Die Spindeluhr als Kunstwerk
an ist heute allgemein geneigt, anzunehmen,
daß der Schloster Peter Henlein, später
„Vrmacher auf St. Katharina in Nürn-
berg", der Erfinder der Sack- oder Taschenuhren in
Deutschland gewesen ist. Sein Geburtsjahr ist un-
bekannt, jedoch kann ma» folgern, daß, da cr im Jahre
1509 Meister wurde, was in damaliger Ieit ein Alter
von wenigstens dreißig Zahren erforderte, er etwa unis
Jahr 1480 das Licht der Welt crblickte. Es ist daö
Verdicnst der Herren vr. Mayer, früher Archivsekretär
in Nürnberg, und vr. Locher, unö aus den
Verzeichnisten der Nürnberger Schloster vom
Jabre 1462 bis 1548 einige Daten auö dem
Leben deS Meistcrs übermittelt zu haben.
Danach war Henlein I5O4 in einen Rauf-
handel verwickelt, der mit dem Totschlag
dcS SchlostcrS ClemenS Glascr endigte. Petcr
scheint jedoch nicht der Hauptschuldige ge-
wesen zu sein, denn wir lesen, daß er neun
Jahre später in derselben Strafsache zu einer
Geldbuße von 12 fl. verurteilt wird. Jm
Jahre 1522 kaufte er sein Haus, das neben
dem Peter VischerS, dem bedeutendsten deut-
schen Renaissancebildhauer, am Kastanien-
graben lag, von einer darauf lastendcn Hypo-
thek loö. Jn diesem Hause ist er 1542
gestorben, denn im ältesten Nürnberger
Totenbuch findet sich vom 4. Juni bis
14. September genannten Jahres die Ein-
tragung: „Peter Henlein, Vrmacher auff
St. Katharina". Er hat somit ein Alter
von ungefähr 62 Jahren erreicht.
Nach seinem Tode sollen nach Berichten
von Chronistcn zwci Uhrmachcr mit Namen
AndreaS Heinlein und Kaspar Werner in
Nürnberg Taschenuhren hergestellt und damit bereits
eincn schwunghaften Handel gctrieben haben. Jch bin
jedoch der Ansicht, daß der eine von ihnen, Andreas
Heinlein, mit dem Erfindcr Hcnlcin identisch ist. Finden
sich doch die vcrschiedensten Schreibarten sür den Na-
men dcs ersten Taschenuhrmachers. So schreibt z. B.
Iohann Cochlams, der bekannte Gegner Luthers, im
Anhang zu seiner I5II erschienenen Oosiaopwaylüs ?om-
yonü Uolao, die von den Vorzügen Nürnbergs handelt:
„Es werdcn tagtäglich schwierigere Dinge ersunden; so
hat Peter Hele, ein noch junger Mann, Werke gemacht,
die selbst bei den größtcn Matbcmatikcrn Bcwundcrung
erregen. Denn auö wenig Eisen
stmrvo ksrro) baut er Uhren mit
sehr vielen Rädern, welche, wie
immer gelegt, ohne jedes Gewicht
40 Stunden zeigen und schla-
gen, auch wcnn sie auf der
Brust oder in der Börse getragen
wcrden."
Ob die von Henlein kon-
struiertcn Uhren überhaupt dic
erstcn Taschenuhrcn gewesen sind,
ist zweiselhast. Iu Ende des
18. Jahrhunderts fand man nämlich bei Bruce im
Schlosse Tifershire eine Taschenuhr, deren Gehäuse
von Silber und im Grunde mit blauem Schmelzwerk
ausgelegt war. DaS Zisferblatt trug die Jnschrift:
„Uodortus L., Uox 8eottorum". Da dieser Robertus
B. kein anderer als Robert Brucc sein kann, der im
Jahre 1505 die Regierung antrat und IZ8Z starb, so
würde daraus hervorgehen, daß man Taschenuhren
schon im 14. Jahrhundert ansertigte. Die Engländer
schreiben auf Grund dieseS Fundes die Erfindung einem
ihrer Landsleute zu. Einmal jedoch können
sie keinen Namen sür ihn angeben, und
dann fehlt auch jede weitere Angabe auö
seiner Ieit. Wenn der Fund im Schloste
Tifershire daher echt ist, was neuerdings
vielsach bezweiselt wird, so muß man an-
nehmen, daß die Erfindung wieder verloren
gegangen ist und von Henlein in Deutsch-
land zwei Jahrhunderte später auss ueue
gemacht wurde.
Man hat auch wohl Isaak Habrecht
aus Schaffhausen, den Schöpser der Uhr des
Straßburger MünsterS, für den Erfinder
der Taschenuhren gehalten. Allein Habrecht
hat seine Uhren erst I52O angefertigt, wäh-
rend die „lebenden Eyerlein", wie man
die Erzeugnisse Henleins auch wohl nannte,
bereits um I5OO ihr munteres Geticke er-
tönen ließen.
Nach der Erfindung der Triebfeder, die
die Herstellung der Taschenuhren überhaupt
erst ermöglichte, bemerkte man bald eine
Unregelmäßigkeit des Ganges, die man so-
sort dem ungleichen Antrieb durch die srisch
aufgezogene oder nahezu abgelauscne Feder
zuschrieb. Um diesen ungleichen Antrieb während der
Gangdauer der Uhr auszugleichen, schaltete man zwischen
Federgehäuse und dem sogenannten Großbodenrade die
Schnecke mit der Kette ein. Nach den Gesetzen der
Mcchanik wirkt eine Kraft um so intcnsiver, je länger
ihr Arm ist. Jm Ansang, wenn die ganz ausgezogene
Feder ihre volle Krast entfalten möchte, tritt als weise
Vermittlerin die Schnecke hinzu und leiht der Feder
nur ihren kürzesten Arm, dic solchermaßen gebemmt in
nur beschrünktem Maße aus das Uhrwerk einwirken
kann. Jmmer mehr erlahmt den Tag über die an-
sangs so übcrschüssige Krast der Feder, doch hilsreich
unterstützt die Schnecke nunmehr
mit immer längerem Arm die
Ermattete (Abb. I).
Ein andercr Tcil der alten
Spindeluhrcn, den man mil dem
Herzen unseres Körpers ver-
gleichen könnte, ist die Hem-
mung, und zwar die Spindel-
hemmung, der die ganze Uhr
ihren Namen verdankt. Jeder
kcnnt die Unrube unserer Taschen-
uhren, jenes kleine bewegliche
Abb. l.^
Trommel und Schnecke.
an ist heute allgemein geneigt, anzunehmen,
daß der Schloster Peter Henlein, später
„Vrmacher auf St. Katharina in Nürn-
berg", der Erfinder der Sack- oder Taschenuhren in
Deutschland gewesen ist. Sein Geburtsjahr ist un-
bekannt, jedoch kann ma» folgern, daß, da cr im Jahre
1509 Meister wurde, was in damaliger Ieit ein Alter
von wenigstens dreißig Zahren erforderte, er etwa unis
Jahr 1480 das Licht der Welt crblickte. Es ist daö
Verdicnst der Herren vr. Mayer, früher Archivsekretär
in Nürnberg, und vr. Locher, unö aus den
Verzeichnisten der Nürnberger Schloster vom
Jabre 1462 bis 1548 einige Daten auö dem
Leben deS Meistcrs übermittelt zu haben.
Danach war Henlein I5O4 in einen Rauf-
handel verwickelt, der mit dem Totschlag
dcS SchlostcrS ClemenS Glascr endigte. Petcr
scheint jedoch nicht der Hauptschuldige ge-
wesen zu sein, denn wir lesen, daß er neun
Jahre später in derselben Strafsache zu einer
Geldbuße von 12 fl. verurteilt wird. Jm
Jahre 1522 kaufte er sein Haus, das neben
dem Peter VischerS, dem bedeutendsten deut-
schen Renaissancebildhauer, am Kastanien-
graben lag, von einer darauf lastendcn Hypo-
thek loö. Jn diesem Hause ist er 1542
gestorben, denn im ältesten Nürnberger
Totenbuch findet sich vom 4. Juni bis
14. September genannten Jahres die Ein-
tragung: „Peter Henlein, Vrmacher auff
St. Katharina". Er hat somit ein Alter
von ungefähr 62 Jahren erreicht.
Nach seinem Tode sollen nach Berichten
von Chronistcn zwci Uhrmachcr mit Namen
AndreaS Heinlein und Kaspar Werner in
Nürnberg Taschenuhren hergestellt und damit bereits
eincn schwunghaften Handel gctrieben haben. Jch bin
jedoch der Ansicht, daß der eine von ihnen, Andreas
Heinlein, mit dem Erfindcr Hcnlcin identisch ist. Finden
sich doch die vcrschiedensten Schreibarten sür den Na-
men dcs ersten Taschenuhrmachers. So schreibt z. B.
Iohann Cochlams, der bekannte Gegner Luthers, im
Anhang zu seiner I5II erschienenen Oosiaopwaylüs ?om-
yonü Uolao, die von den Vorzügen Nürnbergs handelt:
„Es werdcn tagtäglich schwierigere Dinge ersunden; so
hat Peter Hele, ein noch junger Mann, Werke gemacht,
die selbst bei den größtcn Matbcmatikcrn Bcwundcrung
erregen. Denn auö wenig Eisen
stmrvo ksrro) baut er Uhren mit
sehr vielen Rädern, welche, wie
immer gelegt, ohne jedes Gewicht
40 Stunden zeigen und schla-
gen, auch wcnn sie auf der
Brust oder in der Börse getragen
wcrden."
Ob die von Henlein kon-
struiertcn Uhren überhaupt dic
erstcn Taschenuhrcn gewesen sind,
ist zweiselhast. Iu Ende des
18. Jahrhunderts fand man nämlich bei Bruce im
Schlosse Tifershire eine Taschenuhr, deren Gehäuse
von Silber und im Grunde mit blauem Schmelzwerk
ausgelegt war. DaS Zisferblatt trug die Jnschrift:
„Uodortus L., Uox 8eottorum". Da dieser Robertus
B. kein anderer als Robert Brucc sein kann, der im
Jahre 1505 die Regierung antrat und IZ8Z starb, so
würde daraus hervorgehen, daß man Taschenuhren
schon im 14. Jahrhundert ansertigte. Die Engländer
schreiben auf Grund dieseS Fundes die Erfindung einem
ihrer Landsleute zu. Einmal jedoch können
sie keinen Namen sür ihn angeben, und
dann fehlt auch jede weitere Angabe auö
seiner Ieit. Wenn der Fund im Schloste
Tifershire daher echt ist, was neuerdings
vielsach bezweiselt wird, so muß man an-
nehmen, daß die Erfindung wieder verloren
gegangen ist und von Henlein in Deutsch-
land zwei Jahrhunderte später auss ueue
gemacht wurde.
Man hat auch wohl Isaak Habrecht
aus Schaffhausen, den Schöpser der Uhr des
Straßburger MünsterS, für den Erfinder
der Taschenuhren gehalten. Allein Habrecht
hat seine Uhren erst I52O angefertigt, wäh-
rend die „lebenden Eyerlein", wie man
die Erzeugnisse Henleins auch wohl nannte,
bereits um I5OO ihr munteres Geticke er-
tönen ließen.
Nach der Erfindung der Triebfeder, die
die Herstellung der Taschenuhren überhaupt
erst ermöglichte, bemerkte man bald eine
Unregelmäßigkeit des Ganges, die man so-
sort dem ungleichen Antrieb durch die srisch
aufgezogene oder nahezu abgelauscne Feder
zuschrieb. Um diesen ungleichen Antrieb während der
Gangdauer der Uhr auszugleichen, schaltete man zwischen
Federgehäuse und dem sogenannten Großbodenrade die
Schnecke mit der Kette ein. Nach den Gesetzen der
Mcchanik wirkt eine Kraft um so intcnsiver, je länger
ihr Arm ist. Jm Ansang, wenn die ganz ausgezogene
Feder ihre volle Krast entfalten möchte, tritt als weise
Vermittlerin die Schnecke hinzu und leiht der Feder
nur ihren kürzesten Arm, dic solchermaßen gebemmt in
nur beschrünktem Maße aus das Uhrwerk einwirken
kann. Jmmer mehr erlahmt den Tag über die an-
sangs so übcrschüssige Krast der Feder, doch hilsreich
unterstützt die Schnecke nunmehr
mit immer längerem Arm die
Ermattete (Abb. I).
Ein andercr Tcil der alten
Spindeluhrcn, den man mil dem
Herzen unseres Körpers ver-
gleichen könnte, ist die Hem-
mung, und zwar die Spindel-
hemmung, der die ganze Uhr
ihren Namen verdankt. Jeder
kcnnt die Unrube unserer Taschen-
uhren, jenes kleine bewegliche
Abb. l.^
Trommel und Schnecke.