Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
V. Vermittlungsbemühungen:
Herakles als der Vertreter Thebens

In der griechischen Götter- und Heroenwelt klassischer Zeit spielte Herakles eine
herausgehobene Rolle: Keine andere Gestalt war als individuelle wie kollektive
Identifikationsfigur derart populär wie er. Dies zeigt besonders deutlich der Um-
stand, daß sich auf ihn gerade auch jene drei Staaten beriefen, die, einander ab-
lösend, die Politik im Griechenland des 4. Jahrhunderts maßgeblich bestimmten:
Sparta, Theben und das makedonische Königreich. Während Sparta bis in hellenisti-
sche Zeit keine eigenen Münzen prägte, nutzten sowohl die Thebaner als auch die
makedonischen Könige dieses Medium, um ihre enge Verbindung mit Herakles zu
demonstrieren.
Die thebanischen Münzbilder des 5. und 4. Jahrhunderts sind deshalb von beson-
derem Interesse, weil sie eine ungewöhnliche Vielfalt an Herakles-Darstellungen
zeigen; kaum anderswo sonst begegnet auf den Münzen eines Staates dieselbe gött-
liche oder heroische Figur in derart unterschiedlichen Motiven. Dies fordert zu der
Frage heraus, was sich aus den Bildern für die Rolle und Bedeutung des thebani-
schen Herakles gewinnen läßt.
Einem solchen Vorhaben sind freilich dadurch gewisse Grenzen gesetzt, daß die
grundlegende Arbeit zu den thebanischen und böotischen Münzen noch immer die
Untersuchung von B. V. Head aus dem Jahre 1881 ist399 und, mangels umfassender
neuerer Arbeiten, zentrale Fragen wie die nach der Abfolge und Datierung der
einzelnen Emissionen noch der Klärung harren. Wenn sich auch einzelne der von
Head postulierten chronologischen Fixpunkte mittlerweile als fragwürdig erwiesen
haben, so gibt es aber keinen Anlaß, die von ihm begründete Periodisierung grund-
sätzlich in Zweifel zu ziehen400. Der Umstand, daß die thebanischen und böotischen
Münzen einstweilen nur in größeren Gruppen zusammengefaßt untersucht werden
können, schränkt die Möglichkeit, ihre Bilder in ihrem spezifischen historischen
Kontext zu interpretieren, zwar ein. Dies ist aber kein Hinderungsgrund, die Darstel-
lungen des Herakles einer vergleichenden Betrachtung zu unterziehen und die über-
fällige, bislang allenfalls sehr punktuell aufgeworfene Frage nach ihrem Aussage-
wert zu stellen.
Zunächst soll anhand der einzelnen Münzen untersucht werden, was sich zum
einen aus dem Spektrum an jeweils gleichzeitigen Bildern, zum anderen aus motivi-
schen Veränderungen und Akzentverschiebungen hinsichtlich der Bedeutung des
Herakles für Theben gewinnen läßt. Danach gibt die - wegen der exponierten Rolle

102
 
Annotationen