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KIRCHLICHE BAUTEN IN KONSTANTINOPEL.
meist bestimmt sind, für die Stifter und ihre Familien als Zufluchts-
und Begräbnisstätten zu dienen. Diese Einschränkung der kirch-
lichen Bauthätigkeit trifft mit dem Niedergang des byzantinischen
Reichs zusammen, welcher auf das kurze Aufflackern nach dem
Versuche des Cäsars Bardas,1) durch eine neue Lehranstalt die
Geistesbildung wieder zu heben, folgte, während um dieselbe
Zeit im Abendlande ein bisher ganz unerhörter Eifer erwacht,
allenthalben glänzende Kirchen und Klöster zu errichten, oder die
bestehenden zu vergrößern und reicher und prachtvoller auszu-
statten. Dass dabei byzantinische Vorbilder und Überlieferungen
nicht unwirksam waren, ist genugsam bekannt, aber es fehlt an
Berichten über directe Einwirkungen byzantinischer Vorbilder oder
Künstler, und alles, was man über den Einfluss der Kaiserin
Theophano und ihrer Umgebung gesagt hat, beruht auf mehr
oder weniger wahrscheinlichen Vermuthungen. Selbst die von
Cicognara beigebrachte und mehrfach wiederholte Erzählung von
drei Künstlern, welche aus Constantinopel nach Unteritalien ge-
kommen sein sollen, stammt aus verdächtigen Quellen, die über-
dies nicht von der Zeit der Theophano, sondern von der des
Longobarden-Königs Desiderius sprechen2). Die abendländischen
Kirchen haben bekanntlich im allgemeinen nicht die eigenthüm-
liche Bauart der byzantinischen angenommen. Dagegen sind ein-
zelne byzantinische Formen, wie das Würfelkapitäl, der Lettner,
die Emporkirche,3) zum Theil schon zu der Zeit im Abendlande
eingedrungen und herrschend geworden, als Justinian seine Herr-
schaft wieder über das Gebiet des weströmischen Reiches aus-
breitete.
855-866.
2) Allg. Künstler-Lexikon von Jul. Mayer, B. I, Art. Aldo.
3) Sie heißt in einigen Gegenden von Deutschland Prieche, vielleicht von
περιοχή.
KIRCHLICHE BAUTEN IN KONSTANTINOPEL.
meist bestimmt sind, für die Stifter und ihre Familien als Zufluchts-
und Begräbnisstätten zu dienen. Diese Einschränkung der kirch-
lichen Bauthätigkeit trifft mit dem Niedergang des byzantinischen
Reichs zusammen, welcher auf das kurze Aufflackern nach dem
Versuche des Cäsars Bardas,1) durch eine neue Lehranstalt die
Geistesbildung wieder zu heben, folgte, während um dieselbe
Zeit im Abendlande ein bisher ganz unerhörter Eifer erwacht,
allenthalben glänzende Kirchen und Klöster zu errichten, oder die
bestehenden zu vergrößern und reicher und prachtvoller auszu-
statten. Dass dabei byzantinische Vorbilder und Überlieferungen
nicht unwirksam waren, ist genugsam bekannt, aber es fehlt an
Berichten über directe Einwirkungen byzantinischer Vorbilder oder
Künstler, und alles, was man über den Einfluss der Kaiserin
Theophano und ihrer Umgebung gesagt hat, beruht auf mehr
oder weniger wahrscheinlichen Vermuthungen. Selbst die von
Cicognara beigebrachte und mehrfach wiederholte Erzählung von
drei Künstlern, welche aus Constantinopel nach Unteritalien ge-
kommen sein sollen, stammt aus verdächtigen Quellen, die über-
dies nicht von der Zeit der Theophano, sondern von der des
Longobarden-Königs Desiderius sprechen2). Die abendländischen
Kirchen haben bekanntlich im allgemeinen nicht die eigenthüm-
liche Bauart der byzantinischen angenommen. Dagegen sind ein-
zelne byzantinische Formen, wie das Würfelkapitäl, der Lettner,
die Emporkirche,3) zum Theil schon zu der Zeit im Abendlande
eingedrungen und herrschend geworden, als Justinian seine Herr-
schaft wieder über das Gebiet des weströmischen Reiches aus-
breitete.
855-866.
2) Allg. Künstler-Lexikon von Jul. Mayer, B. I, Art. Aldo.
3) Sie heißt in einigen Gegenden von Deutschland Prieche, vielleicht von
περιοχή.