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insofern schon eine unzweifelhafte Verwandtschaft mit dem späteren
Gruppenporträt, als diese Personen zwar der leiblichen Abstammung
nach einander ganz fremd, aber doch zur Durchführung bestimmter
irdischer Zwecke temporär vereinigt waren. Dagegen bleibt noch
der wesentliche Unterschied bestehen, daß diese Figuren ohne die
geringste, sei es auch nur symbolische Wechselbeziehung, jede
im Gefolge ihres privaten Schutzheiligen auftreten und daß ihre
gemeinsame Tätigkeit um Gotteslohn, das heißt aus egoistischen
Gründen, erfolgte, zu dessen Sicherung ihnen ja auch das gemeinsam
gestiftete Bild dienen sollte.
_ Das älteste ]7S ist aber nicht einzusehen, weshalb bei solchen Dispositionen
in Verbindung der niederländischen Kunst nicht schon im XV. Jahrhundert ganze
'""iösen HiTto- Korporationen auf ähnliche Weise in Kultbildern Eingang gefunden
nenbiide: die haben sollten. Durch die Zerstörungen der Bilderstürmer und die
Geertgen van Zerstreuung der erhaltenen altholländischen Werke ist uns ein be-
VteifungerPaus stimmtes Urteil in dieser Richtung heute sehr erschwert. Herr
der Täufer- j)r, Gustav Glück, der diesem Gebiete der Kunstgeschichte seit Jahren

legende im . _ .

Kunsthistori- besonderes Augenmerk zuwendet, hat gleichwohl bisher bloß ein ein-
schen ^Museum zj„es einschlägiges Bild zu verzeichnen gehabt: dasjenige des Geertgeri
tot Sint Jans (Gerrit van Haarlem) mit drei Darstellungen aus der
Täuferlegende, gemalt für die Kommende des Johanniterordens in
Haarlem, gegenwärtig im Kunsthistorischen Museum zu Wien (Taf. I).
Seine Entstehung würde noch tief in das XV. Jahrhundert zurück-
reichen, wenn man den Zeitansätzen van Manders Glauben schenken
dürfte, der das Bild unter der vagen Bezeichnung »eenigh mirakel
oft onghemeen historie« erwähnt hat; es ist aber seit jeher mit Recht,
zuletzt von Dr. Fortunat v. Schubert,1 auf Grund der Kostüme
bemerkt worden, daß das Bild kaum viel vor dem Jahre 1500
gemalt sein könne. Da der Meister anderseits zur Zeit von Dürers
niederländischer Beise schon geraume Weile tot gewesen sein muß,
so ist das fragliche Bild doch wohl zwei bis drei Dezennien vor den
ältesten heute nachgewiesenen reinen Gruppenporträten entstanden.

Es weist in drei diagonalen Streifen übereinander: zu oberst die
Beisetzung der Beste des enthaupteten Täufers, zu unterst die Ver-
brennung seiner Gebeine durch Kaiser Julianus Apostata, in der Mitte
die Auffindung einiger der Vernichtung entgangenen Reliquien durch
die Johanniter, die dieselben in feierlicher Prozession in ihr Kloster
einholen. Uns interessiert hier vornehmlich die letztere Darstellung.
Wir sehen da hinter drei Särgen, von deren mittlerem der Deckel ab-
gehoben ist, eine Gruppe von zwölf Männern: fllnf davon geben sich
durch ein Malteserkreuz auf der linken Seite desMantels alsJohanniter
zu erkennen. Einer derselben langt eben einen Knochen aus dem

I Ein Votivbild des XV. Jahrhunderts, in »Schlesiens Vorzeit in Bild und Schrift«
N. F. I, 103. * Max J. Friedländer, Geertgen van Haarlem nnd Hieronymus Bosch,
Berlin 1927, S. 20 u. f.

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