Adols Hildenbrand.
unter den nackten Füßen; wir prüfen Knie- und Halsgelenke, ohne es zu wissen. Selbftredend
nicht mit dem Verlangen, daß ein solcher Körper — der zur Darstellung einer unrealen traumhaften
Vorftellung dienen soll — durch eine realiftische Durchbildung ftch in dieser Funktion selbcr ver-
nichte — sodaß auf einmal ftatt dem blumcnftreuenden Frühling Fräulein Soundso als Modell
vergebens zu schweben versuche. DaS künftlerische Problem ist eben die überzeugende Vereinigung
einer organisch überzeugenden Erscheinung mit den Forderungen der künstlerischen Funktion.
Daß eine solche Vereinigung möglich ist bis in die größte Gebärde der Feierlichkeit hinaus, hat
unö Ferdinand Hodler mit seinen monumentalen Darstellungen bewiesen: scine Landskncchte auf dem
Rückzug von Marignano wie die vier schreitenden Frauengeftalren auf dcm Bild der „Empfindung"
sind trotz ihrer monumentalen Wirkung von handfefter Konftitution. Es ist kein übles Zeichen für
Hildenbrand, daß er sick mit dem „Mäher", der am Schluß dieser Abhandlung fteht, bewußt unter
den Einfluß dieses Großen gestcllt hat: wie da der Arm die Sense hält, wie der Kopf am Rumpf
sitzt, erweckt unser Zutrauen durchaus; lediglich die schreitenden Beinc sehen wir bedenklich an und
wir möchtcn uns auch dadurch nicht täuschen lassen, daß hier die äußere Form etwas nach dem
Rezept Hodlerö in Ordnung gebracht ist. Daß trotzdem der junge Künftler mir diesem Einfluß
die richtige Wegrichtung für sich gesunden hat, wird man ihm sagen dürsen; er schcint ftark genug
und vor allcm durch seine eigene Naturanschauung gesichert, eincr äußerlichen Nachahmung deö
MeisterS zu verfallen, dcr sich immer mehr als Wiedcrcntdecker künftlerischer Gcsetze aus der bc-
fremdenden Wirkung seiner angeblichen Persönlichkeit herausftellt.
Daß Adols Hildenbrand in keinem Schulverhältnis zu Hodler fteht, ist damit gesagt. Er ift
als Malcr Autodidakt, soweit man scine Ausbildiing auf der Kunftgewerbeschule zu Karlöruhe nickt
als Vorbildung zum Malcrbcruf auffassen will. Geborcn zu Löffingen im südlickcn Sckwarzwald
(1881), lebt er jetzt alö Lehrer der Kunftgewerbesckule in Pforzheim, stolz darauf, durck die Ein-
schränkimg cincö solchen Beruses künftlerisch sein eigencr Hcrr und unabhängig vom Publikum zu
sein. W. Schäfer.
Adolf Hildenbrand: Mäher.
unter den nackten Füßen; wir prüfen Knie- und Halsgelenke, ohne es zu wissen. Selbftredend
nicht mit dem Verlangen, daß ein solcher Körper — der zur Darstellung einer unrealen traumhaften
Vorftellung dienen soll — durch eine realiftische Durchbildung ftch in dieser Funktion selbcr ver-
nichte — sodaß auf einmal ftatt dem blumcnftreuenden Frühling Fräulein Soundso als Modell
vergebens zu schweben versuche. DaS künftlerische Problem ist eben die überzeugende Vereinigung
einer organisch überzeugenden Erscheinung mit den Forderungen der künstlerischen Funktion.
Daß eine solche Vereinigung möglich ist bis in die größte Gebärde der Feierlichkeit hinaus, hat
unö Ferdinand Hodler mit seinen monumentalen Darstellungen bewiesen: scine Landskncchte auf dem
Rückzug von Marignano wie die vier schreitenden Frauengeftalren auf dcm Bild der „Empfindung"
sind trotz ihrer monumentalen Wirkung von handfefter Konftitution. Es ist kein übles Zeichen für
Hildenbrand, daß er sick mit dem „Mäher", der am Schluß dieser Abhandlung fteht, bewußt unter
den Einfluß dieses Großen gestcllt hat: wie da der Arm die Sense hält, wie der Kopf am Rumpf
sitzt, erweckt unser Zutrauen durchaus; lediglich die schreitenden Beinc sehen wir bedenklich an und
wir möchtcn uns auch dadurch nicht täuschen lassen, daß hier die äußere Form etwas nach dem
Rezept Hodlerö in Ordnung gebracht ist. Daß trotzdem der junge Künftler mir diesem Einfluß
die richtige Wegrichtung für sich gesunden hat, wird man ihm sagen dürsen; er schcint ftark genug
und vor allcm durch seine eigene Naturanschauung gesichert, eincr äußerlichen Nachahmung deö
MeisterS zu verfallen, dcr sich immer mehr als Wiedcrcntdecker künftlerischer Gcsetze aus der bc-
fremdenden Wirkung seiner angeblichen Persönlichkeit herausftellt.
Daß Adols Hildenbrand in keinem Schulverhältnis zu Hodler fteht, ist damit gesagt. Er ift
als Malcr Autodidakt, soweit man scine Ausbildiing auf der Kunftgewerbeschule zu Karlöruhe nickt
als Vorbildung zum Malcrbcruf auffassen will. Geborcn zu Löffingen im südlickcn Sckwarzwald
(1881), lebt er jetzt alö Lehrer der Kunftgewerbesckule in Pforzheim, stolz darauf, durck die Ein-
schränkimg cincö solchen Beruses künftlerisch sein eigencr Hcrr und unabhängig vom Publikum zu
sein. W. Schäfer.
Adolf Hildenbrand: Mäher.