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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 19.1910

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Heft 4
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Stoessl, Otto: Egon und Danitza, [4]: Erzählung
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https://doi.org/10.11588/diglit.26462#0147

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gon und Danitza.

Erzählung von Otto Stoessl. (Fortsetzung.)
III.

Jm Herbst erbittet und erhält Egon de Alnmor
neuerliche weitgehende Vergünstigungen, um seinen
Studien sür die bevorstehenden Prüfungen in Ruhe
obliegcn zu können. Vormittags bekommt er keine
Arbeit, nachmittagö braucht er dafür auch gar nicht
mehr ins Amt zurückzukehren. Er trägt eine crnste
Miene zur Schau, den Gönnern und Gläubigern gegen-
übcr zugleich demütig und verheißungsvoll. Nächstens
muß er ja seine beidcn Prüfungen glanzvoll bestehen,
dadurch den reichlicheren Gehalt des definitiven Beamten
und die ersehnte gute Partie erreichen. Allerdings fteckt
er nach wie vor ties in seinen ständigen Geldsorgen
und Verlegenheiten, aber er vermeidet cs, scine ohne-
hin geduldigen, daß heißt beinahe schon verzichtenden
Hauptgläubiger anzugehcn, sondern hält sich an die
jüngeren Leute und schickt ihnen von Hand zu Hand
verstohlen kleine Zettclchen, auf dcnen bescheidene Be-
träge von ciner bis süns Kronen aufgcmalt sind. Er
bekommt manche dieser Schuldscheine ohne bare Münze
zurück, auf andercn ist die Summe bedeutend gekürzt.
Diese Anleihcn sind nicht dcr Rede wert und gelten
alS unvermeidliche Bcstcuerung. Zuweilcn findet er
sich sreilich bei einem seincr vielen Vertrautcn ein, be-
ginnt zu weinen und hochatmend ein neueS Unglück zu
berichten, das ihn an den Abgrund des Verderbenö ge-
drängt, von welchem ihn nur ein Darlehen von minde-
stens fünszig Kronen zurückreißen könnte. Aber wenn
cr daraufhin eine oder zwei Kronen erhält, ist erö auch
zusrieden, verläßt hocherhobencn HaupteS mit dem
schön gebügelten Zylinder das Amt und wird dann
abends in einem Theater bci irgend einer beliebten
Operette oder in eincm andcren Vergnügungslokal an
der Scite sciner hübschen Braut gcsehen. Tagö darauf
gibt er im Bureau ini angercgteften Nachgenuß dcr
Kunst cine Erzählung zum besten, wie das Tanzduett
von der Soubrctte und dem gefeierten Konüker gc-
sungen, gespiclt und bcwegt worden sei. Dabei zeigt
sein Antlitz eine von der niedrigen Musik vcrsüßte
Einfalt, aber seine schlanken Beinc und Hüften und
Arme gebärdcn sich geschickt, alle gehörten Witze der
berechnenden Theatersinnlichkeit nachzuahmen und zu
vergegenwärtigen. Gelehrig crbat cr sich von manchen
Herren Ratschläge, wie er cinen Nebenerwerb auöfindig
machen könnte und beteuerte seinen guten Willen, sich
aus seinem Ungemach herauszuarbeiten. Dabei legte
er seine Hand aufs Herz und sah sein Gegenüber ge-
rührt an. Er berichtete nicht ohne Vergnügen im Ver-
druß, wie er soeben aus eine Ieitungöanzeigc hin,
welche reichlichen Nebenverdienstnachweis gegen Ein-
sendung eines einmaligen Spesenbeitrages verheißen,
ctliche Kronen nach Deutschland geschickt und daraufhin
eine sreche Broschüre erhalten habe, welche die wert-
loseften Ratschläge siir unmögliche Unternehmungen
unter höhnenden Mahnungen vor Schwindcl und
Übervortcilung zum besten gegeben. Einer seiner Gläu-
biger, welcher mit vielen schriftlichen Arbeitcn zu tun

hatte, riet ihm, auf der Schreibmaschine klimpern zu
lernen und sich eine solche etwa gegcn Ratenzahlungen
zu beschaffen. Egon sagte begeisterten Dank für diesen
nützlichen Wink und sah schon ein blühendes Feld
leichtcr Arbeit, des Gelingens und einer Rente vor sich.
Am nächsten Tage bereitö weiß er strahlend zu melden,
wie er ganz umsonft in den Besitz einer Schreibmaschine
gelangt, welche daher den Nainen „Jdeal" in jeder
Hinsicht verdiene. Er gibt diese Geschichte zum besten:
Jn der Schule habe er mit eincm jungen Jsraeliten,
seinem Banknachbarn, einen freundschastlichen häuslichen
Verkehr gepflogen, dem nur seine fernere Lausbahn ein
Ende gesetzt. Gestern sei ihm eingesallen, daß der
Vater dieses Kollegen ein Schreibmaschinengeschäst be-
treibe. Gleich am Nachmittage habe er den Laden des
werten Iuden aufgcsucht und sich ganz erstaunt in
eincm großen, hochmodernen Geschäste gefunden. Auf
die Frage nach dem jungen, sei der alte Weiß erschienen
mit der Auökunft, sein Sohn diene augenblicklich beim
Militär und mit der Gegenfrage, waö der Herr cigent-
lich wünsche. Egon erwiderte, ob man ihn denn gar-
nicht wiedererkenne. Nach kurzer eindringlicher Be-
trachtung habe Samu Weiß sreudig auögerusen: „Egon
de Alamor beim allmächtigen Gott! Und was für
ein nettcr junger Mann sind Sie geworden!" Weitläufig
und unter sorgsälliger Nachahmung des Jargons, deffen
sich der Gönner bedient, gab Egon den Gang des Ge-
sprächeö wieder. Auf seincn bescheiden vorgebrachten
Wunsch nach möglichst günftiger Erwerbung einer
Schreibmaschine habe der Geschästsinhaber gesagt:
„Mein Sohn, ich weiß, du bist ein anständiger Mensch
und ein braveS Kind aus gutem Hause" — eS war
nun einmal seine Art, wenn er vertraulich wurde, auch
eincn Erwachsencn zu duzen, wie in der vergangencn
Zeit - „waö soll ich mit dir Geschäfte machcn, wenn
du Geld hättest, kämft du nicht zu mir um eiue Ma-
schine! Der alte Weiß braucht kein Geld von dem
Sohn einer armen Witwe. Jch hab' ja deinen seligen
Vatcr gekannt, welch ein Ehrenmann! Du sollst eine
Maschine bckommen. Ein Lump hat mir eine abgekauft,
ohne sie zu bezahlen, und sie gleich versetzt, so daß ich
sie noch von der Pfandleihanstalt habe auslösen müssen.
Sie ist wie ncu, du sollft sie haben. Du kannst hier
glcich auch schreiben lernen, geschickt bist du ja und
wirst bald die Kunst herauö haben. Jch freu' mich,
daß du den altcn Weiß und meincn Sohn nicht ver-
geffen hast- Geht eö dir cimnal gut, so zahlst du mir
die Maschine, wenn du willst. Eö ist mir ein Ver-
gnügen, und du sollst deiner Frau Mama daö Leben
erleichtern. Jn mein Geschäst kommen Leute genug,
die Schreibereien vergeben wollen, so kann ich dir
immer auch Arbeit verschaffen. Ein junger Mann
braucht ja dies und jenes. Das verdient man sich
dann so im Klimpern." Und so bekain Egon das
„Jdeal" wirküch aus seine schönen Augen hin, bewarb
sich auch im Bureau um Bestellungen und verhieß
die schönsten Kopien. Der ihm den guten Rat erteilt
hatte, vertraute ihm ein Manu^kript an, mußte aber
sehr lange auf die Abschrift warten, die endlich recht
schleuderhaft und ungeschickt und als willkommene Ab-
zahlung seiner Schuld an diesen Gläubiger von Egon
 
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