III-15 Anton Raphael Mengs, Bildnis Graf Orsini-Rosenberg, 1758.
Privatsammlung
eine der wichtigsten Adressen der Briten in Rom. Von Jenkins,
der sich gelegentlich auch als Spion für die britische Regierung
nützlich machte,103 war es nur ein kurzer Weg zu Batoni, der
sein Atelier in der Via Bocca di Leone hatte, und zu Mengs, der
bis 1757 oberhalb der Spanischen Treppe wohnte, bevor er 1758
in die Via Vittoria und damit in Batonis direkte Nachbarschaft
zog. Mengs hatte Jenkins vermutlich bereits in Venedig kennen-
gelernt, wo der Landschaftsmaler Richard Wilson, der von
Mengs kurz nach seiner Ankunft in Rom porträtiert wurde
(Bd. 1, Kat. Nr. 236), sein Reisegefährte war.104 Zum gleichen
Freundeskreis gehörten außerdem James Stuart, genannt »The
Athenian Stuart«105 und der Archäologe Robert Wood, den
Mengs 1755 porträtiert hat (Abb. III-14). Das Bildnis Richard
Wilsons greift die bereits für das Silvestre-Pastell verbindliche
Typologie des bürgerlich ausgestatteten Berufsbildnisses des
Künstlers auf, die auch durch das Selbstbildnis mit Kappe (Bd. 1,
Kat. Nr. 272) vertreten wird. Dagegen tritt uns im Bildnis Robert
Woods eine neue und andere Art von Individuum gegenüber,
dessen Selbstbewußtsein weder auf der Pose noch auf dem Ha-
bitus oder auf der Tätigkeit beruht, sondern auf einem konzen-
trierten, von Ernst, Energie und kritischem Geist bestimmten
Ausdruck des Gesichtes. Eine solche Beschränkung auf das We-
sentliche des individuellen Ausdrucks nimmt Abstand von den
Bildniskonventionen, die von der Pose und dem Gewand be-
stimmt wurden. Zugleich aber werden auch die Grenzen zwi-
schen Porträt und Idealbild fließend, wie sich an dem für
Thomas Jenkins gemalten Bildnis der Margarita Mengs als
Diligentia ablesen läßt, das sich kaum von seinen idealisieren-
den weiblichen Halbfiguren unterscheidet (Abb. 1-33).106 All
diese Merkmale entsprachen den neuen Ansprüchen gegenüber
dem Bildnis, die in diesen Jahren formuliert wurden. Jonathan
Richardson erwartete von einem guten Bildnis, es müsse eine
höhere Vorstellung von der Schönheit, dem Charakter und ande-
rer guten Eigenschaften des Dargestellten geben als dieser
selbst, ohne daß man sagen könne, worin sich das Abbild vom
Urbild unterscheidet.107 Lessing differenzierte 1766 bereits sub-
tiler: »Denn obschon auch das Porträt ein Ideal zuläßt, so muß
doch die Ähnlichkeit darüber herrschen; es ist das Ideal eines
gewissen Menschen, nicht das Ideal eines Menschen überhaupt.«
108 Azara kritisierte beim Porträt die Pose und die eitle Selbst-
präsentation109 und war sich darin mit dem von ihm wegen
seiner geringen Meinung über Mengs attackierten Reynolds
einig.110
Die Konzentration auf das für die Person Wesentliche und die
Vernachlässigung der von ihr eingenommenen Pose spielten
auch für Mengs’ weiteres Porträtschaffen eine wesentliche Rolle.
Dies zeigt sich u.a. daran, daß er seine ganze gestalterische
Konzentration auf die Studie nach dem Leben verwandte
(Abb. III-15). Dies aber ließ sich in zwei Stunden bewältigen so
wie er es bei seinen frühen Dresdner Pastellen demonstriert
hatte. War einmal das Wesentliche eines Gesichtes und eines
Charakters erfaßt, so interessierte er sich für das Endprodukt
nur noch unter dem Gesichtspunkt der koloristischen und der
technischen Perfektion. Letztere veranlaßte ihn vermutlich auch
zum finalen Retuschieren von Zweit- und Drittversionen, da es
genau diese Perfektion des malerischen Duktus war, vor allem
in der Wiedergabe von Gewändern und Inkarnaten, an denen
neben der Treffsicherheit und Lebendigkeit des Ausdrucks die
Qualität eines Porträts gemessen wurde. Dies galt in gleichem
Maße für das offizielle Staats- und Standesporträt wie für das
private Bildnis - die Unterschiede zwischen diesen beiden Polen
seiner Tätigkeit als Porträtist heben sich in diesem Punkt sogar
auf. Der Repräsentationscharakter wird mit der gleichen, zu-
meist nüchternen Selbstverständlichkeit zur Schau getragen wie
die Privatheit. Als Ersatz für den repräsentativen Anspruch er-
halten die »privaten« Bildnisse, die meistens neutrale, in einem
warmen Grün gehaltene Hintergründe haben, durch eine den
Kopf einrahmende Aufhellung eine Art von Aura. Die Betonung
des individuellen Charakters und eine vom sozialen Status un-
abhängige Darstellungsweise äußern sich auch in der Schlicht-
heit der Kleidung und der Haltung. Es waren gerade die Briten-
bildnisse, welche die Herausbildung dieser Merkmale in Mengs’
Schaffen begünstigten. Weder aristokratisches Standesporträt
noch reines Privatbildnis, repräsentieren sie im Gewand der Tra-
dition einen neuen Persönlichkeitstypus von ausgeprägter Indi-
vidualität. Winckelmann drückte diese Übereinstimmung zwi-
schen Kostüm und Stil treffend aus: »Man kann hier z.B. die auf
van Dyckische Art gekleideten Porträts anführen, welche Tracht
noch jetzt von Engländern beliebt wird und auch dem Künstler
sowohl als der gemahlten Person weit vortheilhafter ist als die
heutige gezwungene Kleidung«.111
Gemessen an den in Dresden entstandenen Bildnissen lassen
Mengs römische Bildnisse aber auch die Beeinflussung durch
die Standards der Historienmalerei erkennen, gemäß den Maxi-
Rom 1755-1761 167