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Vermeintliches Postament des Augustus, »ie lleuterstatuen vor den Propyläen.
der südlichen Mauer, in deren Fusse das Sacelluin der Ge und der Demeter ist, den grösseren Thcil des Raumes
einnahm, welchen man dem vorausgesetzten Fussgestell des Augustusbildes anweisen musste47 *: allein man half sich
so gut als möglich, indem man das Postament auf verschiedene Art halb in die Mauer hineinzurücken suchte43.
Nach diesem Allen fand man es freilich aulfallend, dass sich Pausanias über die Reuterstatucn so ungewiss und
zweifelhaft ausdrücke, und sie für Bilder der Söhne des Xenophon zu halten scheine; jedoch berief man sich auf
seine, allerdings nicht zu läugncnde Abneigung gegen die Römischen Zwingherrn und noch mehr gegen die Schmei-
chelei, mit welcher die Griechen gegen ihr besseres Gefühl ihnen huldigten, und nahm mithin an, dass er absichtlich
die Namen des Augustus und des Agrippa verschwiegen, denen die Bilder nach einem unter den Griechen nicht
seltenen Brauche49 später geweiht worden seien, und dass er durch die Art seines Ausdrucks nur habe andeuten
wollen, dass sie ursprünglich die Sohne des Xenophon vorzustellen bestimmt waren. Mit diesen Annahmen — so
stark ist die Gewalt einer vorgefassten Meinung — beruhigt sich auch der treffliche Forscher Leake, und nach ihm
Andere, wie Kruse in seiner Hellas50.
Aber weshalb solllc Pausanias hier aus Hass neben dem Namen des Agrippa, auch den des Augustus ver-
schwiegen haben, den er kein Bedenken trägt, bei andern und sogar ähnlichen Gelegenheiten zu nennen? Bei der
Beschreibung des Heräon bei Mykcnä erzählt er, dass eine Statue des Orestes durch eine Veränderung der Unterschrift
in die des Augustus verwandelt worden sei51. Er hätte ja dies auch verschweigen können. In Sparta unterlässt er
nicht die dort auf dem Markte stehenden Tempel des Cäsar und Augustus zu erwähnen, und der Macht und des
Ansehens des letzteren zu gedenken 52. Endlich in der Beschreibung von Olympia berichtet er von einer Statue des
Augustus aus Elektron und preiset die Kostbarkeit des Materials53. Kann es demnach als annehmbar erscheinen,
dass er, wenn er überhaupt die Statue des Agrippa und die vermeintlich ihr entsprechende des Augustus erwähnen
wollte, die Namen derselben umgehen zu müssen glaubte?
Dass Pausanias wirklich zwei andere Monumente der Familie des Augustus in Athen — das missbräuchlich
sogenannte Thor der Agora54 und den runden Tempel des Augustus und der Roma auf der Akropolis 55 — mit
Stillschweigen übergangen, kann man nicht im Ernst geltend machen wollen56. Er geht ja überhaupt nicht auf
absolute Vollständigkeit aus. So lässt er allein von den noch heute oder bis vor Kurzem vorhandenen reingriechi-
schen Monumenten (um anderer, die wir blos aus den Schriftstellern kennen, nicht zu gedenken) die Uhr des
Andronikos Kyrrhcstes, das choragische Denkmal des Lysikrates und das des Thrasyllos unerwähnt; und ein Gebäude
wie die Propyläen, fertigt er in zwei kurzen Worten ab.
Ein weiterer nicht zu übersehender Grund gegen die Identität der Statue des Agrippa mit der eines Sohnes
des Xenophon ist der — wie auch die Vertheidiger jener Meinung nicht verkannt haben57 — entschieden Römische
Charakter des Fussgestells, der sich sowohl in seinem schwerfälligen Gesimse, als in der Bauart ausspricht. Der
Kern des Postaments ist nämlich von solidem Mauerwerk, und seine Wände sind nur mit Marmorplatten bekleidet,
deren Schichten, nach Römischer Art, abwechselnd ungleiche Höhe haben. Ueberdies ist der Marmor nicht Penteli-
scher, sondern Hymettischer Stein, den wir in den reingriechischen Bauten gar nicht angewandt finden, während er
von den Römern hochgeschätzt wurde5S. Indess über diesen Einwand scheint sich Leake durch die Annahme beruhigt
zu haben, dass das Postament erst erbaut worden sei, als man die Statue eines der Söhne des Xenophon dem
Agrippa zu weihen beschlossen hatte59. Dagegen aber darf man wohl fragen, ob ein Pfeiler von 27 Fuss Höhe,
mit einer Plateform von 15 Fuss im Quadrat, ein passendes Fussgestell für eine Reuterstatue gewesen sein würde,
die, da man sie sich doch in der Mitte stehend und gegen Westen gerichtet denken müsste, wenigstens von den
zwei Längenseiten zum grossen Theile durch die Breite der Plateform und des vorspringenden Gesimses dem Auge
verdeckt gewesen wäre? Eine kolossale sitzende Statue scheint zu der Form und den Verhältnissen des Postaments
weit besser zu passen. Ein Beispiel einer solchen bietet der bekannte Koloss auf einer Klippe vor dem Hafen von
Prasiä (Porto Rhaphti) an der Ostküste von Attika60.
Allein betrachten wir die Worte selbst, deren Pausanias sich bedient, noch einmal genau: „Was nun die
„Reuterstatuen betrifft, so weiss ich nicht gewiss zu sagen, ob es die Sohne des Xenophon sind, oder ob sie über-
haupt nur (aHwg) zur Zierde (eg «wrpesrezap fil) gemacht sind.” Hieraus lässt sich unbefangener Weise nichts weiter
folgern, als dass Pausanias vor den Propyläen (wie der Zusammenhang an die Hand giebt) ein Paar Reuterstatuen
sah, von denen eine Tradition angab, dass es die Söhne des Xenophon seien, von denen er selbst aber glaubte, dass
sic vielleicht nur zur Verschönerung der Ansicht des Gebäudes aufgestcllt wären. Nirgends aber ist hier eine
Andeutung von einer Umtaufung dieser Statuen zu Ehren Römischer Männer; es sei denn, dass man — was doch
wohl Niemanden ernstlich in den Sinn kommen kann — den Ausdruck eg £va()£tt£iav für eine ironische Anspielung
auf solche Schmeichelei halten volle62.
Wenn nun durch die Ausgrabung sich mit vollster Gewissheit ergeben hat, dass das vermeintliche Postament
mit der Reuterstatue des Augustus nie cxistirte, und wenn aus der vorstehenden Erörterung mit nicht viel geringerer
47) Vgl. die Anmerk, der Herausg. von Stuarts und Revetts Alterth.
2 Bd., S. 97 und 111 der d. Ausg., wo bereits die Existenz des zweiten
Postaments bestritten wird.
4S) Alterth. von Athen, 8 Lief., Taf. 7 der deut. Ausg.; Leake Topographie
v. Athen, Tafel 3 und 4.
49) Leake Topographie S. 261 der d. Ueb. — Cicero Br. an Atticus 6, 7.
— Paus. 2, 17, 3. — Dion. Chrysost. Rhod. Rede, S. 312 Morell.
50) Leake, a. a. O. S. 259 folg. — Kruse, Hellas 2, 1, S. 84.
51) Paus. 2, 17, 3: tov tmyoatiiia s'/wt<x, wg s'iij sivyovetoe,
\)otc>zt]P tlvat '/.tyovtji.
«Die Statue, deren Inschrift angiebt, dass es der Kaiser Augustus sei,
« stellt, sagt man, eigentlich den Orestes vor. *
52) Paus. 3, 11, 4.
53) Paus. 5, 12, 6 u. 7.
5*) Leake Topographie S. 119 der deutsch. Uebers. — Böckh, C. I. Gr. 1,
n. 312, 477.
55) Böckh C. I. Gr. 1, n. 478.
56) Leake, Topographie S. 261 der deutsch. Uebers.
57) Leake, Topographie, S. 259 der d. Ueb.: «die Bauart und Form dieses
« Postaments zeigen, dass es den Römischen Zeiten angehört. »
5S) Ilorat. Oden 2, 18, 3. — Strabon 9, S. 246. Tchn.
59) Die neuen Herausgeber von Stuarts Alterth. (2 Bd. S. 97.) halten,
obgleich sie schon die Annahme eines zweiten Postaments verwerfen, den-
noch das Fussgestell des Agrippa für ein altes Werk, und behaupten, die
Inschrift sei später hinzugesetzt worden.
6Ü) Leake, on the demi of Attica p. 44. — Kruse, Hellas 2, 1. S. 255.
61) Leake, Topographie S. 260. erläutert diesen Ausdruck durch malerische
Wirkung.
62) wie gallz anders, wie klar und bestimmt, drückt sich Pausanias in den
beispielsweise von Leake angeführten Stellen aus, wo er Statuen des
Poseidon, des Themistokles und Miltiades auf Spätere übertragen findet,
aber die Namen derselben zu nennen verschmäht (Paus. 1, 2, 4 und 18, 3).
Vermeintliches Postament des Augustus, »ie lleuterstatuen vor den Propyläen.
der südlichen Mauer, in deren Fusse das Sacelluin der Ge und der Demeter ist, den grösseren Thcil des Raumes
einnahm, welchen man dem vorausgesetzten Fussgestell des Augustusbildes anweisen musste47 *: allein man half sich
so gut als möglich, indem man das Postament auf verschiedene Art halb in die Mauer hineinzurücken suchte43.
Nach diesem Allen fand man es freilich aulfallend, dass sich Pausanias über die Reuterstatucn so ungewiss und
zweifelhaft ausdrücke, und sie für Bilder der Söhne des Xenophon zu halten scheine; jedoch berief man sich auf
seine, allerdings nicht zu läugncnde Abneigung gegen die Römischen Zwingherrn und noch mehr gegen die Schmei-
chelei, mit welcher die Griechen gegen ihr besseres Gefühl ihnen huldigten, und nahm mithin an, dass er absichtlich
die Namen des Augustus und des Agrippa verschwiegen, denen die Bilder nach einem unter den Griechen nicht
seltenen Brauche49 später geweiht worden seien, und dass er durch die Art seines Ausdrucks nur habe andeuten
wollen, dass sie ursprünglich die Sohne des Xenophon vorzustellen bestimmt waren. Mit diesen Annahmen — so
stark ist die Gewalt einer vorgefassten Meinung — beruhigt sich auch der treffliche Forscher Leake, und nach ihm
Andere, wie Kruse in seiner Hellas50.
Aber weshalb solllc Pausanias hier aus Hass neben dem Namen des Agrippa, auch den des Augustus ver-
schwiegen haben, den er kein Bedenken trägt, bei andern und sogar ähnlichen Gelegenheiten zu nennen? Bei der
Beschreibung des Heräon bei Mykcnä erzählt er, dass eine Statue des Orestes durch eine Veränderung der Unterschrift
in die des Augustus verwandelt worden sei51. Er hätte ja dies auch verschweigen können. In Sparta unterlässt er
nicht die dort auf dem Markte stehenden Tempel des Cäsar und Augustus zu erwähnen, und der Macht und des
Ansehens des letzteren zu gedenken 52. Endlich in der Beschreibung von Olympia berichtet er von einer Statue des
Augustus aus Elektron und preiset die Kostbarkeit des Materials53. Kann es demnach als annehmbar erscheinen,
dass er, wenn er überhaupt die Statue des Agrippa und die vermeintlich ihr entsprechende des Augustus erwähnen
wollte, die Namen derselben umgehen zu müssen glaubte?
Dass Pausanias wirklich zwei andere Monumente der Familie des Augustus in Athen — das missbräuchlich
sogenannte Thor der Agora54 und den runden Tempel des Augustus und der Roma auf der Akropolis 55 — mit
Stillschweigen übergangen, kann man nicht im Ernst geltend machen wollen56. Er geht ja überhaupt nicht auf
absolute Vollständigkeit aus. So lässt er allein von den noch heute oder bis vor Kurzem vorhandenen reingriechi-
schen Monumenten (um anderer, die wir blos aus den Schriftstellern kennen, nicht zu gedenken) die Uhr des
Andronikos Kyrrhcstes, das choragische Denkmal des Lysikrates und das des Thrasyllos unerwähnt; und ein Gebäude
wie die Propyläen, fertigt er in zwei kurzen Worten ab.
Ein weiterer nicht zu übersehender Grund gegen die Identität der Statue des Agrippa mit der eines Sohnes
des Xenophon ist der — wie auch die Vertheidiger jener Meinung nicht verkannt haben57 — entschieden Römische
Charakter des Fussgestells, der sich sowohl in seinem schwerfälligen Gesimse, als in der Bauart ausspricht. Der
Kern des Postaments ist nämlich von solidem Mauerwerk, und seine Wände sind nur mit Marmorplatten bekleidet,
deren Schichten, nach Römischer Art, abwechselnd ungleiche Höhe haben. Ueberdies ist der Marmor nicht Penteli-
scher, sondern Hymettischer Stein, den wir in den reingriechischen Bauten gar nicht angewandt finden, während er
von den Römern hochgeschätzt wurde5S. Indess über diesen Einwand scheint sich Leake durch die Annahme beruhigt
zu haben, dass das Postament erst erbaut worden sei, als man die Statue eines der Söhne des Xenophon dem
Agrippa zu weihen beschlossen hatte59. Dagegen aber darf man wohl fragen, ob ein Pfeiler von 27 Fuss Höhe,
mit einer Plateform von 15 Fuss im Quadrat, ein passendes Fussgestell für eine Reuterstatue gewesen sein würde,
die, da man sie sich doch in der Mitte stehend und gegen Westen gerichtet denken müsste, wenigstens von den
zwei Längenseiten zum grossen Theile durch die Breite der Plateform und des vorspringenden Gesimses dem Auge
verdeckt gewesen wäre? Eine kolossale sitzende Statue scheint zu der Form und den Verhältnissen des Postaments
weit besser zu passen. Ein Beispiel einer solchen bietet der bekannte Koloss auf einer Klippe vor dem Hafen von
Prasiä (Porto Rhaphti) an der Ostküste von Attika60.
Allein betrachten wir die Worte selbst, deren Pausanias sich bedient, noch einmal genau: „Was nun die
„Reuterstatuen betrifft, so weiss ich nicht gewiss zu sagen, ob es die Sohne des Xenophon sind, oder ob sie über-
haupt nur (aHwg) zur Zierde (eg «wrpesrezap fil) gemacht sind.” Hieraus lässt sich unbefangener Weise nichts weiter
folgern, als dass Pausanias vor den Propyläen (wie der Zusammenhang an die Hand giebt) ein Paar Reuterstatuen
sah, von denen eine Tradition angab, dass es die Söhne des Xenophon seien, von denen er selbst aber glaubte, dass
sic vielleicht nur zur Verschönerung der Ansicht des Gebäudes aufgestcllt wären. Nirgends aber ist hier eine
Andeutung von einer Umtaufung dieser Statuen zu Ehren Römischer Männer; es sei denn, dass man — was doch
wohl Niemanden ernstlich in den Sinn kommen kann — den Ausdruck eg £va()£tt£iav für eine ironische Anspielung
auf solche Schmeichelei halten volle62.
Wenn nun durch die Ausgrabung sich mit vollster Gewissheit ergeben hat, dass das vermeintliche Postament
mit der Reuterstatue des Augustus nie cxistirte, und wenn aus der vorstehenden Erörterung mit nicht viel geringerer
47) Vgl. die Anmerk, der Herausg. von Stuarts und Revetts Alterth.
2 Bd., S. 97 und 111 der d. Ausg., wo bereits die Existenz des zweiten
Postaments bestritten wird.
4S) Alterth. von Athen, 8 Lief., Taf. 7 der deut. Ausg.; Leake Topographie
v. Athen, Tafel 3 und 4.
49) Leake Topographie S. 261 der d. Ueb. — Cicero Br. an Atticus 6, 7.
— Paus. 2, 17, 3. — Dion. Chrysost. Rhod. Rede, S. 312 Morell.
50) Leake, a. a. O. S. 259 folg. — Kruse, Hellas 2, 1, S. 84.
51) Paus. 2, 17, 3: tov tmyoatiiia s'/wt<x, wg s'iij sivyovetoe,
\)otc>zt]P tlvat '/.tyovtji.
«Die Statue, deren Inschrift angiebt, dass es der Kaiser Augustus sei,
« stellt, sagt man, eigentlich den Orestes vor. *
52) Paus. 3, 11, 4.
53) Paus. 5, 12, 6 u. 7.
5*) Leake Topographie S. 119 der deutsch. Uebers. — Böckh, C. I. Gr. 1,
n. 312, 477.
55) Böckh C. I. Gr. 1, n. 478.
56) Leake, Topographie S. 261 der deutsch. Uebers.
57) Leake, Topographie, S. 259 der d. Ueb.: «die Bauart und Form dieses
« Postaments zeigen, dass es den Römischen Zeiten angehört. »
5S) Ilorat. Oden 2, 18, 3. — Strabon 9, S. 246. Tchn.
59) Die neuen Herausgeber von Stuarts Alterth. (2 Bd. S. 97.) halten,
obgleich sie schon die Annahme eines zweiten Postaments verwerfen, den-
noch das Fussgestell des Agrippa für ein altes Werk, und behaupten, die
Inschrift sei später hinzugesetzt worden.
6Ü) Leake, on the demi of Attica p. 44. — Kruse, Hellas 2, 1. S. 255.
61) Leake, Topographie S. 260. erläutert diesen Ausdruck durch malerische
Wirkung.
62) wie gallz anders, wie klar und bestimmt, drückt sich Pausanias in den
beispielsweise von Leake angeführten Stellen aus, wo er Statuen des
Poseidon, des Themistokles und Miltiades auf Spätere übertragen findet,
aber die Namen derselben zu nennen verschmäht (Paus. 1, 2, 4 und 18, 3).