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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 19.1910

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Heft 6
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Stoessl, Otto: Egon und Danitza, [6]: Erzählung
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https://doi.org/10.11588/diglit.26462#0214

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Egon und Danitza.

auf eme Weile zum Plaudern einfanden, war das sa-
genannte Archiv, ein düsteres, mit Bücherschränken bis
an die Decke bestelltes Iimmer, wo man suchte, oder
zu suchen vorgab, waö man zur Erledigung schwieriger
Angelegenheiten und Beantwortung aller kommerziellen
Rätselfragen benötigte.

Jn diesem Archiv standen eben ein paar Herren
im Gespräche, als eine Dame eintrat und mit ver-
legenem Grüßen nach Herrn Dieter verlangte. Sosort
stoben die dienstbeflissenen Höslichen davon, den Ge-
wünscbten zu verständigen. Eine Daine im Amt, eine
hübsche noch dazu, ist immer Gegenstand großer Auf-
regung, besonderer Phantasieen, Kombinationen, Erörte-
rungen und Anlaß, alle Fühler dcr Diskretion aus-
zustrecken.

Einen älteren Knaben, der seine Gesetztheit dazu
benützte, weltmännisch bei der schlanken Überraschung
zu bleiben, fragte diese, ob nicht auch Herr de Alamor
zugegen sei, ihr Gatte.

„O ich bitte sehr, ich werde ihn gleich suchen/
sagte der Gentleman, erfreut, einen Zipsel deS großen
GeheimnisseS in Händen zu haben, und tras aus dem
Gange den ganzen Trupp, der Herrn Dieter wenigstenö
bis an die Tür deS Archivö begleitete, wenn es schon
nicht anging, seiner Unterredung mit der Dame bei-
zuwohnen. „Jch wüßte nicht, was für eine Dame
mich hier aussuchen wollte, ich halte mich für unbe-
scholten, aber man weiß sreilich nie . . sagte Herr
Dieter gerade, als der ältliche Herr ganz außer Atem
gesegelt kam und aus den Gesuchten prallte, neben
welchem Egon de Alamor beflissen, neugierig und vcr-
gnügt einherwandelte, wie immer, wenn eö etwas Un-
erwarteteö, ein EreigniS und Extravergnügen absetzte.

„Es ist ja Jhre Frau Gemahlin," stieß der Voll-
damps hervor.

Dieter wandte sich eben nach seinem ständigen Be-
gleiter und unausweichlichen Vertrauten fragend um,

als dicser mit einer unglaublich hurtigen Wendung
davon schoß. Die übrigen bcsannen sich erst noch, ob
sie ihm solgen oder bis ans Archiv dringen sollten;
Dieter konnte nichts andereS tun, als vorläufig sich der
Dame zur Verfügung stellen. Er trat ein. Die Danitza
stand in einem zwar bescheidenen, doch anmutigen blaucn
Kleide hochgewachsen da, sehr blaß, mit großen, dunkeln
etwas scheuen Augen. Sie schaute Dieter offen ent-

gegen, aber er merkte ihrem Blicke leicht an, daß der
sich lieber gesenkt hätte und nicht eben gern der Frage
eineS anderen BlickeS begegnete. Eö herrschte eine

kleine, peinliche Pause, nachdem Danitza sich vorgestellt

hatte, bis Dieter endlich sagte: „Gnädige Frau suchen
gewiß den Herrn Gemahl. Er war eben noch draußen.
Darf ich ihn vielleicht rufen?"

Danitza schüttelte den Kopf: „Jch danke sehr, eigent-
lich möchte ich ihn vorläufig noch nicht hier haben, es
handelt sich vielmehr um eine Sache, die ich zunächst
mit Jhncn besprechen möchte, wenn Sie die große
Güte haben wollen, mich anzuhören und zu verzeihen,
daß ich Sie belästige. Aber mein Mann hat mir so
viel von Jhnen erzählt und von allen Jhren auf-
richtigen Ratschlägen, daß ich es wage. Denn ich weiß
ja wirklich nicht, an wen ich mich wenden könnte."

Dabei süllten sich ihre Augen rasch mit Tränen. Dieter
verbeugte sich stumm. Die Frau begann nun gleich
zu sagen und zu fragen, was nötig war. Seit langem
hatte Egon nicht mehr regclmäßig sein Gehalt nach
Hause gebracht, sondern nur nach vielen dringlichen
Mahnungen erst gegen die Mitte des Monats. Nun
sei sie heute durch den Besuch eines Herrn überrascht
worden, welcher die unbeglichene Rechnung jenes Ge-
schäftes vorgewiesen, von dem die Einrichtung ihrer
Wohnung stammte, und äußerst entschieden sofortige
Iahlung verlangt habe. Da sämtliche Möbel nur gegen
Iusicherung von Raten und mit dem Vorbehalt deö
Eigentums geliefert wordcn seien, würde er alles weg-
schaffen und der Firma zurückstellen lassen, wenn nicht
endlich die Teilzahlungen pünktlich einliefen. Jhr Mann
hatte sie seinerzeit mit diesen Möbeln überrascht, indem
er ihr erzählte, eine bedeutende Remuneration sür ab-
gelieserte wohlgelungene Ieichnungen auf die Hand
bekommcn und sogleich zu diesem schönen Iwecke ver-
wendet zu haben. Da sie schon einmal seine Beichte
unerhört großer Schulden habe vernehmen müsien, ahnte
sie jetzt gleich nichts Gutes und sei hierher geeilt, zu-
nächst Herrn Dieter zu sragen, was denn in aller
Welt vorgehe.

,,Mir erzählte er damals, Jhre Frau Mutter habe
ihm auf sein Drängen und inständiges Drohen daS
Geld für die Einrichtung gegeben," sagte Dieter.

Danitza schluchzte aus. „Meine Mutter weiß davon
gar nichtö." Die alte Frau besäße wohl ein kleineö
Vermögen, das einst den Kindern zuzufallen bestimmt
sei und zu anständigem Unterhalt, sogar zu einer Unter-
ftützung ausreiche, doch keineswegö um bedeutende
Summen gekürzt werden könnc, ohne ihren beschei-
denen Wohlstand aufs Spiel zu setzen. Die Mutter
habe auf jede Weise ihre, Danitzas, beabsichtigte Ver-
bindung mit Egon de Alamor zu verhindern, ja zu
hintertreiben gesucht. Aber da sie sich nun einmal
in ihren Mann verliebt hatte und ohnedies mit der
Alten nicht sehr gut stand, hätten alle diese Hinder-
niffe nur ihren Trotz gestärkt und sie habe es sich in
den Kopf gesetzt, nun erst recht den jungen Mann
gegen alle Mahnungen und Widerreden zu nehmen.
Iuerst habe er seine baldige Anstellung als definitiver
Beamter, seine Beförderung und weitere Laufbahn in
sicherfte, rosigste AuSsicht gestellt; den Rat der Mutter,
dieö ErgebniS abzuwarten, habe sie im Vertrauen aus
den Bräutigam und auch in ihrer ungeduldigen Ver-
liebtheit — sie errötete und wandte den Kopf ab —
um keinen PreiS besolgen wollen, so machten sie Hochzeit.
Die Mutter gab ihr, obgleich gekränkt und unversöhn-
lich, immerhin eine bescheidene monatliche Unterstützung,
denn von dem Gelde, daö Egon unregelmäßig nach
Hause brachte, auch den bescheidenften Haushalt zu be-
streiten, wäre ganz und gar unmöglich. Diese geringen
Einkünste ihres ManneS benützte sie, um wenigftenö in
kleinen Raten die Schuld abzuzahlen, die er im Herbste
eingegangen.

Aber weitere Beiträge zur Einrichtung oder ähn-
lichen großen Ausgaben durfte und wollte sie von der
Mutter nicht verlangen, zumal ihre Krankheit ohnedies
ein schweres Geld gekoftet. Dieter konnte nicht umhin,
 
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