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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 19.1910

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Heft 1
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Schwerdtfeger, Robert: Die Reichsbank als Bauherr
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https://doi.org/10.11588/diglit.26462#0024

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Nnchsbanknebenstelle in Langenbielau.

Iieichsbanknebenstelle in Leer.

Die Reichsbank als Bauherr.

ie Reichobank ist eine bcr jüngsten deutschen
Behörden und alö solche Schöpfung jcner ver-
rufenen Kinderjahre deS neuen Deutschen ReichS,
die unter dem Namen Gründerzeit als hauptschuldig am
Verfall der bildenden Künste, vor allem abcr der Archi-
tektur, gelten. Sie wurde 1876 aus der „Preußischen
Bank" in ein unter staatlicher Aufsicht stehendes Jnstitut
umgewandelt, dessen Spitze nicht nur repräsentativ der
Reichskanzler selber darstellt. Das hat zwar mit ihrer
Bautätigkeit, die anderen Jnstanzen unterworfen ist,
wenig zu tun, gibt ihr jedoch ein offizielles Gepräge,
sodaß es umsomehr überraschend und erfreulich ist, von
dieser Seite eine fortschrittliche Neigung auf einem Ge-
biet betätigt zu sehen, das für ibre Tätigkeit von unter-
geordneter Bedeutung sein mag. Für die Reichsbank
selbst ist eS unwesentlich, ob sie aus schönen oder häß-
lichen Gebäuden wirkt, für das Bild unserer Städte
aber ist Geschmack und Können ihreS Baubureaus
immerhin von Wichtigkeit; denn sie dehnt sich immer
mchr auf Orte zweiten und dritten GradS aus und
errichtet zahlrciche Bankanstalten und noch mehr Neben-
stellen in allen Gegenden Deutschlands. Wenn diese
Gebäude sich nun durch architektonischen Geschmack aus-
zeichnen, müssen sie vorbildlich anregend wirken, denn
es bedeutet — sonderbarerweise auch in GeschmackS-
fragen — für die große Menge mehr, wenn es heißt:
die Reichsbank hat dies HauS gebaut, als wenn Hinz
oder Kunz Bauherr wären; und wcil zugleich die
Reichspost überall Gegenbcispielc errichtet, die nicht ab-
schreckender sein könnten, und trotzdem die Architektur
mancher kleincrer Orte dies unwürdige Muster nach-
macht, so hofft man vielleicht nicht zu viel, wenn man
die Reichsbank als Vorkämpser sür architektonischen
Anstand ibrer Postschwester entgegentreten sieht.

Die Rcichsbankbauptstellcn — die Bankpaläste in
den großen Verkehrszcntralen haben sreilich ihr Gepräge
aus der Zeit des Entstehens schon erhalten; und da
sie sich so leicht nicht vermehren, wiro die kleine
Kollektion von Renaiffance-Jmitationen und Hasakscher
Gotik ungestört bleiben. Wichtiger aber ist die offizielle
Bautätigkeit in den kleineren Orten, aus Gründen, die
schon genannt wurden.

Der Mann, der diesen sortschrittlichen Umschwung
der Gesinnung in Taten umsetzt, ist der Reichsbank-
bauinspektor Julius Habicht, der seit einer Reihe von
Jahren das Baubureau leitet und schon eine ganze
Anzahl in der Absicht stets, in der Aussührung häufig
recht anerkennenöwerter Bankbauten enlwars und er-
richtete, von denen einige diesen Aussatz illustrieren. Man
wird bemerken, daß in allen diesen Beispielen kein
Typus hervortritt, daß eine bunte Mannigsaltigkeit in
der Gestaltung herrscht, die ansänglich befremden mag.
Gewiß aber läßt man die Tendenz gelten, durch die eine
solche Verschiedenartigkeit begründet wird: den Modus
der Anpassung nämlich an den heimischen Baucharakter.
So wenig bei Monumentalgebäuden die heimatliche
Nuance ernsthaft durchzusühren ist, so gut sügen sich ihr
Bauten von wohnlichem Charakter in bescheidener Größe,
denen es schlecht stehen würde, wenn sie einen vielleicht zu
schaffenden Banktypus aus dem Monumentalen in kleine
Verhältniffe übertrügen. Sieht man zum Beispiel aus
Abbildung 4, so wird es jedem klar sein, daß dieö Haus,
wenn nicht in Lüneburg, so doch in jenen Gegenden
Norddeutschlands durchaus am Platz ist, während es etwa
in Hagen (Abb. 6) oder Langenbielau (Abb. I) zum
mindesten in keinc rechte Harmonie mit dcr Umgebung
zu stimmen vermöchte. Artet dieses Anpassungsbestreben
auch gelegentlich in jene Mimikry aus, die von vernünf-
tigen Leuten, trotzdem angesehene Architekten ihren Rus
aus sie gründen, längst alö Biedermeierei verlacht wird,
so darf man trotz solcher Einzelfälle doch nicht das ge-
sunde Streben dcS Baumeisters nach eincm Zusammcn-
klang moderner architektonischer Gestaltung mit dem
überlieserten Milieu heimischer Bauweise übersehen.
Selbst in dem Eckhaus für Langenbielau, das mit
seinen gemalten Girlanden, den Fruchtkörben im Putz
und den neckischen Fenstern im Modell (die Abbildung
ist nach einem Modell genommen) wohl noch alter-
tümlich-spielzeughaster aussehen mag als in der Wirk-
lichkeit, mehr aber im Pendant sür Leer (Abb. 2) spricht
sich moderner Sinn, wenn auch etwas schüchtern, in
dem Versuch straffer Linienführung aus, der besonders
in den von Lisenen geteilten Iiegelwänden des Leerer
Hauses zu schönem Ausdruck kommt. llberraschend

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