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breiten Mittelstück (Tafel 7) und zwei schmäleren Flügeln (Tafel 15);
von den letzteren vermutet man jedoch, daß sie erst später zum
Mittelstück hinzugefügt worden seien, und da hiefltr in der Tat
triftige Gründe sprechen, so wollen wir zunächst das Mittelstück allein
ins Auge fassen und die Flügel an späterer Stelle besonders betrachten.

Dieses älteste Schützenstück zeigt also in seinem ursprünglichen
Bestände vom Jahre I52Q 17 bartlose männliche Figuren, mit
Baretten auf den durchwegs dem Beschauer zugewandten Köpfen,
der Höhe nach auf zwei Etagen zu (oben) acht und (unten) neun
Figuren verteilt, der Breite nach ziemlich streng symmetrisch an-
geordnet, so daß die untere (vordere) Figurenreihe in der Scheitel-
linie im Zickzack gebrochen, die obere (hintere) streng horizontal
verläuft. Beide Reihen sind durch eine wandförmige Schranke von-
einander getrennt, über deren Brüstung sich die Figuren der hinteren
Reihe als Halbfiguren erheben; aber auch die vorderen erscheinen als
Halhfiguren, da sie von den Hüften abwärts durch eine Schranke
verdeckt sind, die unterhalb der Brüstung durch den unteren Bild-
rand abgeschnitten wird. Den Hintergrund der vorderen Reihe bildet
die erwähnte Trennungsschranke, denjenigen der hinteren eine
dunkle neutrale Wand. Die Aktionen der Figuren beschränken sich
auf ein Spiel der Hände, das im folgenden noch ausführlich zu
erörtern sein wird.

Aus der Auffassung ist nun jede Spur einer historischen Handlung
als Mittels zur Vereinheitlichung verschwunden. Geertgen glaubte
noch die Auffindung der Gebeine des Täufers zum Vorwande für sein
Gruppenporträt nehmen zu sollen; bei Jan van Scorel bewegten sich
die Figuren in Prozession dem Heiligen Grabe zu, und selbst als dieses
in den späteren Bildern hinweggefallen und mit dem Ziele der
gemeinsamen Bewegung auch diese selbst überflüssig geworden war,
hatte jede Figur ihren Palmzweig beibehalten, der, wiewohl sym-
bolischer Natur, an die gemeinsame Tat aller — die Wallfahrt zum
Heiligen Grabe — erinnerte. Die gemeinsame Handlung war beseitigt,
aber die symbolische Erinnerung an dieselbe geblieben, an der jeder
einzelne gleichmäßig, jedoch zur Erreichung eines rein persönlichen
Zweckes (der ewigen Seligkeit) teilhatte. Das eigentliche holländische
Gruppenporträt konnte aber gerade umgekehrt erst dort beginnen,
wo jeder seine selbständige Rolle spielt, jedoch zugunsten und
Nutzen der Gesamtheit. Dieses Postulat sehen wir zum ersten Male
im Schützenstück des Dirck Jacobsz von 1529 erfüllt. Die Mittel, die
er dazu angewendet hat, sind uns ebenfalls schon von Scorels Bildern
her bekannt: der Symbolismus der physischen Aktionen und die
Einheit der psychischen Äußerungen durch fast ausschließliche
Wendung der Köpfe nach der Seite des Beschauers. Während sich
aber bei Scorel daneben noch die historische Auffassung verriet,
erscheint dieselbe bei Dirck Jacobsz völlig ausgeschaltet.

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