es nicht der Maler selbst sei, der sich hier gemalt habe, sondern
als ob er - gerade in eine lebhafte Debatte verstrickt - einem
Kollegen Modell sitze. Der Anschein von Objektivität, der da-
durch vermittelt werden soll, hatte gewiß mehrere Ziele, darun-
ter wohl auch das, die Selbstinszenierung nicht zu deutlich wer-
den zu lassen. Bei der Anlage des Bildnisses, das aufgrund seiner
rhetorischen Gestik und seiner Blickwendung nicht unbedingt
als Selbstbildnis erkennbar ist, könnte dieser Aspekt durchaus
eine Rolle gespielt haben. Tatsächlich aber ist es gerade diese
Vorspiegelung von Objektivität, die sich als Inszenierung offen-
bart. Der Ort, für den das Selbstbildnis bestimmt war, forderte
Mengs offenbar zu dieser programmatischen Konzeption heraus.
Sie zeigte sich auch daran, daß das Bildnis auf Wunsch des
Künstlers unter das Selbstbildnis Raffaels gehängt wurde. Angeb-
lich hatte Mengs ursprünglich sogar vorgehabt, sein Bildnis mit
einem Porträt Raffaels zu kombinieren.118 Jedenfalls war der Be-
zug zu Raffael mit Bedacht gewählt und sollte seinen Anspruch
veranschaulichen, als Exponent der römischen Schule und als
moderner Raffael zu gelten. In diesem Kontext gewinnt das Mo-
tiv der Hand auf der Zeichenmappe seine eigentliche Aussage, da
es auf die Beherrschung der Zeichnung verweist, die als Erken-
nungsmerkmal der römischen Schule galt.
Das Porträt von Mengs hatte für die Florentiner Sammlung
der Künstlerbildnisse eine deutliche Signalwirkung (s. a. S. 297).
Welcher Rang dem Bildnis - vielleicht auch aufgrund seiner
Hängung unter dem Bildnis Raffaels - zukam, geht aus dem
Schreiben des Galeriedirektors Pelli an Joshua Reynolds vom
1.9. 1774 hervor. Pelli weist hier darauf hin, daß es eine Bestim-
mung gebe, wonach die Bildnisse lebender Maler nicht aufge-
hängt würden und daß davon nur die besten Maler ausgenom-
men wären.119 Reynolds hatte infolgedessen großes Interesse
daran, daß auch sein Bildnis in die Florentiner Sammlung ge-
langte und er dürfte sehr befriedigt gewesen sein, als er ver-
nahm, daß sein Bildnis Mengs den Rang streitig machte (s. Bd.l,
Kat. Nr. 275, Dok. 12). Daß der Vergleich zwischen den Bildnissen
von Mengs und Reynolds für die Besucher der Galerie so attrak-
tiv war,120 hing spätestens ab 1783 mit der durch Azara ange-
heizten Rivalität der beiden Maler zusammen, die in ihrem
künstlerischen Programm verwandter waren als von Azara und
Cumberland wahrgenommen wurde. Die z. T. mit polemischer
Schärfe vorgetragene Polarisierung zwischen den beiden
Malern121 hing u. a. damit zusammen, daß sie zunehmend als
Exponenten nationaler Schulen verstanden wurden. Auch Ba-
toni, der am ehesten das Recht darauf gehabt hätte, als Exponent
der römischen Schule zu gelten, erklärte nun seine Bereitschaft,
sein Bildnis zu liefern und kündigte an, sich für die Abmessun-
gen an dem Porträt von Mengs zu orientieren. Sein Bildnis, das
unvollendet blieb, gelangte jedoch erst nach seinem Tod in die
Galerie.122
Nicht nur in Florenz erlebte das Künstlerbildnis in den letzten
Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts eine Renaissance. Die Accade-
mia di San Luca in Rom baute ihre Sammlung von Künstlerbild-
nissen aus,123 und auch andernorts in Europa entstanden ähnli-
che, wenn auch kleinere Sammlungen, so z. B. die des Grafen
Firmian in Leopoldskron bei Salzburg oder die des Wiener Ma-
lers Kremser Schmidt.124 Das Interesse des Publikums am Ei-
genbildnis des Künstlers nahm bis dahin unbekannte Ausmaße
an. Die Gründe für diese gegen Ende des 18. Jahrhunderts auf-
tretende Vorliebe für das Bildnis und für das Selbstbildnis des
Künstlers sind noch nicht zusammenhängend untersucht wor-
den.125 Auch Mengs’ Selbstbildnisse bzw. ihre Nachstiche und
Kopien erfuhren eine große Nachfrage und Verbreitung und sind
Zeugnisse des Ruhmes, den er zwischen 1770 und ca. 1800 in
Europa genoß. Neben dem Uffizien-Bildnis waren das der
Sammlung Firmian und das von Carmona gestochene Bildnis
die am häufigsten kopierten Porträts. Dazu kommen Nachstiche
und viele authentische Darstellungen des Künstlers, des weite-
ren eine beträchtliche Anzahl von fälschlich als Porträts des Ma-
lers ausgegebenen Bildnissen. Die Tätigkeit der deutschen Aka-
demien zog eine große Zahl von Dilettanten und mittleren
Talenten heran, die sich in Scharen in die Galerien ergossen und
dort vor allem das kopierten, was ihnen durch den Unterricht im
Ohr und im Gedächtnis hängen geblieben war.126
Wegen seiner Schriften und wegen seiner zahlreichen Schüler
und Anhänger, die zum großen Teil an diesen Akademien lehr-
ten, gehörte Mengs mindestens bis 1800 zum Kanon der bildnis-
würdigen Künstler. Die nahezu ikonenartige Vervielfältigung
seiner Bildnisse (Abb. V-22 und V-23) zeigt, daß die Identifika-
tion mit einem Vorbild vor allem über das Konterfei erfolgte.
Die Kopien nach seinen Selbstbildnissen, die zwischen 1780 und
1810 Hochkonjunktur hatten, gehören bereits in die Epoche der
»Bildempfindsamkeit« romantischer Prägung, als der »Bildvor-
wurf individuelle Bezugsetzungen« unterschiedlicher Wertigkeit
aktivieren konnte.127 Eine fast unvermeidliche Folge der Kopien,
deren Vorlagen z. T. bereits wieder Stiche oder Kopien waren,
war nicht nur die Abnutzung der »Ikone«, sondern deren physio-
gnomische Entstellung. Mengs war sich dieser Gefahr der schon
zu seinen Lebzeiten vorhandenen Nachfrage bewußt, als er Kri-
tik an Cunegos Stich (Abb. V-23) nach dem Uffizien-Porträt übte,
weil der Stecher als Vorlage nicht das Original, sondern eine Ko-
pie benutzt hatte.128 Da sich das Bildnis an einem Ort befand, an
dem, wie Mengs aus eigener Erfahrung wußte, viel kopiert
wurde, war es ihm wichtig, eine gute graphische Reproduktion
in Umlauf zu bringen, was jedoch mißlang.129 Einige Jahre spä-
ter, als er in seinem Atelier sein Bildnis durch einen Schüler ko-
pieren ließ, beklagte er sich bei Guibal über diesen Mangel und
beschloß, die Kopie wenigstens durch eigene Retuschen zu ver-
bessern (s. biogr. Dok. 6.3. 1779).
In ähnlicher Weise wie Mengs die Vermischung der Kunst mit
Motiven des alltäglichen Lebens ablehnte, blendete er aus sei-
nem Schaffen auch die Kategorie der Selbstdarstellung aus, die
in die Richtung des portrait historiee weist. Charakteristisch
hierfür ist seine Reaktion auf das Ansinnen des polnischen Kö-
nigs Stanislaw Augustus, der von Mengs ein von ihm höchst per-
sönlich entworfenes Sujet wünschte, in dem der Maler sein eige-
nes Bildnis neben einem allegorischen Porträt des Papstes
darstellen sollte (s. biogr. Dok. 15.6. 1777).130 Mengs lehnte so-
wohl die Allegorisierung des Papstbildnisses ab, wie auch die
Einfügung seines eigenen Porträts in eine solche Komposition,
die ihm offenbar monströs erschien.131 Er war der Ansicht, daß
Batoni für einen solchen Auftrag der besser geeignete Maler sei,
und er versicherte, daß er jede Art von Auftrag gern entgegen-
nehmen werde, wenn nur keine Bildnisse in modernen Gewän-
dern zu malen seien.132
402 Nachruhm, Nachleben und Wirkung
als ob er - gerade in eine lebhafte Debatte verstrickt - einem
Kollegen Modell sitze. Der Anschein von Objektivität, der da-
durch vermittelt werden soll, hatte gewiß mehrere Ziele, darun-
ter wohl auch das, die Selbstinszenierung nicht zu deutlich wer-
den zu lassen. Bei der Anlage des Bildnisses, das aufgrund seiner
rhetorischen Gestik und seiner Blickwendung nicht unbedingt
als Selbstbildnis erkennbar ist, könnte dieser Aspekt durchaus
eine Rolle gespielt haben. Tatsächlich aber ist es gerade diese
Vorspiegelung von Objektivität, die sich als Inszenierung offen-
bart. Der Ort, für den das Selbstbildnis bestimmt war, forderte
Mengs offenbar zu dieser programmatischen Konzeption heraus.
Sie zeigte sich auch daran, daß das Bildnis auf Wunsch des
Künstlers unter das Selbstbildnis Raffaels gehängt wurde. Angeb-
lich hatte Mengs ursprünglich sogar vorgehabt, sein Bildnis mit
einem Porträt Raffaels zu kombinieren.118 Jedenfalls war der Be-
zug zu Raffael mit Bedacht gewählt und sollte seinen Anspruch
veranschaulichen, als Exponent der römischen Schule und als
moderner Raffael zu gelten. In diesem Kontext gewinnt das Mo-
tiv der Hand auf der Zeichenmappe seine eigentliche Aussage, da
es auf die Beherrschung der Zeichnung verweist, die als Erken-
nungsmerkmal der römischen Schule galt.
Das Porträt von Mengs hatte für die Florentiner Sammlung
der Künstlerbildnisse eine deutliche Signalwirkung (s. a. S. 297).
Welcher Rang dem Bildnis - vielleicht auch aufgrund seiner
Hängung unter dem Bildnis Raffaels - zukam, geht aus dem
Schreiben des Galeriedirektors Pelli an Joshua Reynolds vom
1.9. 1774 hervor. Pelli weist hier darauf hin, daß es eine Bestim-
mung gebe, wonach die Bildnisse lebender Maler nicht aufge-
hängt würden und daß davon nur die besten Maler ausgenom-
men wären.119 Reynolds hatte infolgedessen großes Interesse
daran, daß auch sein Bildnis in die Florentiner Sammlung ge-
langte und er dürfte sehr befriedigt gewesen sein, als er ver-
nahm, daß sein Bildnis Mengs den Rang streitig machte (s. Bd.l,
Kat. Nr. 275, Dok. 12). Daß der Vergleich zwischen den Bildnissen
von Mengs und Reynolds für die Besucher der Galerie so attrak-
tiv war,120 hing spätestens ab 1783 mit der durch Azara ange-
heizten Rivalität der beiden Maler zusammen, die in ihrem
künstlerischen Programm verwandter waren als von Azara und
Cumberland wahrgenommen wurde. Die z. T. mit polemischer
Schärfe vorgetragene Polarisierung zwischen den beiden
Malern121 hing u. a. damit zusammen, daß sie zunehmend als
Exponenten nationaler Schulen verstanden wurden. Auch Ba-
toni, der am ehesten das Recht darauf gehabt hätte, als Exponent
der römischen Schule zu gelten, erklärte nun seine Bereitschaft,
sein Bildnis zu liefern und kündigte an, sich für die Abmessun-
gen an dem Porträt von Mengs zu orientieren. Sein Bildnis, das
unvollendet blieb, gelangte jedoch erst nach seinem Tod in die
Galerie.122
Nicht nur in Florenz erlebte das Künstlerbildnis in den letzten
Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts eine Renaissance. Die Accade-
mia di San Luca in Rom baute ihre Sammlung von Künstlerbild-
nissen aus,123 und auch andernorts in Europa entstanden ähnli-
che, wenn auch kleinere Sammlungen, so z. B. die des Grafen
Firmian in Leopoldskron bei Salzburg oder die des Wiener Ma-
lers Kremser Schmidt.124 Das Interesse des Publikums am Ei-
genbildnis des Künstlers nahm bis dahin unbekannte Ausmaße
an. Die Gründe für diese gegen Ende des 18. Jahrhunderts auf-
tretende Vorliebe für das Bildnis und für das Selbstbildnis des
Künstlers sind noch nicht zusammenhängend untersucht wor-
den.125 Auch Mengs’ Selbstbildnisse bzw. ihre Nachstiche und
Kopien erfuhren eine große Nachfrage und Verbreitung und sind
Zeugnisse des Ruhmes, den er zwischen 1770 und ca. 1800 in
Europa genoß. Neben dem Uffizien-Bildnis waren das der
Sammlung Firmian und das von Carmona gestochene Bildnis
die am häufigsten kopierten Porträts. Dazu kommen Nachstiche
und viele authentische Darstellungen des Künstlers, des weite-
ren eine beträchtliche Anzahl von fälschlich als Porträts des Ma-
lers ausgegebenen Bildnissen. Die Tätigkeit der deutschen Aka-
demien zog eine große Zahl von Dilettanten und mittleren
Talenten heran, die sich in Scharen in die Galerien ergossen und
dort vor allem das kopierten, was ihnen durch den Unterricht im
Ohr und im Gedächtnis hängen geblieben war.126
Wegen seiner Schriften und wegen seiner zahlreichen Schüler
und Anhänger, die zum großen Teil an diesen Akademien lehr-
ten, gehörte Mengs mindestens bis 1800 zum Kanon der bildnis-
würdigen Künstler. Die nahezu ikonenartige Vervielfältigung
seiner Bildnisse (Abb. V-22 und V-23) zeigt, daß die Identifika-
tion mit einem Vorbild vor allem über das Konterfei erfolgte.
Die Kopien nach seinen Selbstbildnissen, die zwischen 1780 und
1810 Hochkonjunktur hatten, gehören bereits in die Epoche der
»Bildempfindsamkeit« romantischer Prägung, als der »Bildvor-
wurf individuelle Bezugsetzungen« unterschiedlicher Wertigkeit
aktivieren konnte.127 Eine fast unvermeidliche Folge der Kopien,
deren Vorlagen z. T. bereits wieder Stiche oder Kopien waren,
war nicht nur die Abnutzung der »Ikone«, sondern deren physio-
gnomische Entstellung. Mengs war sich dieser Gefahr der schon
zu seinen Lebzeiten vorhandenen Nachfrage bewußt, als er Kri-
tik an Cunegos Stich (Abb. V-23) nach dem Uffizien-Porträt übte,
weil der Stecher als Vorlage nicht das Original, sondern eine Ko-
pie benutzt hatte.128 Da sich das Bildnis an einem Ort befand, an
dem, wie Mengs aus eigener Erfahrung wußte, viel kopiert
wurde, war es ihm wichtig, eine gute graphische Reproduktion
in Umlauf zu bringen, was jedoch mißlang.129 Einige Jahre spä-
ter, als er in seinem Atelier sein Bildnis durch einen Schüler ko-
pieren ließ, beklagte er sich bei Guibal über diesen Mangel und
beschloß, die Kopie wenigstens durch eigene Retuschen zu ver-
bessern (s. biogr. Dok. 6.3. 1779).
In ähnlicher Weise wie Mengs die Vermischung der Kunst mit
Motiven des alltäglichen Lebens ablehnte, blendete er aus sei-
nem Schaffen auch die Kategorie der Selbstdarstellung aus, die
in die Richtung des portrait historiee weist. Charakteristisch
hierfür ist seine Reaktion auf das Ansinnen des polnischen Kö-
nigs Stanislaw Augustus, der von Mengs ein von ihm höchst per-
sönlich entworfenes Sujet wünschte, in dem der Maler sein eige-
nes Bildnis neben einem allegorischen Porträt des Papstes
darstellen sollte (s. biogr. Dok. 15.6. 1777).130 Mengs lehnte so-
wohl die Allegorisierung des Papstbildnisses ab, wie auch die
Einfügung seines eigenen Porträts in eine solche Komposition,
die ihm offenbar monströs erschien.131 Er war der Ansicht, daß
Batoni für einen solchen Auftrag der besser geeignete Maler sei,
und er versicherte, daß er jede Art von Auftrag gern entgegen-
nehmen werde, wenn nur keine Bildnisse in modernen Gewän-
dern zu malen seien.132
402 Nachruhm, Nachleben und Wirkung