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Rocznik Historii Sztuki — 42.2017

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Huczmanová, Andrea: Die Stadt Joachimsthal und ihre Memorialkultur in 16. Jahrhundert: ein Beitrag zur Entstehung, Ikonographie und Auftraggebern der Bildepithapien aus der „Spitalskirche”
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https://doi.org/10.11588/diglit.39128#0112
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112

ANDREA HUCZMANOVA

Die Teile der Bildepitaphe wurden vermutlich in derselben Werkstatt bestellt. Dafür spricht nicht nur
ähnlicher Aufbau, sondern auch die Gemälde sowie die Datierung, die bei den Signaturen des Meisters
AG angegeben ist. Die Datierung verdeutlicht die Entstehungszeit der Gemälde, die aber mit dem Tod
Georg Pullachers nicht korrespondiert. Zumindest die Grablegung Christi ist also post mortem entstanden.
Es bleibt dabei die Frage offen, ob der Meister AG (AF) enger mit der Werkstatt zusammenarbeitete oder
nur Bilder für diese zwei Aufträge lieferte. Eine weitere Frage wäre, inwieweit die Tatsache, dass Georg
Angestellter des königlichen Münzhauses war und somit Kontakte zum königlichen Hof in Prag hatte, oder
auch die Familienverhältnisse und Beziehungen zwischen den Auftraggebern, eine Rolle spielten. Dabei
ist es erwähnenswert, dass die dritte Frau Ruprecht Pullachers aus der Familie Lerchenfelder stammte
und dass das Epitaph, das in der Literatur als Uthmann-Lerechenfelder bekannt ist, nicht nur von einem
Mitglied des Joachimsthaler Patriziats, sondern auch von einem Angehörigen einer bedeutenden Annaberger
Familie Uthmann gestiftet wurde.
Die beiden Epitaphe wurden durch die Auswahl der dargestellten Szenen und der Inschriften zu einer
persönlichen Glaubenserklärung der Verstorbenen und zum Ausdruck der Glaube an die Erlösung. Nicht
nur die bildlichen Teile der beiden Epitaphe sondern auch die ausgewählten Zitate stammen aus dem
Neuen Testament. Sogar das erhaltene Zitat auf dem Aufsatz des Uthmann-Lerchenfelder-Epitaphs (Sitzet
Zur Rechten Gottes Des Allmechtigen) kommt aus dem Glaubensbekenntnis und gekonnt kommentiert die
hinter ihm dargestellte Heilige Dreifaltigkeit. Ähnlich steht die Szene Himmelfahrt Christi im Einklang
mit dem Zitat aus dem Brief an die Epheser (Christus ist aufgefahren in die Höhe) auf dem Pullacher-
Epitaph. Durch die Verbindung zwischen Wort und Bild hielten die Auftraggeber an die „Bildnorm“ fest,
die sich unter den Lutheranern seit den 40er Jahren des 16. Jahrhunderts entwickelt hatte53.
Das Epitaph Georg Pullachers und das Epitaph Uthmann-Lerchenfelder werden in der Literatur seit
der Zeit Schmidts als Epitaphaltäre bezeichnet, es ist jedoch nahelegend, dass sie erst mit der fortschrei-
tenden Rekatholisierung, also sekundär, die Funktion von Altären erwarben. Die Architektur der beiden
Epitaphe wird wie die des Hauptaltars auf archivalischen Fotografien vom Ende 19. und dem Beginn
des 20. Jahrhunderts dargestellt (7-9). Mit Hinblick auf Lindners Chronik und die in ihr festgehaltenen
Notizen zur Ausstattung der hiesigen Kirchen lässt sich nicht ausschließen, dass auch die Epitaphe in
der Allerheiligenkirche ähnlich wie der Marienaltar im Laufe der Jahrhunderte verändert und verschoben
wurden. Dem entspricht auch ihre heterogene Struktur, die sich in ihrem gesamten Aufbau, den unein-
heitlichen und stilistisch unterschiedlichen Rahmen der einzelnen Bildtafeln und der unterschiedlichen
künstlerischen Qualität der einzelnen Bilder zeigt. Diese Hypothese wird darüber hinaus durch die fei-
nen Schnitzereien der geflügelten Engelsköpfe mit Wappenschildern unterstützt. Unbeantwortet bleibt die
Frage, ob sie wirklich aus diesen Epitaphen stammten. Der Hauptaltar (der Marienaltar) soll noch nach
gründlichen dendrochronologischen Untersuchungen und Restaurationsarbeiten erneut analysiert werden.
Über die sekundäre Memorialfunktion dieses Altars wurde bisher nichts gesagt. In den Vordergrund tritt
hier neben dem Stifterpaar Heinrich von Könneritz und Barbara Breiten bach auch die Familie Rosina
Müllerins. Anhand ihrer Stiftungen lassen sich auch Eingriffe in die Kirchenausstattung feststellen ebenso
wie der Familientafel aus dem Epitaph Ruprecht Pullachers.
Die Chronik des Dechanus Lindners informiert ausführlich über diese und weitere Veränderungen an
den Epitaphen54. Die chronikalischen Nachrichten lassen sich als indirekte Nachweise der fortschreiten-
den Rekatholisierung bezeichnen, was auch die liturgische Veränderung der einzelnen Teile des Mobiliars
und der Ausstattung zeigt. Die bisherige Forschung zur Allerheiligenkirche wird daher einer Kritik und
gründlicheren Untersuchungen unterworfen werden müssen. Die Epitaphe und die gesamte Kirche stellen
einen bedeutenden Ort des christlichen Gedächtnisses und eine Visualisierung des genealogischen Den-
kens eines Teiles der Stadtgemeinde dar, welche nicht nur auf die Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert,
sondern auch auf folgende Jahrhunderte schließen lassen.

53 J. Harasimowicz, „Wielkie umieranie sztuki” w krajach zwycięskiej reformacji, [in:] Kryzysy w sztuce. Materiały Sesji
Stowarzyszenia Historyków Sztuki, Lublin, grudzień 1985, Warszawa 1988, S. 69-98; idem, Das lutherische Bildepitaph - Form und
Funktion am Beispiel der Denkmäler in der Stadtkirche St. Marien in Wittenberg, [in:] Cranach-Werke am Ort ihrer Bestimmung. Tafel-
bilder der Malerfamilie Cranach und ihres Ukreises in den Kirchen der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland, Hrsg. B. Seyderhelm,
Regensburg 2015, S. 35-57; idem. Das kollektive Credo einer lutherischen Gemeinde: die Bildepitaphien, [in:] Cranachs Kirche,
Hrsg. J. Harasimowicz, B. Seyderhelm, Beucha 2015, S. 49-64.
54 Lindner, op. cii., fol. 280.
 
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