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auf der Stufe, die Frans Hals drei Jahre vorher in seinem ersten
SchUtzenstiick erreicht hatte. Der Amsterdamer verrät sich aber
gegenüber dem Haarlemer Meister durch die Dämpfung des Lust-
gefühls, d. h. durch ein verhältnismäßig strengeres Festhalten an
der Absicht, die Aufmerksamkeit möglichst rein für sich zum Aus-
druck zu bringen. Die Subordination, die jetzt der Professor Uber
einige der Zuhörer gewinnt und die in solchem Grade in Haarlem
noch mehrere Jahrzehnte hindurch nicht möglich gewesen wäre,
erscheint dadurch etwas gemildert, daß dem Vortragenden sonst
durch keinerlei künstlerische Mittel ein besonderes Übergewicht
Uber die anderen eingeräumt wurde: er steht vielmehr mit ihnen
in Reihe und Glied und sein Kopf ist sogar schmächtiger als die-
jenigen der Übrigen gehalten, um dadurch dem Übergewicht des
Hutes, mit dem er allein bedeckt ist, zu begegnen. Besonders charak-
teristisch für de Keyser ist aber die sich schon in diesem frühesten
Bilde verratende Neigung, den Blick lebhaft zu gestalten, worin wir
ihn in seiner weiteren Entwicklung öfters geradezu mit Rubens wett-
eifern sehen können.

Der gleiche entschlossene Zug zur Vereinheitlichung mittels der
Subordination verrät sich in der Komposition. Es ist die erste zentrale
Dreieckskomposition, der wir in der Entwicklung des Gruppen-
porträts begegnen. Das Skelett bildet die strenge Uberhöhte Mittel-
achse, der sich je drei Personen zu beiden Seiten augenfällig sub-
ordinieren. Es ist natürlich bezeichnend für den Holländer, daß diese
beherrschende Funktion nicht einem der Porträtierten und am
wenigsten dem Professor, sondern einem Leblosen — dem Skelette —
eingeräumt ist. Ferner ließ de Keyser die Schenkel des Dreiecks noch
nicht in gleichmäßiger Abschrägung beiderseits vom Scheitel aus ab-
fallen, weshalb die Verbindung zwischen Zentrum und Flügeln noch
hart erscheint: es verrät sich darin das zähe Festhalten an der alt-
holländischen (gotischen) Neigung, die Figuren äußerlich vertika-
listisch voneinander zu isolieren und ihre diagonale Verbindung
(nach Art der klassischen und der italienischen Renaissancekunst) zu
vermeiden. Der Hintergrund ist völlig dunkel; es sollte also kein
raumfüllender Gegenstand der Umgebung den Figuren Konkurrenz
machen. Aber die Schatten, die unter der Hutkrempe des Professors,
im Antlitz des links Sitzenden, der erhobenen Rechten seines Gegen-
über spielen, verraten zur Genüge, daß dieser Meister seine Figuren
trotz ihrer verhältnismäßig harten Modellierung im Zusammenhange
mit der freiräumigen Umgebung gedacht hat.

Der also vollzogene Anschluß an die Haarlemer Lösung von IÖIÖ
konnte die Amsterdamer unmöglich vollständig befriedigen; denn
nach ihrem Wunsche sollten äußere und innere Einheit nicht bloß
beide vorhanden und äußerlich miteinander verbunden sein, sondern
schlechtweg zusammenfallen, so daß die innere Einheit bloß als Aus-

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