religiöse Natur. Er folgte in der Religionsfrage der ver-
mittelnden Position des Humanisten Erasmus von Rotterdam, der sich eine gerei-
nigte, möglichst romfreie, aber katholische Reichskirche vorstellte. Priesterehe,
Laienkelch, Klosterzucht, Verantwortung des Landesherrn für seine Landeskirche
und deren Vermögen, biblische Unterweisung des Volkes und die Beseitigung aber-
gläubischer Praktiken und Auswüchse, wie z. B. des Ablaßhandels, Klarheit und
Einfachheit des Kirchenwesens ohne die Ärgernis erregenden Eingriffe der römi-
schen Kurie waren die positiven Ziele dieser im Theologenstreit vermittelnden Re-
formbestrebungen .

Ludwigs diplomatischer und nüchterner Natur entsprach es zu taktieren, ohne das
große Ziel einer Vermittlung in den Religionswirren aus den Augen zu verlieren, auf
das ihn die politische Interessenlage der Pfalz hinlenkte und in dem er sich auch mit
den Absichten des Kaisers einig wußte. So wurde 1516/17 der Ablaßfeldzug Tetzels
in der Pfalz ebenso wenig durchgeführt wie nach 1518 die lutherische Lehre auf der
Kanzel und dem Katheder geduldet. Der entschiedene Lutheraner Brenz verließ
deshalb 1522 Heidelberg. Obwohl die pfälzische Ritterschaft des Kraichgaus und
auch Franz von Sickingen, der lange in pfälzischen Diensten gestanden hatte, schon
seit 1521 lutherisch geworden waren, blieb Ludwig bei seiner Linie, nicht gewaltsam
in die Religionsfrage einzugreifen. Dementsprechend schwankte die Kirchenpolitik
der Pfalz in diesen Jahrzehnten mal auf die eine und mal auf die andere Seite. So ist
nach der Fehde mit Franz von Sickingen 1523 und dem Bauernkrieg 1525, wo Lud-
wig V. jedesmal eine entscheidende Rolle gespielt hatte, eine verstärkte Hinwen-

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