Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Rheinische Blätter für Kunst, Literatur und Theater — 1841

DOI Heft:
Nr. 35 - Nr. 43 (1. Mai - 29. Mai)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.45116#0278
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
274

Aergerm'ß nahmen. Marmontel sagt in seinen Denkwürdigkeiten
von dem ganzen Kreis der Madame Geoffrin fei Niemand an

Frohsinn und Lebhaftigkeit Alembert gleichgekommen, und es habe
ein eigenthümliches Vergnügen gewährt, dm scharfsinnigen Forscher-
über dem lebhaften Gesellschafter vergessen zu dürfen. Was indes-
sen die schönen Eigenschaften seiner Seele und sein gefühlvolles
Herz betrifft, so wird alsogleich auch davon die Rede seyn. M
Alembert kam regelmäßig zur du Deffand. Er stand damals
im Alter von achtunddreißig Jahren. Der Präsident Henault und
Herr von Formont bildeten mit ihm den Kern des Kreises, der
bald zahlreicher werden sollte. Die Freimüthigkeit des Philosophen 'E
führte die erste Wolke herbei, welche am Himmel der bisher unge- D'
trübten Zuneigung aufzog: die Marquise ward auf die Gesellschaft M
terin eifersüchtig, deren Reize und Vorzüge Alembert ohne Unterlaß t D«
pries. Schon vorher hatte sie seine freundschaftliche Verbindung
mit der Geoffrin mit scheelem Auge betrachtet, und nun sagte ft
oft wie im Scherz, er käme eben so sehr um Juliens, als um I«
ihretwillen, worauf der arglose Gelehrte stets lachend die Richtig-
keit der Bemerkung eingestand. Statt jedoch die Reize der jungen
Gesellschafterin als einen anziehenden Schmuck ihres Salons zu m M
betrachten, suchte die alte Marquise allerlei Vorwände, Julien wäh- WV
rend der Besuchsstunden zu entfernen, und wenn die Freunde ge- vW
gen diese Ausschließung einen Einspruch wagten, war es gewiß «mi §
Alembert, der das große Wort führte. WM
Eines Tages brachte Trugst als Neuigkeit das Gerücht, Alem-
bert werde nach Berlin gehen, wohin ihn König Friedrich berufen, Dz
um die Leitung der Akademie zu übernehmen. Die Anerbietungen
des Königs waren nicht von denen, die sich so leicht ausschlagen: D"
ein großer Gehalt, die Wohnung im Schlosse zu Potsdam, der !
Platz an seiner eignen Tafel. Die Wirkungen dieser Nachricht auf O > -
die Marquise und ihre Freundin waren sehr verschieden: bei der Wh
ersteren überwog der Unwille, die wichtige Neuigkeit erst aus dem «I!«
Munde eines Dritten vernehmen zu müssen, den Kummer über das «
bevorstehende Scheiden des Freundes; die andere zerfloß in Thrä- «H
nen, und sprach dabei immer von der Freude, welche ihr das große W E
unerwartete Glück errege. Zur Stelle ward ein Diener mit einem ri W
Brief abgesendet. Alembert bewohnte die düstern Räume eines msi«
Hauses in der Straße Michel-le-Comte, das einer Glasersfrau ge- DÄ
hörte, die einst seine Amme gewesen, und der Bote fand ihn, wie VW
einst der Kriegsmann den Archimedeö, mit der Kreide in der Hand mal
vor seiner schwarzen Tafel. -/Sage den Damen, mein Freund," Kft
sprach er zu dem Bedienten, //daß ich lange noch nicht abgereist chwei
bin, und sie nnch heut Abend sehen werden, wie gewöhnlich, st Auf
auch morgen, übermorgen wieder, und so lange es Gott gefällt O,
mir meine Füße zu lassen." — Man erwartete ihn bereits mit Ä H
großer Ungeduld, als er mit seiner gewöhnlichen sorglosen Mim
 
Annotationen