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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 19.1910

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Heft 2
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Bender, Ewald: Zu den Bildwerken Georg Kolbes
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https://doi.org/10.11588/diglit.26462#0070

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Georg Kolbe: Kämpfergruppe.

rangen. Erst se, in mühseligcm Eriverben des Besitzes
dcr Vorsahren, wcrden wir die Kunst erlangen, die uns
ganz zu crsiillen vcrmag. — Welch cinc Unklarheit über
das Wesen deö Künstlerischen muß in den Köpfen der
Meisten herrschen, wenn man sich vor den künstlerischen
Wirkungen deö „Stoffeö" sürchtet, und die letzte Er-
scheinung deö Bildwerkes ganz und gar von dem Form-
problem diktieren läßt. Der „David" des Michelangelo
mit scincm alle Form bestimmenden Gestus dcs Schleu-
dcrnö, dcr durch dic Situation bcgrcnzten Empfindung,
wird heute zum Akt mit „der" so oder so zur plastischen
Einheit gebrachten „Bewegung", die wir nicht begreisen.
Und da man sich über dic allgcmcmsten und vorformalcn
Problemc der Kunst nicht einig ist, herrscht einc ärgcrlichc
Zcrsplittcrung auch dcs Bcmübcnö um dic Form. Gemein-
sam ist unsern Künstlern dcr cbrliche und bedingungs-
losc äöunsch nach rcinem künstlerischcn Erzeugniö, das
priniäre sormale Jntcresse. Abcr da gerade hier der
Jntellekt starken Anteil an dem künstlerischen Hervor-
bringen hat, so wird der ohnc Zweisel vorhandcne Jn-
stinkt aus Wcgc gcdrängt, dic nicht gcgangc» wcrdcn
müsscn, wie es cine hcrrische Empfindung odcr cin
starker Skoff gcwollt hätten, sondcrn die man gehcn
kann oder auch nicht. Kcin gesährlicherer Führer sür
den Künstler als der Verstand, und so erklärt sich das
Schwanken in dcr formalen Fragestellung. Dcr Götze
von gestern ist »icht mehr dcr Gott von heute, und
jeder hat seine privaten Probleme. Jedcr sucht aus
eigenem Weg zur Vollcndung zu gelangen, probiert
ehrlich, aber allein, und es ist eine gefährliche Sache

sür dcn modcrnen Künstler, aus den Errungenschaften
seiner Kollegen sußend, das nächst höhere Problem an-
zupacken. Er muß sich vor dem Vorwurs des PlagiatS
fürchten, wo man sich doch ohne Bedenklichkeit dem
oder jenem älteren Stil überliefert. Was man in dcn
Auöstellungen Jahr sür Jahr an plastischem Erzeugnis
jüngerer Künftlcr sieht, ist selten mehr alö Skizze, erster
Versuch an einem schwierigen Bildvorwurs. Man er-
wartet eine künstlerisch fertige Leistung und erhält die
Kenntniö von dem derzeitigen Stand einer sormalen
Bemühung. Gäbe eö wenigstens größere Austräge von
seite» der Behörden oder Privaten! Denn der Iwang,
aus jcdcn Fall und u»i dcn Preis der Zurückweisung
deö WerkeS etwaS Fertigeö zu liefern, würde die Künft-
ler veranlassen, allen Lockungen der unsteten Form-
phantasie, allen Grübeleien der sormalen Überlegung zu
entsagen und einsach dem Bildvorwurs zu Leibe zu
gehen. Und da so die Übung in dem Lösen einer
stofflich gestellten Ausgabe sehlt, braucht unö die un-
befriedigende Erschcimmg der wichtigstcn monumcntalen
Bildwerkc, die als Austrag vergeben wurden, nicht
weiter zu verwundern. Jn gesunderen Kunftzeitcn hälte
cin mittelmäßigeö Talent Ausgaben beffer auögesührt,
an dcnen sich heute die bestcn Köpse abmühen.

Aber dem cinzelncn Künstler irgendwelchen Vor-
ivurf zu machen, wäre gcnau so verkehrt, wie die Tat-
sachc deö ungeklärten ErzeugnisseS zu leugnen. Wir allc
ftehen untcr dcm Awang einer Epoche, die überwunden
werden muß. Und gerade den jungen Künstlern,
wcniger den Weg zu zeigen — den werden sic schon

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