in der geistreichsten Weise zu verhüllen gewußt hat. Der Subjektivis-
mus ist anscheinend ein vollständiger, was die Begeisterung der
Modernen (z. B. Fromentins) für Terborch beweist: das Erfahrungs-
bewußtsein des Beschauers wird dadurch dermaßen intim beschäftigt,
daß er die Szenen persönlich mitzuerleben wähnt.
Die Kunst Terborchs scheint somit die reifste und vollkommenste
Phase der holländischen Kunst zu repräsentieren. Und in der Tat:
die Aufmerksamkeit tritt uns darin in solcher Vollkommenheit des
Ausdrucks entgegen wie niemals zuvor, aber zugleich auch in einer
Individualisierung wie niemals vorher und verrät uns durch letzteres,
daß sie nur scheinbar eine solche, d. h. eine interesselose ist und
daß dahinter ein selbstisches Moment — eine geheime Lust —
verborgen steckt, das eben mit jeder Individualisierung untrennbar
verbunden ist, weil es geradezu das Wesen der Individualität aus-
macht. Es ergibt sich daraus, das die Kunst Terborchs, wenn sie
einerseits den Gipfelpunkt der holländischen Kunstentwicklung er-
reicht zu haben scheint, anderseits sich von dem Urideal der hol-
ländischen Kunst — der selbstlosen Aufmerksamkeit — weiter ent-
fernt hat als irgendeine frühere Phase derselben. Und dies wird uns
bestätigt durch die Wahrnehmung, daß den Terborchschen Bildern
nicht allein das Mitgefühl fehlt, das aus Rembrandts Schöpfungen
so ergreifend spricht, sondern auch der Humor, mit dem Frans Hals
die Vergnügungssucht seiner lebenslustigen Schützen verklärt, ja sogar
die Gemütlichkeit, die seit Geertgen van Haarlem das spezifische psy-
chische Merkmal dieser Germanen gegenüber den romanischen
Typen gewesen war. Der Auffassung der Terborchschen Novellen
liegt etwas Atzendes, Sarkastisches zugrunde: der Meister spottet
über die geheimen Leidenschaften seiner Mitmenschen und fordert
den Beschauer auf, das gleiche zu tun, während noch Adrian van
Ostade für seine unflätigen Bauern auf Nachsicht plädierte, da sie ja
doch nicht anders könnten. Terborch ist der Maler jenes geistreichen
Egoismus, der die Erkenntnis der Schwächen anderer nicht gemein-
menschlich zu erklären versucht, sondern sie dazu ausnützt, um selbst-
herrlich Uber sie zu triumphieren. Es ist dies bekanntlich die psy-
chische Art des nordfranzösischen Volkes, und wenn wir so bereits
den letzten großen, selbständigen holländischen Hauptmeister in die
Bahnen französischer Auffassung einlenken sehen, wird uns das
Schicksal verständlicher, dem die holländische Malerei im letzten
Drittel des XVII. Jahrhunderts anheimfiel: die eigene logische Ent-
wicklung macht es zu einem unabwendbaren.
Die Komposition des Regentenstückes des Jan de Bray von I6Ö7
zeigt uns die Figuren als vollkommene optische Erscheinungen im
Freiraume, aber ohne deutlichere Individualisierung dieser räumlichen
Umgebung. Auch dies erinnert an die Weise Terborchs, der die Dar-
stellung des Luftraumes durchaus beherrscht, ihn aber nur um der
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mus ist anscheinend ein vollständiger, was die Begeisterung der
Modernen (z. B. Fromentins) für Terborch beweist: das Erfahrungs-
bewußtsein des Beschauers wird dadurch dermaßen intim beschäftigt,
daß er die Szenen persönlich mitzuerleben wähnt.
Die Kunst Terborchs scheint somit die reifste und vollkommenste
Phase der holländischen Kunst zu repräsentieren. Und in der Tat:
die Aufmerksamkeit tritt uns darin in solcher Vollkommenheit des
Ausdrucks entgegen wie niemals zuvor, aber zugleich auch in einer
Individualisierung wie niemals vorher und verrät uns durch letzteres,
daß sie nur scheinbar eine solche, d. h. eine interesselose ist und
daß dahinter ein selbstisches Moment — eine geheime Lust —
verborgen steckt, das eben mit jeder Individualisierung untrennbar
verbunden ist, weil es geradezu das Wesen der Individualität aus-
macht. Es ergibt sich daraus, das die Kunst Terborchs, wenn sie
einerseits den Gipfelpunkt der holländischen Kunstentwicklung er-
reicht zu haben scheint, anderseits sich von dem Urideal der hol-
ländischen Kunst — der selbstlosen Aufmerksamkeit — weiter ent-
fernt hat als irgendeine frühere Phase derselben. Und dies wird uns
bestätigt durch die Wahrnehmung, daß den Terborchschen Bildern
nicht allein das Mitgefühl fehlt, das aus Rembrandts Schöpfungen
so ergreifend spricht, sondern auch der Humor, mit dem Frans Hals
die Vergnügungssucht seiner lebenslustigen Schützen verklärt, ja sogar
die Gemütlichkeit, die seit Geertgen van Haarlem das spezifische psy-
chische Merkmal dieser Germanen gegenüber den romanischen
Typen gewesen war. Der Auffassung der Terborchschen Novellen
liegt etwas Atzendes, Sarkastisches zugrunde: der Meister spottet
über die geheimen Leidenschaften seiner Mitmenschen und fordert
den Beschauer auf, das gleiche zu tun, während noch Adrian van
Ostade für seine unflätigen Bauern auf Nachsicht plädierte, da sie ja
doch nicht anders könnten. Terborch ist der Maler jenes geistreichen
Egoismus, der die Erkenntnis der Schwächen anderer nicht gemein-
menschlich zu erklären versucht, sondern sie dazu ausnützt, um selbst-
herrlich Uber sie zu triumphieren. Es ist dies bekanntlich die psy-
chische Art des nordfranzösischen Volkes, und wenn wir so bereits
den letzten großen, selbständigen holländischen Hauptmeister in die
Bahnen französischer Auffassung einlenken sehen, wird uns das
Schicksal verständlicher, dem die holländische Malerei im letzten
Drittel des XVII. Jahrhunderts anheimfiel: die eigene logische Ent-
wicklung macht es zu einem unabwendbaren.
Die Komposition des Regentenstückes des Jan de Bray von I6Ö7
zeigt uns die Figuren als vollkommene optische Erscheinungen im
Freiraume, aber ohne deutlichere Individualisierung dieser räumlichen
Umgebung. Auch dies erinnert an die Weise Terborchs, der die Dar-
stellung des Luftraumes durchaus beherrscht, ihn aber nur um der
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