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digt.418 Der polemische Ton, in dem Falconet sich über Winckel-
mann und dessen Lob für Mengs geäußert hatte, veranlaßte letz-
teren zu der Feststellung, man könne auch gute Bücher schrei-
ben, ohne diesen oder jenen Autor des Irrtums zu zeihen. In
Falconets Brief zeigt sich der für die Aufklärung so typische
Geist der Rhetorik, den Azara in seinem hartnäckigen und daher
aggressiven und polemischen Kampf gegen die ausgefahrenen
Bahnen der Kunstschriftstellerei attackierte.419 Azaras Brief-
wechsel mit Bodoni legt allerdings offen, daß auch er sich - wie
viele seiner schreibenden Zeitgenossen - mit Lust und Freude
an diesen vor der Öffentlichkeit ausgetragenen Schaukämpfen
beteiligte und wie sehr es ihn befriedigte, endlich eine Gelegen-
heit zu finden, Falconet angreifen zu können, der sich seinerseits
abschätzig über ihn geäußert hatte.420
Gemessen an den heftigen Reaktionen auf die Publikation
Azaras in der römischen und spanischen Öffentlichkeit fand die
Edition der Schriften von Mengs in Deutschland und in Frank-
reich ein weniger pointiertes Echo. Hier ging es vordringlich da-
rum, daß die Texte überhaupt zugänglich gemacht wurden.
Azara hatte bereits 1781 Informationen darüber, daß in Deutsch-
land eine Publikation der Schriften von Mengs erscheinen
sollte.421 Bei der ersten deutschen Übersetzung, die 1781 und
1782 in mehreren Lieferungen in Jagemanns »Magazin der Ita-
lienischen Litteratur und Künste« veröffentlicht wurde, handelte
es sich aber nur um Auszüge. Die Übersetzungen stammten of-
fenbar von Jagemann selbst,422 der längere Zeit in Rom gelebt
hatte.423 Eine vollständige Ausgabe der Schriften auf der Basis
der Bodoni-Edition kam jedoch erst 1786 durch Prange zu-
stande. Da sie keine unpublizierten Texte von Mengs enthält,
braucht hier nicht weiter auf sie eingegangen zu werden.424
Prange standen allerdings weitere Manuskripte zur Verfügung,
so daß er an die Herausgabe eines vierten Bandes dachte,425 der
aber nicht zustande kam.426 Pranges Hauptanteil an der Publika-
tion war die sprachliche Bereinigung der »Gedanken«, die er in
eine moderne Fassung brachte, die vermutlich auf der italieni-
schen Version beruht, die Azara abgedruckt hatte.
Die wichtigsten Zusätze, die er gegenüber Azaras Edition ein-
brachte, erklären sich aus den zu dieser Zeit bereits vorliegen-
den französischen Ausgaben. Es handelt sich hierbei um die
»Untersuchung dessen, was man in den Künsten das »‘Je ne sais
quoi’ nennt« und um die Materialsammlung »Von den verschied-
nen Schulen in der Malerei«. Beide Schriften kamen von Guibal
und gehören zu jener Art von Texten, die aus den mehr oder we-
niger genauen Mitschriften der Schüler hervorgingen, über die
Fea berichtet.427 Besonders bei Guibal, der als Stuttgarter Aka-
demiedirektor einen beachtlichen theoretischen und pädagogi-
schen Eifer entwickelte,428 verwundert diese freie Umsetzung
der einst von Mengs geäußerten Gedanken nicht. Daß er die
Schriften als Werke von Mengs ausgab, erklärt sich vermutlich
daraus, daß er in ihnen die Vorstellungen des Meisters wieder-
fand. Möglicherweise hatte das Gespräch zwischen Guibal und
Mengs tatsächlich den Verlauf, den die kleine Schrift über das
»Je ne sais quoi« festhält, die von Prange in die deutsche Aus-
gabe übernommen wurde.429 In ihr wurde ein Begriff der fran-
zösischen Kunsttheorie diskutiert,430 der zur Zeit von Guibals
Romaufenthalt noch eine gewisse Aktualität besaß. Die Ableh-
nung des Begriffes von Mengs als Hilfe zur Beurteilung der

Kunstwerke entsprach seinen Prinzipien von der Erklärbarkeit
des Kunstschönen.431
Zwischen 1781 und 1786 erschienen drei unterschiedliche
französische Ausgaben, von denen nur die dritte genau der
Azara-Edition von 1783 folgte.432 Die zweite Edition der Schrif-
ten stammte von Doray de Longrais und war von Mengs z.T.
noch autorisiert worden (s. biogr. Dok. 2.1. und 28.4. 1778), ent-
hielt aber bei ihrem Erscheinen auch die beiden erwähnten
Texte, die Guibal beigesteuert hatte. Eine weitere französische
Übersetzung des französischen Gelehrten F. J. G. de La Porte du
Theil wurde nicht zur Drucklegung befördert. Sie befindet sich
unter den nachgelassenen Papieren des Autors in der Pariser Bi-
bliotheque Nationale.433 La Porte du Theil hielt sich ab 1776 für
mehrere Jahre in Rom auf und hat die Übersetzung 1781 unter
den Augen Azaras und wohl auch Milizias dort erarbeitet. Mögli-
cherweise war es sogar Azara selbst, der die Übersetzung ange-
regt oder in Auftrag gegeben hatte.434 Der gleiche Band enthält
eine zweite französische Fassung der Übersetzung, die nicht von
La Porte du Theil stammt und die wohl aufgrund der in italieni-
scher Sprache ausgeführten Korrekturen am ersten Manuskript
angefertigt wurde 435 Auch zwei weitere italienische Texte, die
zur Übersetzung bestimmt waren, befinden sich im gleichen
Konvolut, und zwar das Manuskript der »Osservazioni« Azaras
und der »Saggio sulla Bellezza e sul gusto della pittura«, mithin
die italienische Fassung der »Gedanken«. Anscheinend handelt
es sich bei beiden Texten um die von Azara für seinen Druck
benutzten Manuskripte, denn zahlreiche Korrekturen stimmen
mit der gedruckten Fassung überein. Der Inhalt entspricht der
italienischen Edition von 1780, ist aber unvollständig, da die
Übersetzung nicht zu Ende geführt wurde. Schuld daran war ei-
ner der italienischen Korrektoren, vermutlich Milizia.436 Ein der
Übersetzung beigebundener Brief gibt Auskunft über die
Gründe für die Zurückweisung. Der ungenannte Briefschreiber,
bei dem es sich entweder um Azara oder um Milizia handelt,
war mit der Übersetzung nicht zufrieden; er kritisierte, daß der
Übersetzer Mengs’ Wortwendungen beanstandet hätte.437 Die
1786 und 1787 bereits in zweiter Auflage erschienene französi-
sche Ausgabe von Jansen übernahm sämtliche Texte aus der Bo-
doni-Edition, darunter auch die beiden oben erwähnten Schrif-
ten von Azara, die im vorrevolutionären Frankreich vielleicht
eine gewisse Fanalwirkung hatten.
Die italienische Neuausgabe der Schriften von Mengs durch
Fea, die zu Anfang des Jahres 1788 erschien,438 beruht auf der
Edition Azaras, fügte aber außer den Briefen einige kleinere
Texte hinzu, die der Herausgeber teils von Azara,439 teils von
Freunden, Verwandten und Schülern des Malers erworben
hatte.440 Es sind vor allem die Briefe gewesen, mit denen sich
Feas Edition ihren Platz in der Geschichte gesichert hat. Er traf
unter den ihm zugänglichen Briefen eine Auswahl nach dem
Kriterium der Eignung für eine größere Öffentlichkeit.441 Zu den
Briefen, die er der Nachwelt überliefern wollte, gehörten die von
Winckelmann an Mengs, deren Urschriften bis heute nicht wie-
der aufgetaucht sind.442 Während Jagemann der Ansicht war,
daß Fea diese Briefe aus dem Deutschen übersetzt habe, dürfte
es sich in Wirklichkeit um die Originale handeln, da die Konver-
sationssprache der beiden Freunde das Italienische war.443 Die
Zusätze an kunsttheoretischen Texten,444 die insgesamt einund-

424 Nachruhm, Nachleben und Wirkung
 
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