Nachrichten der Alten über den Niketenipel. — Erbaunngszeit des Niketempels. 9
Türken83. Auf jene flüchtige Beschreibung Spons und Whelers fussend, und mit Hülfe der Maasse der von Graf
Elgin gefundenen und weggeführten vier Friesstücke, so wie der aus der Mauer der Batterie hervorblickenden
Architrave, Gesimse und Antencapitelle, haben die Herren Cockerell und Leake andeutungsweise eine Restauration
des Gebäudes entworfen84; allein so genial dieser Versuch auch genannt zu werden verdient, so hat sich doch durch
die gegenwärtigen Entdeckungen und die Wiederaufrichtung des Tempels eine ganz andere Gestalt desselben ergeben.
Hier ist es aber der Ort, erst die wenigen, leider höchst dürftigen Nachrichten der Alten über den Tempel
der Nike Apteros zusammen zu stellen, auf welche wir bei den folgenden Erörterungen zu fussen haben werden.
Diese Nachrichten der Alten sind, äusser der schon oben 85 angeführten Stelle des Pausanias, welche über die Lage
des Tempels entscheidend ist, noch folgende:
Pausan. 2, 30, 2: „Alkamenes (wie mir dünkt) hat zuerst drei unter einander zusammenhängende Bilder der
„Hekate gemacht, welche die Athcnäer die auf dem Thurme stehende (Epipyrgidia) nennen. Sie steht neben dem
„Tempel der ungeflügcltcn Nike86.”
Ders. 3, 15, 5: „dem Tempel (des Hipposthenes in Sparta) gegenüber ist ein gefesselter Enyalios, ein altes
„Bild. Die Lakedämonier hegen über dieses Bild dieselbe Meinung, wie die Athcnäer über die sogenannte Nike
„Apteros; indem jene meinen, dass Enyalios nie ihnen entfliehen werde, da er in Fesseln liege, die Athcnäer aber,
„dass der Sieg immer dort bleiben müsse, da er keine Flügel habe. Auf diese Weise und auf solchen Glauben
„haben die genannten Städte die Bilder gegründet87.”
D ers. 5, 26, 5 (von der Altis in Olympia): „Neben der Athene steht eine Nike; diese haben die Mantineer
„geweiht. Kalamis aber, sagt man, hat sie ohne Flügel gemacht, indem er das Bild der sogenannten ungeflügelten
„Siegsgöttin in Athen nachahmte88.”
Harpok ration (und Sui das) u. d. W. Niwr] „Lykurgos in der Rede über die Priesterinn. Dass
„aber ein ungeflügeltes Bild der Nike Athene, in der Rechten einen Granatapfel, in der Linken einen Helm haltend,
„bei den Athenäcrn in Verehrung stand, hat Heliodoros der Perieget in dem ersten Buche über die Akropolis
„ berichtet89. ”
Leber das Alter des Tempels der Nike, wie über seinen Erbauer, fehlen alle direkten Angaben. Es bleibt
uns daher nichts übrig, als die vorstehenden dürftigen Zeugnisse mit andern bekannten Umständen zusammenzu-
halten, und so zu versuchen, auf Umwegen ans Ziel, oder wenigstens der Wahrheit nahe zu kommen.
Der Tempel der Nike Apteros kann nicht älter sein, als die Kimonische Mauer, auf welcher er steht. Diese
Mauer wurde, dem Zeugniss des Plutarchos90 zufolge, nach der doppelten Schlacht am Euryinedon und aus der
damals gemachten Siegsbeute gebaut. Die Schlacht am Euryinedon aber fällt, nach der Angabe des Diodoros91 und
der übereinstimmenden Annahme der meisten Chronologen, in das dritte Jahr der 77 sten Olympiade, v. Chr. 470;
nach Clinton freilich erst Olymp. 78, 3, v. Chr. 466. Damals auch legte Kirnon den Grund zu dem Bau der langen
Mauern, und schmückte die Stadt noch mit andern verschönernden Anlagen92; so wie er um dieselbe Zeit, nachdem
er die Gebeine des Theseus von Skyros geholt, auch den Bau des Theseion unternommen haben muss93. In diese
erste Glanzperiode der Athenäischen Prachtlicbe aber scheint der Bau unseres Tempels auch aus folgenden Gründen
zu fallen.
Wir haben oben ein Zeugniss des Pausanias initgetheilt94, nach welchem Kalamis das Bild der Nike Apteros
in Olympia nachgebildet hatte. Kalamis Lebenszeit und Wirksamkeits-Periode reicht aber nicht weit über Olymp.
87, 3 (oder 429 v. Chr.) hinunter95, und wir würden demnach schon durch dieses Zeugniss über das genannte Jahr
zurückgewiesen. Allein da angenommen werden könnte, dass das Bild des ungeflügcltcn Siegs schon vor dem Bau
seines Tempels cxistirt habe, so wollen wir hierauf allein noch nicht viel Gewicht legen.
Pausanias erzählt aber an einer andern Stelle weiter96: Alkamenes habe zuerst eine Statue der drcileibigen
Hekate (l)ea triformis) gemacht, welche die Athcnäer die auf dem Thurme stehende (Epipyrgidia) nannten, und
welche neben dem Tempel des ungeflügelten Sieges stand. Der Beiname Epipyrgidia zeigt ganz deutlich, dass
dies Bild auf dein Tlmrme oder Mauerpfeiler selbst stand; und zwar kann es, da der Tempel den grössten Theil
der PJateform des Thurmes einnimmt, die spitzige gegen Nordosten und gegen die Propyläen vorspringende Ecke aber
später mit einer unten zu beschreibenden Balustrade eingefasst wurde97, nur in dem Winkel dieser Balustrade, oder,
da dies wenig Wahrscheinlichkeit hat, auf der Südseite des Tempels noch Platz gefunden haben. Alkamenes würde
sein Bild indess schwerlich auf den äussersten, noch überdiess von der Aufgangstreppe abgewandten südlichen Rand
der Platcform hinausgerückt haben, wenn ihn nicht der schon vorhandene Tempel, der den besseren Platz einnahm,
dahin verdrängt hätte. Mithin ist die Errichtung des Bildes der Hekate jünger, als der Bau des Tempels. Da
nun aber die Blüthezeit des Alkamenes nach Plinius98 um die 83ste Olympiade anfängt, und er bis um die 95ste
witÄOMt wings. It is built of wlnte marble, with one end near the «reZ>eo'«J'. KMctpig di ovx e/ovGav meQu noi^Gai ).eytzaij dzropipoi'gevog
wall. — This temple is not above fifteen foot long, and about eight or zd zyg amdqov xaÄovpdvqg ‘^oavov.
nine broad: but of wliite marble, with channel’d pillars of the Dprick order, s9) A. a. O.: Nixi] A&yvä‘ AvxovQyog iv zm negl zyg lenelag' 5zi di Nixyg
A&yväg Igoctvov aTTiegov, e/ov ev fiiv zy de^iä yoiäv, ev di zy evun'vpm
■/.Qaroc, ezipäzo nud A&yvaioig, dedyÄwxev 'Udidduifiog d ne^yyyzyg ev
d neol dxQomfaug.
SO) Plutarch. Kiinon 13. — Pausan. 1, 28, 3.
91) Diodor. 11, 60 — 62.
9i) Plut. Kimon 8 und 13.
The Architrave hath a basso-relievo on it, of little figures well cut; and
now serveth the Turks for a magazin of powder.
83) Vgl. oben Abschn. 1, Anm. 17—18.
84) Leake, Topographie von Athen S. 257 der d. Ueb. — Anmerkungen der
Herausg. zu Stuart, Alterth. von Athen, 2 Bd. S. 110 der d. Ueb.
85) Vgl. oben Abschn. 2, Anmerk. 42.
Su) A. a. O.: Akxagdvyg (ßgoi doxetv) 7TQt3zog d/ci/.paza 'Exäzyg zyia emtiyGe
rrooeexopepa cMyfoig, yv A&yvoüoi xaXovGivEmTCvyxiäiav' egyxe di rraod
zyg am^QOV Nixyc zov vaov.
87) A. a. 0.: zov vaov dvtixyv ztedac eglv s/wi' Ewahoc, äyaXpa aQxatov.
di zy avey Aaxedaipoviwv zeig zovzo iglv dyalpa, xaiA^yvaloiv
zg zyv dmiQOV xaXovpevyv Nixyv, z<5v piv ovttozs zov Ewdhov qev-
yovra or/yGea.'/ai cgiOiv ivexöpevov zaig nedaic, A^-yvaiov di zyv Nixyv
avzo&i del peveiv ovx oi'rwr Tmpmr. zövde pev elctiv al rrdieig avica zd
^Guva zov zydnov Idgvpivai xal inl djgy zoiavzy.
A. a. O.: naqd di zyv AO-yvdv nercoiyzai JMixy zavzyv Mavzivtig
93) Dass der bekannte sechssäulige Tempel in Athen nicht das Theseion sei,
sondern mit Wahrscheinlichkeit dem Ares zugewiesen werden müsse, habe
ich gezeigt in der Schrift: zd Qyoelov xal o vadg zov "Ayeaig, ’A&yvyöi
1838, 8.
94) S. oben Anm. 88.
95) Thierscli, Epochen der bildenden Kunst, 2te Ausg. S. 153. — Sill ig,
Catal. Artiff. p. 115.
9(i) S. oben Anmerk. 86.
97) S. Abschnitt 4 zu Ende.
9S) Plinius Naturgesch. 31, 8, 19.
5
Türken83. Auf jene flüchtige Beschreibung Spons und Whelers fussend, und mit Hülfe der Maasse der von Graf
Elgin gefundenen und weggeführten vier Friesstücke, so wie der aus der Mauer der Batterie hervorblickenden
Architrave, Gesimse und Antencapitelle, haben die Herren Cockerell und Leake andeutungsweise eine Restauration
des Gebäudes entworfen84; allein so genial dieser Versuch auch genannt zu werden verdient, so hat sich doch durch
die gegenwärtigen Entdeckungen und die Wiederaufrichtung des Tempels eine ganz andere Gestalt desselben ergeben.
Hier ist es aber der Ort, erst die wenigen, leider höchst dürftigen Nachrichten der Alten über den Tempel
der Nike Apteros zusammen zu stellen, auf welche wir bei den folgenden Erörterungen zu fussen haben werden.
Diese Nachrichten der Alten sind, äusser der schon oben 85 angeführten Stelle des Pausanias, welche über die Lage
des Tempels entscheidend ist, noch folgende:
Pausan. 2, 30, 2: „Alkamenes (wie mir dünkt) hat zuerst drei unter einander zusammenhängende Bilder der
„Hekate gemacht, welche die Athcnäer die auf dem Thurme stehende (Epipyrgidia) nennen. Sie steht neben dem
„Tempel der ungeflügcltcn Nike86.”
Ders. 3, 15, 5: „dem Tempel (des Hipposthenes in Sparta) gegenüber ist ein gefesselter Enyalios, ein altes
„Bild. Die Lakedämonier hegen über dieses Bild dieselbe Meinung, wie die Athcnäer über die sogenannte Nike
„Apteros; indem jene meinen, dass Enyalios nie ihnen entfliehen werde, da er in Fesseln liege, die Athcnäer aber,
„dass der Sieg immer dort bleiben müsse, da er keine Flügel habe. Auf diese Weise und auf solchen Glauben
„haben die genannten Städte die Bilder gegründet87.”
D ers. 5, 26, 5 (von der Altis in Olympia): „Neben der Athene steht eine Nike; diese haben die Mantineer
„geweiht. Kalamis aber, sagt man, hat sie ohne Flügel gemacht, indem er das Bild der sogenannten ungeflügelten
„Siegsgöttin in Athen nachahmte88.”
Harpok ration (und Sui das) u. d. W. Niwr] „Lykurgos in der Rede über die Priesterinn. Dass
„aber ein ungeflügeltes Bild der Nike Athene, in der Rechten einen Granatapfel, in der Linken einen Helm haltend,
„bei den Athenäcrn in Verehrung stand, hat Heliodoros der Perieget in dem ersten Buche über die Akropolis
„ berichtet89. ”
Leber das Alter des Tempels der Nike, wie über seinen Erbauer, fehlen alle direkten Angaben. Es bleibt
uns daher nichts übrig, als die vorstehenden dürftigen Zeugnisse mit andern bekannten Umständen zusammenzu-
halten, und so zu versuchen, auf Umwegen ans Ziel, oder wenigstens der Wahrheit nahe zu kommen.
Der Tempel der Nike Apteros kann nicht älter sein, als die Kimonische Mauer, auf welcher er steht. Diese
Mauer wurde, dem Zeugniss des Plutarchos90 zufolge, nach der doppelten Schlacht am Euryinedon und aus der
damals gemachten Siegsbeute gebaut. Die Schlacht am Euryinedon aber fällt, nach der Angabe des Diodoros91 und
der übereinstimmenden Annahme der meisten Chronologen, in das dritte Jahr der 77 sten Olympiade, v. Chr. 470;
nach Clinton freilich erst Olymp. 78, 3, v. Chr. 466. Damals auch legte Kirnon den Grund zu dem Bau der langen
Mauern, und schmückte die Stadt noch mit andern verschönernden Anlagen92; so wie er um dieselbe Zeit, nachdem
er die Gebeine des Theseus von Skyros geholt, auch den Bau des Theseion unternommen haben muss93. In diese
erste Glanzperiode der Athenäischen Prachtlicbe aber scheint der Bau unseres Tempels auch aus folgenden Gründen
zu fallen.
Wir haben oben ein Zeugniss des Pausanias initgetheilt94, nach welchem Kalamis das Bild der Nike Apteros
in Olympia nachgebildet hatte. Kalamis Lebenszeit und Wirksamkeits-Periode reicht aber nicht weit über Olymp.
87, 3 (oder 429 v. Chr.) hinunter95, und wir würden demnach schon durch dieses Zeugniss über das genannte Jahr
zurückgewiesen. Allein da angenommen werden könnte, dass das Bild des ungeflügcltcn Siegs schon vor dem Bau
seines Tempels cxistirt habe, so wollen wir hierauf allein noch nicht viel Gewicht legen.
Pausanias erzählt aber an einer andern Stelle weiter96: Alkamenes habe zuerst eine Statue der drcileibigen
Hekate (l)ea triformis) gemacht, welche die Athcnäer die auf dem Thurme stehende (Epipyrgidia) nannten, und
welche neben dem Tempel des ungeflügelten Sieges stand. Der Beiname Epipyrgidia zeigt ganz deutlich, dass
dies Bild auf dein Tlmrme oder Mauerpfeiler selbst stand; und zwar kann es, da der Tempel den grössten Theil
der PJateform des Thurmes einnimmt, die spitzige gegen Nordosten und gegen die Propyläen vorspringende Ecke aber
später mit einer unten zu beschreibenden Balustrade eingefasst wurde97, nur in dem Winkel dieser Balustrade, oder,
da dies wenig Wahrscheinlichkeit hat, auf der Südseite des Tempels noch Platz gefunden haben. Alkamenes würde
sein Bild indess schwerlich auf den äussersten, noch überdiess von der Aufgangstreppe abgewandten südlichen Rand
der Platcform hinausgerückt haben, wenn ihn nicht der schon vorhandene Tempel, der den besseren Platz einnahm,
dahin verdrängt hätte. Mithin ist die Errichtung des Bildes der Hekate jünger, als der Bau des Tempels. Da
nun aber die Blüthezeit des Alkamenes nach Plinius98 um die 83ste Olympiade anfängt, und er bis um die 95ste
witÄOMt wings. It is built of wlnte marble, with one end near the «reZ>eo'«J'. KMctpig di ovx e/ovGav meQu noi^Gai ).eytzaij dzropipoi'gevog
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nine broad: but of wliite marble, with channel’d pillars of the Dprick order, s9) A. a. O.: Nixi] A&yvä‘ AvxovQyog iv zm negl zyg lenelag' 5zi di Nixyg
A&yväg Igoctvov aTTiegov, e/ov ev fiiv zy de^iä yoiäv, ev di zy evun'vpm
■/.Qaroc, ezipäzo nud A&yvaioig, dedyÄwxev 'Udidduifiog d ne^yyyzyg ev
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SO) Plutarch. Kiinon 13. — Pausan. 1, 28, 3.
91) Diodor. 11, 60 — 62.
9i) Plut. Kimon 8 und 13.
The Architrave hath a basso-relievo on it, of little figures well cut; and
now serveth the Turks for a magazin of powder.
83) Vgl. oben Abschn. 1, Anm. 17—18.
84) Leake, Topographie von Athen S. 257 der d. Ueb. — Anmerkungen der
Herausg. zu Stuart, Alterth. von Athen, 2 Bd. S. 110 der d. Ueb.
85) Vgl. oben Abschn. 2, Anmerk. 42.
Su) A. a. O.: Akxagdvyg (ßgoi doxetv) 7TQt3zog d/ci/.paza 'Exäzyg zyia emtiyGe
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87) A. a. 0.: zov vaov dvtixyv ztedac eglv s/wi' Ewahoc, äyaXpa aQxatov.
di zy avey Aaxedaipoviwv zeig zovzo iglv dyalpa, xaiA^yvaloiv
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^Guva zov zydnov Idgvpivai xal inl djgy zoiavzy.
A. a. O.: naqd di zyv AO-yvdv nercoiyzai JMixy zavzyv Mavzivtig
93) Dass der bekannte sechssäulige Tempel in Athen nicht das Theseion sei,
sondern mit Wahrscheinlichkeit dem Ares zugewiesen werden müsse, habe
ich gezeigt in der Schrift: zd Qyoelov xal o vadg zov "Ayeaig, ’A&yvyöi
1838, 8.
94) S. oben Anm. 88.
95) Thierscli, Epochen der bildenden Kunst, 2te Ausg. S. 153. — Sill ig,
Catal. Artiff. p. 115.
9(i) S. oben Anmerk. 86.
97) S. Abschnitt 4 zu Ende.
9S) Plinius Naturgesch. 31, 8, 19.
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