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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 19.1910

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Heft 4
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Pfälzer, Karl: Denkmal und Brunnen
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https://doi.org/10.11588/diglit.26462#0140

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Abb. IZ. I. Zeitler: Platzbrunnen m der Stuttgarter Altstadt. Abb. 4. G-Wrba: Pfeiferbrunnen am neuen Rathaus zu Leipzig.

bewußter Erinnerung an die römischen Wasserleitungen —
künstlich springende Quellen machte und dabei in eine
Leidenschaft sür alle möglichen Wasserkünste geriet. Man
gab sich nicht damit zusrieden, daß man lebendiges
Wasser an jeden Ort leiten konnte, sondern man mußte
es zum Vergnügen in allen denkbaren Strahlen spritzen
lassen. Wer hcute z. B. Wilhelmshöhe bei Kassel be-
sucht, bringt kaum noch ein Verständnis mit sür diese
Umständlichkeiten einer Riesenanlage zu dem einzigen
Zweck, verblüffende Kaökaden und Fontänen zu haben.
Als dann im neunzehntcn Jahrhundert auch die kleinen
Städte Wasserleitungen erhielten, ahmten sie die Fontäne
der barocken Fürstenlaunen in großen und zierlichen
Springbrunnen nach: daß sie damit auch laufcndc
Brunnen nach älterer Wcise herstelleu konnten, dazu
bedurste es lustigerweise erst wieder jener biedermeier-
lichen Sentimentalität, mit der das erfindungsstolze
Jahrhundert Darwins, des Dampses und der Elek'trizität
drollig genug abschloß.

Wenn man überlegt, daß in den achtziger und
neunziger Jahren dcS vergangenen Jahrhunderts statt
mit Kaiser- und Kriegerdenkmälern öder Art unscre
Städtchen und Dörfer mit schlichten lausenden Brunnen
hätten geschmückt werden können, die der gleichen Er-
innerung dienten: so übersieht man mit einem Schlag
den krausen Laus solcher Veränderungen; denn gerade
in der Ieit, da überall die Wasserleitungen gebaut
wurden, mit denen sich auch die wasserarmen Ge-
meinden laufende Brunnen hätten leisten können, ent-

standen jene traurigen Denkmäler, die der Wanderer
immer wieder kopfschüttelnd auf den Marktplätzen

sieht. Man war viel zu stolz auf die neue Mög-
lichkeit, in jedem HauS und jedem Stockwerk, wo
man nur wollte, einen Wasserkran zu haben, als daß
man einen Marktbrunnen nicht überslüssig hätte finden
sollen, zu dem doch keiner mehr mit Eimern oder

Iubern ging, sein Wasser zu holen. Daß ein laufendes

Wasser sür einen Platz oder eine stille Straßenecke
ebensolche oder eine größere Belebung sei, als die

dünnen Springbrunnenstrahlen in den Anlagen, und daß
es zum mindesten den Vögeln und Hunden, manchmal
aber auch durstigen Kindern oder Wanderern ein Labsal
sein konnte, unter freiem Himmel einen Becher leben-
digen Wassers zu trinken: diese praktischen Rücksichten
vergaß man ganz, biö cbcn die genanntc biedermeier-
liche Empfindsamkeit mit dem Wechsel deö Jahrhunderls
die vergessenen Brunnen wieder quellen ließ.

Daß diese Empfindsamkeit damit nun etwaS Alt-
modisches oder doch Unmodernes gemacht habe, kann
man trotzdem nicht sagen; besonders indem sie zur
alten Form des Brunnendenkmals zurückging. Es läßt
sich eben nicht lcugnen, daß die Bauweise und bescheidene
Platzanlage unserer Städtchen wenig geeignet ist, ein
feierliches Denkmal zu ertragen, und daß auch in unsern
Großstädten die günstigen Plätze sür ein Denkmal selten
sind. (Oder zweiselt einer daran, daß zum mindesten
neunzig Prozent aller Denkmäler garnicht dahin ge-
hören, wo sie nun leider auch noch oft als Verkehrs-

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