wie de Piles, die wesentliche Rechtfertigung (bei allem Bedauern, daß
sie an so gleichgültige Gegenstände gewendet war) für diese merk-
würdige Kunst gegen alle Regel, bei der man doch in manchem Detail,
bei dem vor allen geschätzten Meister —Rembrandt—zur Verwunde-
rung eine gewisse Gesetzlichkeit konstatierte. Erst die Generation um
1850 brachte mit dem Sieg eines sozialfühlenden Bürgertums den
Gedanken zur allgemeinen Anerkennung,1 daß diese Natürlichkeit
mehr sei als Abklatsch — Spiegel einer Idee, die gleichberechtigt ist
neben der Idee der Kunst der italienischen Renaissance, die als höchste
Kunst galt. Nur eines konnte in diesem Rausch der Wertung und
Überwertung der holländischen Kunst noch nicht gefaßt werden, daß
ihrer »Idee« organisch auch eine genau determinierte Wirklichkeit
der Bildstruktur entsprechen mußte. Im Begriff des »Malerischen«
seiner vagen Harmonien war im Grunde alles gebannt, was diese Zeit
von der Magie der gleich der Natur in ihrer Vielfalt unerschöpflichen
Kunst als Strukturprinzip fassen konnte, da auch für sie noch die
dogmatische Ästhetik den Kanon für Gesetze des Bildaufbaues gab, und
da, wo dieser nicht berücksichtigt war, auch für sie noch etwas Un-
faßbares, anarchisch Freies zu herrschen schien. Ansätze zu einer Stil-
analyse finden sich daher nur dort, wo die Bindung an die dogmatische
Ästhetik schwächer war, etwa bei Fragen der farbigen Komposition,
für die manche Kriterien sich aus Praxis und Tradition der gleich-
zeitigen Malerei ergaben. Das wesentlichste Verdienst dieser Zeit
liegt neben der Tatsache, daß sie die »Idee« der holländischen Kunst
zur Anerkennung brachte, in der Untersuchung und Klarstellung
der ethnischen und soziologischen Voraussetzungen dieser Kunst.
Diese Stellung zur holländischen Kunst gilt im Grunde noch für die
Riegl gleichaltrigen Forscher, die im einzelnen so viel zur Kenntnis
holländischer Kunst beigetragen haben, deren Tendenz aber mehr auf
Konstatierung von Meisternamen, auf Fundamentierung durch Ort-
und Zeitnachweise gerichtet ist. Der Feststellung der individuellen
Anlässe der Werke gilt ihre Forschung, Künstlerviten nicht Stil-
geschichte sind das letzte Resultat ihrer Bemühungen. Der organische
Aufbau des einzelnen Werkes, wie dessen »selbstverständliche«
Einordnung in den gegeben historischen Zusammenhang wird ihnen
kaum Problem, gefesselt von dem unübersehbaren Reichtum an
Einzelheiten.
Es ist Riegls Tat, hier den entscheidenden Schritt getan zu haben.
Er hat als erster die Möglichkeit geschaffen, die organische Struktur
1 Les musees de la Hollande von W. Burger-Thore, les maitres d'autrefois von
E. Fromentin und H. Taine »Philosophie de Fart« sind als die entscheidenden Werke
dieses Abschnittes zu nennen. Die Geschichte des Kampfes, um die Idee der holländischen
Kunst im einzelnen darzustellen, liegt außerhalb des gegebenen Rahmens dieses Nach-
wortes. Nur auf Schnaase (und seine niederländischen Briefe) als dem einzigen legitimen
Vorläufer Riegls sei hingewiesen.
284
sie an so gleichgültige Gegenstände gewendet war) für diese merk-
würdige Kunst gegen alle Regel, bei der man doch in manchem Detail,
bei dem vor allen geschätzten Meister —Rembrandt—zur Verwunde-
rung eine gewisse Gesetzlichkeit konstatierte. Erst die Generation um
1850 brachte mit dem Sieg eines sozialfühlenden Bürgertums den
Gedanken zur allgemeinen Anerkennung,1 daß diese Natürlichkeit
mehr sei als Abklatsch — Spiegel einer Idee, die gleichberechtigt ist
neben der Idee der Kunst der italienischen Renaissance, die als höchste
Kunst galt. Nur eines konnte in diesem Rausch der Wertung und
Überwertung der holländischen Kunst noch nicht gefaßt werden, daß
ihrer »Idee« organisch auch eine genau determinierte Wirklichkeit
der Bildstruktur entsprechen mußte. Im Begriff des »Malerischen«
seiner vagen Harmonien war im Grunde alles gebannt, was diese Zeit
von der Magie der gleich der Natur in ihrer Vielfalt unerschöpflichen
Kunst als Strukturprinzip fassen konnte, da auch für sie noch die
dogmatische Ästhetik den Kanon für Gesetze des Bildaufbaues gab, und
da, wo dieser nicht berücksichtigt war, auch für sie noch etwas Un-
faßbares, anarchisch Freies zu herrschen schien. Ansätze zu einer Stil-
analyse finden sich daher nur dort, wo die Bindung an die dogmatische
Ästhetik schwächer war, etwa bei Fragen der farbigen Komposition,
für die manche Kriterien sich aus Praxis und Tradition der gleich-
zeitigen Malerei ergaben. Das wesentlichste Verdienst dieser Zeit
liegt neben der Tatsache, daß sie die »Idee« der holländischen Kunst
zur Anerkennung brachte, in der Untersuchung und Klarstellung
der ethnischen und soziologischen Voraussetzungen dieser Kunst.
Diese Stellung zur holländischen Kunst gilt im Grunde noch für die
Riegl gleichaltrigen Forscher, die im einzelnen so viel zur Kenntnis
holländischer Kunst beigetragen haben, deren Tendenz aber mehr auf
Konstatierung von Meisternamen, auf Fundamentierung durch Ort-
und Zeitnachweise gerichtet ist. Der Feststellung der individuellen
Anlässe der Werke gilt ihre Forschung, Künstlerviten nicht Stil-
geschichte sind das letzte Resultat ihrer Bemühungen. Der organische
Aufbau des einzelnen Werkes, wie dessen »selbstverständliche«
Einordnung in den gegeben historischen Zusammenhang wird ihnen
kaum Problem, gefesselt von dem unübersehbaren Reichtum an
Einzelheiten.
Es ist Riegls Tat, hier den entscheidenden Schritt getan zu haben.
Er hat als erster die Möglichkeit geschaffen, die organische Struktur
1 Les musees de la Hollande von W. Burger-Thore, les maitres d'autrefois von
E. Fromentin und H. Taine »Philosophie de Fart« sind als die entscheidenden Werke
dieses Abschnittes zu nennen. Die Geschichte des Kampfes, um die Idee der holländischen
Kunst im einzelnen darzustellen, liegt außerhalb des gegebenen Rahmens dieses Nach-
wortes. Nur auf Schnaase (und seine niederländischen Briefe) als dem einzigen legitimen
Vorläufer Riegls sei hingewiesen.
284