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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 19.1910

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Heft 5
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Huldschiner, Richard: Der goldene Stirnreif
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Beutler, Margarete: Drei Gedichte
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https://doi.org/10.11588/diglit.26462#0193

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Der goldne Stirnrcif.

Und es blieb ein Weilchen still, und hernach hob
Jachzesl seine Stimme und sagte: Ich will einen
Wahrspruch aufrichten zwischen dir und jener. Weffen
klagft du sie an?

Sie verriet mich, sagte Zadok, also daß ich ein
Sklave wurde in den Händen eineö götzendienerischen
Volkeö. Abcr ich habe mit den Räubern, bei denen
ich lebte, ihren Vater geschlagen. Da hals ich ihr zur
Flucht, so wie sie in diesen Tagen mir zur Flucht ver-
holfen hat. Richte du, ich weiß nicht, wo die Wahr-
heit ist.

Du sahft sie an in Liebe? fragte Jachzesl.

Za, ich sah sie an in Liebe, und sie nahm meine
Liebe und verriet mich.

So töte sie!

Jch sie töten? Aber nun hat Gott es gefügt, daß
sie mich liebt. Wie soll ich töten ein Weib, das vor
meinem Blick vergeht?

Töte sie! sagte Jachzesl, und wie sehr auch Zadok
sprach und eine deutliche Antwort heischte - Jachzesl
blieb stumm und redete nicht mehr.

Da machte Zadok sich aus, lockcrte sein Messer im
Ledergürtel und stieg schwerfälligen Schrittes den Hügel
wieder hinaus zu dcn Schnitzbildern, die vor dem Monde
dastanden, zwei zur Rechten, götzendienerische Werke
einer verruchten Hand, und einö zur Linken, ein Ephod,
ein Fallstrick sür das Volk. Jlber Silla sah ihn kom-
men und saß aus einem Stein und rührte sich nicht.
Und da nun Iadok vor ihr stand, erkannte sie den
Grimm seiner Seele und rüstcte sich zu sterben.

Er aber wandte sein Gesicht von ihr und faßte sie
an und gedachte ihr die Kehle zu zerschnciden. Er
wandte sich aber ab, weil er nicht den Mut hatte, die
Tränen ihres Augeö zu sehen, und weil er fürchtete,
es könnte die Weiße ihrer Brust und das zarte Beben
ihres schlanken Halses ihn zu einem Weibe machen.
Es ftand nämlich der Mond am Himmel. Und Zadok
sagte: Nicht ich töte dich. Jachzeöl tötet dich; denn
er hat ein Urteil ausgerichtct zwischen dir und mir.

Da sagte Silla: Lasse mich doch noch den Stirn-
reif deiner Mutter küssen, bevor ich sterbe. Das wird
mir Krast geben, daß ich nicht schreie, wenn die Schatten
des Todes sich über mich senken. Der Geist deiner
Mutter weiß, ob ich dich liebe.

Und seuszte und redete kein Wort mehr.

Siehe, da erkannte er mit einem Male alle Liebe
des Weibes, das sich nicht sträubte, den Tod von seiner
Hand zu empfangen, und warum Jachzesl zu ihm
gesprochen hatte: Töte sie! und warf sein Messer weit
von sich und sank vor Silla in die Knie. Und sie
hielten sich weinend mit den Armen umschlungen und
hielten Iwiesprache und erkannten, daß sie gemacht
waren, in Eintracht zu leben und einander nimmer zu
verlassen.

Zadok aber nahm den Stirnreif, küßte ihn und ließ
ihn Silla küssen und krönte damit ihr Haupt, indem
er sagte: Jch gebe dir ihn zum zweitenmal und gelobe
ihn nicht mehr von dir zu nehmen. Denn Gott hat
mir die Augen geöffnet, aus daß du lebest, indem er
sprach: Töte sie!

Und sie lagcn beieinander in jener Nacht, eins in
den Armen des andern, und küßten sich satt bei den

Schnitzbildern, da der volle Mond am Himmel ftand,
und schliefen und ftiegen in daö bebaute Land hinab
biö zu den Wohnstätten der Menschen, am Flusse
Zalmun, der in seinem Sande Gold sührt. Und Silla
wurde in jener Nacht gesegneten Leibes.

Was aber von Iadok und Silla und ihren Söhnen
zu erzählen ift, das ift ja berichtet im Buche der Weis-
sagungen und im Buche der Gerichte Gottes, jedes zu
seiner Ieit und jedeö an seinem Ort.

Drei Gedichte von Margarete Beutler.

Mädchentränen

Sich, wie tropfcn Blüten auf jene Stelle,
wo du standest, Sehnsucht im kleinen Herzen,
deine Arme hobest ins Licht und Tränen
weintest um Liebe!

Solche Tränen sammelt die Mutter Sonne,
und sie werden leuchtende Blumenblätter;

Busch und Baum muß strahlen im Glanze ihrer
schneeigen Sterne.

Tröstcnd gab dir die Nacht ihr seidenes Kissen.
Doch nun staune, Liebliche: Wo du standest,
tauen nieder, zierlich verwandelt, die du
weintest um Liebe.

Zu zweien

Schimmernde Flügel bewegen die dunkelnden Wasser
fliehen und suchen und sinken und heben sich wieder;
leise verzittern die Wellen in schwingenden Kreisen,
und an dem schwebenden Weidengefieder zuckt bläulich
schmal die Libelle.

Wie es so sürstlich sich schweigt in den schwankenden Schatten
tieser Gedanken, geftaltender Träume zu zweien,
wenn in der Feierlichkeit der gesegneten Stunde
Fernes dem Geist sich enthüllt und die Seelen entzündet
allem Geheimnis!

Aber derweilen, entrückt in olympische Ionen,
wissen wir garnicht, daß unsere zärtlichen Hände,
müde der göttlichen Höhe, wie sröhliche Kinder
spielen das köstliche Spiel von Libelle und Wasser,
suchend und fliehend.

Schatten

Hüte dich, wider den Tag
die suchende Seele zu kehren,
weil es geschehen mag,
daß sich die Schatten empören.

All dein DunkleS gewinnt
Form und Leben in ihnen,
deine Geheimnisse sind
dann nicht mehr treu, dir zu dienen

Deine Geheinmisse stehn
gegen dich, reisige Recken,
und es möchte geschehn,
daß ihre Schilde dich decken!

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